Mega-Gewinne der Staatsinstitute
Kantonalbanken sind profitabler als 40 Industrieperlen zusammen

Stadler, Sulzer, Swatch & Co. müssen im Vergleich zu den subventionierten Finanzinstituten kleine Brötchen backen. Vergangenes Jahr erwirtschafteten die 20’688 Kantonalbank-Angestellten höhere Profite als 320’000 Industrie-Arbeiter.
Publiziert: 14.04.2024 um 00:24 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2024 um 08:19 Uhr
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Jan-Egbert Sturm (54), Leiter der ETH-Konjunkturforschungsstelle Kof.
Foto: Siggi Bucher
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Züge von Stadler Rail verkaufen sich rund um den Globus. 2023 zog das Unternehmen aus Bussnang TG, das weltweit rund 14'000 Menschen beschäftigt, Grossaufträge in Kasachstan, Litauen, Italien und den USA an Land. Patron Peter Spuhler (65) zeigte sich über den Gewinn von 139 Millionen Franken zufrieden. «In einem von Inflation, Währungsverwerfungen und Lieferkettenschwierigkeiten geprägten Jahr erzielte Stadler eine sehr gute Performance», hielt er im Geschäftsbericht fest.

Am «Bankplatz 1» in Weinfelden TG, keine drei Kilometer vom Stadler-Hauptsitz entfernt, dürfte der Gewinn des Industriekonzerns kaum jemanden aus den Socken hauen. Die Thurgauer Kantonalbank (TKB), die hier zu Hause ist, machte vergangenes Jahr einen Reingewinn von 159 Millionen – mit gerade mal 731 Vollzeitbeschäftigten.

Der Thurgau ist kein Einzelfall: Die 24 Kantonalbanken – abgesehen von Bern (BEKB), Genf (BCG) und Waadt (BCV) allesamt mit Staatsgarantie – haben 2023 riesige Überschüsse erwirtschaftet. Kumuliert kamen sie auf einen Reingewinn von 4338 Millionen Franken. Um ihr Ergebnis einzuordnen, lohnt sich ein Vergleich mit der Schweizer Industrie. Zu der gehören viele Produktionsbetriebe, die in ihrem Segment Weltklasse sind. Doch selbst die Besten können von Kantonalbank-Profiten nur träumen.

Mehr Gewinn mit einem Bruchteil der Angestellten

Blick hat die Geschäftsberichte von 40 Industrieperlen analysiert: alles namhafte Unternehmen. Alle mit mindestens 1000 Mitarbeitern. Alle börsenkotiert und exportorientiert. Neben Stadler berücksichtigten wir unter anderem Autoneum, Emmi, Georg Fischer, Implenia, Kudelski, Oerlikon, Rieter, Schindler, Sulzer und Swatch.

Das Ergebnis: Nicht einmal gemeinsam erreichten sie die Gewinne der Kantonalbanken. Sie mussten sich mit 4273 Millionen Franken begnügen.

Am erstaunlichsten: Die 40 Grössen auf dem Werkplatz Schweiz mussten mehr als 320'000 Arbeitskräfte einsetzen, um ihre Überschüsse zu erwirtschaften. Den 24 Kantonalbanken reichten 20'688 Vollzeitbeschäftigte – wie ist das möglich?

Jan-Egbert Sturm (54), Leiter der ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) erklärt es so: «Die hohen Gewinnmargen der Kantonalbanken sind Ausdruck davon, dass der Wettbewerb bei den Banken weniger intensiv ist als beispielsweise in der Industrie.»

Konkurrenz fehlt

Ein Grund dafür: Laut Sturm ist es «sehr viel schwieriger» eine Bank zu gründen, als ein «normales» Unternehmen: «Während Firmen in anderen Branchen immer wieder mit neuen, innovativen und preisgünstigeren Konkurrenten konfrontiert werden, kommen in der Finanzbranche nur selten neue Player dazu – und wenn, haben sie Mühe, das Vertrauen einer grossen Bevölkerungsmasse zu gewinnen.»

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Wie die Credit-Suisse-Krise gezeigt hat, ist das Vertrauen bei den Kantonalbanken kein Problem: Verunsicherte CS-Kunden brachten ihr Geld scharenweise zu den Staatsinstituten – im Bewusstsein, dass im Fall der Fälle der jeweilige Kanton für die Bank einstehen würde.

Jürg Müller (40), dem Direktor der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse, ist dies ein Dorn im Auge: «Die Sicherheit der Staatsgarantie erlaubt den Kantonalbanken, tiefere Zinsen zu zahlen, und zwar nicht nur auf Kundeneinlagen.» Deshalb seien die Gewinne der Kantonalbanken nicht zuletzt der staatlichen Subvention zu verdanken.

Der Gewerkschaftsbund (SGB) weist derweil darauf hin, dass die grossen Unterschiede bei den Gewinnmargen keine Schweizer Eigenheit sind: «In Europa zum Beispiel kommt die Maschinenindustrie im Schnitt auf eine Gewinnmarge von rund 8 Prozent. Bei den Regionalbanken sind es 33 Prozent», sagt SGB-Ökonom David Gallusser (39).

Das sei zwar grundsätzlich nichts Neues, so Gallusser weiter: «Wegen der Zinswende, von der auch die Kantonalbanken stark profitiert haben, hat sich diese Differenz jüngst aber nochmals erhöht.»

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Dass die Zinswende für die Kantonalbanken ein Segen war, bestreitet auch der Verband (VSKB) nicht, in dem sie zusammengeschlossen sind. Nur mit der Schlussfolgerung, dass die Staatsinstitute der Kundschaft – Privaten, Gewerbe- und Industriebetrieben – nicht die bestmöglichen Konditionen bieten, kann der stellvertretende Direktor Christian Leugger (39) nichts anfangen: «Die Kantonalbanken sind in einem kompetitiven Markt erfolgreich. Um zu bestehen, müssen ihre Konditionen marktgerecht sein.»

Ein Teil kommt der Öffentlichkeit zugute

Leugger weist zudem darauf hin, dass die Gewinne der Kantonalbanken auch der öffentlichen Hand zugutekommen: «Kantone und Gemeinden partizipieren für 2023 mit über zwei Milliarden Franken an der guten Ertragslage ihrer Banken.»

Den Profit-Vergleich mit Stadler, Sulzer, Swatch und Co. hält Leugger für wenig seriös: «Wir bezweifeln, dass es sinnvoll ist, absolute Gewinnzahlen unterschiedlichster Industrien von einer Periode miteinander zu vergleichen.» Eine sinnvolle Gegenüberstellung der Ertragsstärke erfolge in der Regel zwischen Unternehmen derselben oder vergleichbarer Wirtschaftszweige.

Unvergleichlich sind bekanntlich auch die Löhne der Finanzbranche. Die wurden in den vergangenen Jahren bei den Kantonalbanken ebenfalls stark erhöht: Bei der Zürcher Kantonalbank zum Beispiel belief sich der durchschnittliche Personalaufwand pro Vollzeitstelle 2023 auf 213'000 Franken. Das sind 40'000 Franken mehr als 2013.

Zum Vergleich: Bei der Swatch Group, von der immerhin jeder zweite Arbeitnehmer in der Schweiz zu Hause ist, beträgt der Personalaufwand pro Kopf knapp 76'000 Franken: Eine Lohndifferenz, welche die Megagewinne der Kantonalbanken noch bemerkenswerter macht.

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