SBB fahren Riesenverlust ein
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60'000 Fahrgäste verloren:SBB fahren Riesenverlust ein

SBB-Chef Vincent Ducrot will nach dem Lockdown wieder durchstarten
«Sobald die Krise vorbei ist, kommen die Passagiere zurück!»

Die SBB haben wegen Corona historische Verluste eingefahren. Mittendrin: Vincent Ducrot. Der Chef erklärt im BLICK-Interview, wie er die Bahn wieder auf Kurs bringen will, und bezieht Stellung zu den zahlreichen Problemen.
Publiziert: 16.03.2021 um 01:10 Uhr
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Aktualisiert: 23.03.2021 um 14:11 Uhr
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Covid-sicherer Handschlag zwischen VR-Präsidentin Monika Ribar und SBB-CEO Vincent Ducrot.
Foto: keystone-sda.ch
Interview: Nicola Imfeld

Er muss die Bahn wieder auf die Erfolgspur bringen. Trotz Mega-Verlust ist die Stimmung in der SBB-Chefetage gut, als CEO Vincent Ducrot (58) BLICK am Hauptsitz in Bern-Wankdorf empfängt. Der Zeitplan für Interviews ist eng getaktet. Trotzdem nimmt sich Ducrot nach der Pressekonferenz Zeit. Ausführlich erklärt der Bähnler seine Pläne.

BLICK: Tiefrote Zahlen, in zwölf Monaten über eine Milliarde Franken verloren. Wie viel wird die Corona-Krise die SBB noch kosten?
Vincent Ducrot: Insgesamt werden wir sicher über zwei Milliarden Franken verlieren. Aber eine exakte Wissenschaft ist das nicht. Niemand weiss, wie lange die Pandemie noch dauern wird. Auch 2021 wird ein schwieriges Jahr werden.

Auch dieses Jahr werden Sie einen Verlust einfahren. Wie bringen Sie die Bahn raus aus der Misere?
Wir sparen überall, wo wir können. Wir müssen nun bei den Kosten aufpassen und effizienter werden. Derzeit gibt es einen Einstellungsstopp in der Verwaltung. Und Personen, die in Pension gehen, werden nicht ersetzt. Zusätzlich haben wir Projekte und Investitionen verschoben oder ganz gestrichen. So haben wir letztes Jahr schon 250 Millionen Franken eingespart.

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Kommts demnächst zu Entlassungen?
Nein. Wir werden keine Kündigungen aussprechen.

Dann gibts bald Preiserhöhungen bei den Billetten?
Auch Tariferhöhungen sind kein Thema. Sie wären auch nicht angebracht.

Wegen Homeoffice und geschlossener Freizeiteinrichtungen sind die Passagierzahlen eingebrochen. Wann rechnen Sie mit einer Rückkehr zum Vorkrisenniveau?
Das wird drei bis vier Jahre dauern. Wir werden zwar nicht mehr ganz so viele Pendler haben wie vor der Pandemie. Aber wir können neue Märkte erschliessen. Zum Beispiel die Freizeitreisen, die nach Corona wieder ansteigen werden. Und international kann man auch noch besser geschäften.

Da sind Sie aber sehr optimistisch. Laut Mobilitätsstudien werden Sie langfristig acht Prozent Fahrgäste verlieren.
Wir werden ja sehen, wer recht hat … Bis 2040 rechnet der Bund mit einem Wachstum von 40 Prozent. Selbst wenn Sie die acht Prozent wegnehmen, bleibt uns immer noch ein grosses Plus. Ich bin überzeugt: Es wird wieder deutlich mehr Reisende geben, sobald die Krise vorbei ist. Das war auch in der Vergangenheit so.

Sie meinen die Zeit nach den 9/11-Anschlägen, als Sie SBB-Fernverkehrschef waren?
Ja. Damals hatte man auch gesagt, dass niemand mehr international reisen werde. Und danach gab es einen Boom. Nochmals: Das Wachstum wird wiederkommen. Die Leute wollen aus dem Haus und Veranstaltungen wie Festivals besuchen.

Der bodenständige Bähnler

Vincent Ducrot (58) ist seit April 2020 CEO der SBB. Der Freiburger war schon früher, von 1993 bis 2011, im Projektmanagement bei der Bahn tätig – bis er 2011 zum General­direktor der Freiburgischen Verkehrsbetriebe ernannt wurde. Er gilt als bodenständig und kritikfähig. «Ich schäme mich», sagte Ducrot zu Planungsfehlern bei der Lokführerausbildung seines Vorgängers. Privat musste ­er 2017 einen ­schweren Schicksalsschlag ­hinnehmen: Seine Frau starb nach langer Krankheit. Seither ist er alleinerziehender Vater von sechs Kindern.

