Postauto, das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco und der Weltfussballverband Fifa waren schon davon betroffen: Korruptionsaffären. Aufgrund von zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Fällen stehen Manager unter Generalverdacht. Gemäss einer Erhebung von Transparency International geht jeder Vierte davon aus, dass Firmenchefs korrupt sind.
Ein neues Experiment von Schweizer Forschern zeigt nun aber: Wir alle haben das Zeug zum korrupten Finanzhai! Der Versuch an der Universität Zürich belegt, dass die Mehrheit Geld in die eigene Tasche stecken würde, wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt.
98 Prozent zwacken Geld ab
Für die Untersuchung erfanden die Zürcher Forscher ein Räuberspiel, genannt «Big Robber Game» («Grosser-Räuber-Spiel»). Die 640 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer (allesamt Studierende) wurden bei dem Spiel in zwei Gruppen eingeteilt. Räuber und Opfer. Jeder Studienteilnehmer, egal ob Räuber oder Opfer, erhielt den gleich hohen Lohn für die Teilnahme an der Studie.
Die Räuber wurden gefragt: Willst du die anderen Gruppenteilnehmer anonym bestehlen? Einen Zehntel, einen Drittel oder gar die Hälfte ihres Lohnes einsacken? Die Opfer würden dabei nie erfahren, dass ihnen eigentlich mehr Lohn zugestanden hätte. 98 Prozent der Räuber sagten Ja. 56 Prozent klauten ihren Mitspielern gar den Maximalbetrag, also die Hälfte des Lohnes.
Skrupellos bei Gruppen, sozial bei Einzelpersonen
Die Zürcher Forscher kommen nach dem Experiment zum Schluss: Finanzieller Missbrauch liegt uns im Blut. Allerdings: Die Mehrheit verhält sich nur gegenüber Gruppen skrupellos und korrupt.
Denn die Studienteilnehmer wurden noch vor eine zweite Entscheidung gestellt. Nach dem Erhalt einer Zehnernote wurden sie gefragt, ob sie das Geld mit ihrem zufällig ausgewählten Gegenüber teilen wollten. Obwohl die Testpersonen ihr Gegenüber nicht kannten, entschied sich die grosse Mehrheit dafür, das Geld aufzuteilen.
Dies, obwohl sie wussten, dass das Gegenüber sich nicht wehren konnte. «Dieselben Personen verhielten sich egoistisch bei weitreichenden finanziellen Entscheidungen, die eine Gruppe betrafen, und grosszügig bei bilateralen Interaktionen, bei denen wenig auf dem Spiel stand», fasst Studienautor Carlos Alós-Ferrer, Professor für Entscheidungs- und Neuroökonomische Theorie an der Universität Zürich, die Experimente zusammen.
Frauen und Männer sind gleich korrupt
Alós-Ferrer und sein Team stellten dabei weder Unterschiede betreffend Geschlecht noch betreffend Studiengang der Testpersonen fest. Frauen und Männer handelten also gleich korrupt. Genauso wie angehende Betriebsökonomen und Philosophen.
«Die Wurzeln für einen finanziellen Missbrauch scheinen in uns allen angelegt zu sein», so Alós-Ferrer. Es ist aber einfacher, mehreren Personen zu schaden als nur einer.
Die Studienautoren erklären das damit, dass die Mehrheit der Leute Ungleichheit ablehnt. Wer eine Einzelperson bestiehlt, schafft eine frappante Ungleichheit. Wer hingegen einer Gruppe Geld abzwackt, schafft eine weniger grosse Ungleichheit, weil jeder nur ein bisschen verliert.
Schon 100 Franken reichen
Erstaunlich ist an der Studie gemäss den Forschern nicht nur, wie leichtfertig die Leute Geld in die eigene Tasche wandern lassen. Sondern auch, wie gering der Geldbetrag sein muss, um die eigenen Prinzipien über Bord zu werfen. Im Räuberspiel der Zürcher Forscher konnten die Teilnehmer nämlich nicht mehr als 100 Franken zusätzlich einkassieren. (SDA/sfa)