Vincent Ducrot (58) ist seit April 2020 CEO der SBB. Der Freiburger war schon früher, von 1993 bis 2011, im Projektmanagement bei der Bahn tätig – bis er 2011 zum General­direktor der Freiburgischen Verkehrsbetriebe ernannt wurde. Er gilt als bodenständig und kritikfähig. «Ich schäme mich», sagte Ducrot zu Planungsfehlern bei der Lokführerausbildung seines Vorgängers. Privat musste ­er 2017 einen ­schweren Schicksalsschlag ­hinnehmen: Seine Frau starb nach langer Krankheit. Seither ist er alleinerziehender Vater von sechs Kindern.

Aber der 9/11-Vergleich greift zu kurz. Damals war es die Angst, die mit der Zeit vorüberging. Heute sprechen wir von einer Trendwende mit dem Homeoffice.
Das ist doch keine Trendwende! Firmen kennen das Homeoffice schon länger – auch die SBB. Es wird wohl in Zukunft etwas mehr praktiziert werden. Aber ich merke auch, dass viele genug haben von der Heimarbeit. Ich erhalte sehr viele Mails von Mitarbeitenden, die mich fragen, wann sie endlich wieder ins Büro kommen können. Im Team holt man halt nur das Beste heraus, wenn man auch physisch zusammensitzt. Das geht nicht vom Homeoffice aus.

Sie haben 61'000 Ihrer treusten Passagiere verloren. Was können Sie Ihren GA-Kunden anbieten?
Ich verstehe sie. Durch den Entscheid des Bundesrates sind viele unserer GA-Kunden verpflichtet, zu Hause zu bleiben. Da braucht man dieses Angebot schlicht nicht. Aber ich bin der Erste, dem es langweilig wird in den eigenen vier Wänden. Deshalb bin ich überzeugt, dass die GA-Nachfrage nach der Krise wieder steigen wird. Auch wenn nicht ganz auf dasselbe Niveau wie davor.

Der Preisüberwacher schlug bereits vor Monaten im BLICK ein Homeoffice-GA vor. Worauf warten Sie noch?
Das ist jetzt alles viel zu früh. Es ist eine Frage der Vernunft: Eine Krise muss man nie während der Krise beurteilen. Wir haben Ideen und warten jetzt ab. Ein Homeoffice-GA wird es aber sicherlich nicht geben.

Sie wurden mitten in der Corona-Pandemie SBB-Chef. Wie viel Mal seit letztem April ist Vincent Ducrot aufgewacht und hat seinen Job verflucht?
Noch nie (lacht). Ich habe sehr viel Energie. Natürlich hat Corona etwas an den Kräften gezehrt – da geht es uns allen gleich. Aber wir haben ein gutes Team. Ich bin sehr stolz auf meine Mitarbeitenden.

Tiefrote Zahlen und ein bisschen Hoffnung

Kaum ein Jahr im Führerstand, schon schreibt Vincent Ducrot (58) Geschichte. Der Chef der SBB legte gestern das schlechteste Resultat seit 1999 hin, als die Bahn vom Bund in eine Aktiengesellschaft ausgegliedert wurde. 2020 fuhr sie einen Verlust von 617 Millionen Franken ein. 2019 machten die SBB noch einen Gewinn von 463 Millionen Franken.

Die historisch tiefroten Zahlen muss Ducrot zwar nicht auf seine Kappe nehmen. Doch schmerzen werden sie ihn trotzdem.

Pendlerinnen und Pendler im Homeoffice, fehlende internationale Fahrgäste: Die SBB beförderten pro Tag durchschnittlich noch 843'000 Reisende. Das ist über ein Drittel weniger als im Vorjahr. Auch in den Bahnhöfen versiegten die Passantenströme. Weniger Reisende und Ladenschliessungen sind die Ursache für den Rückgang um einen Drittel.

Während die Zahl der Halbtax-Besitzer stabil blieb, verloren die SBB 61'000 ihrer treuesten Kundinnen und Kunden. Die Zahl der GA-Abonnenten ging von 500'000 auf 439'000 zurück (Minus 12 Prozent). Über die Hälfte der Billette kauften Fahrgäste online via SBB-Website oder Mobile-App. Allerdings ging gestern Abend nichts mehr. Fehlermeldung: Webshop und App sowie Automaten fielen zwischenzeitlich aus.

Auch der Mangel an Lokführern setzte den SBB zu. «Aufgrund von fehlendem Lokpersonal fielen Zugverbindungen aus», entschuldigte sich die Bahn. Jetzt hat sich die Lage aber entspannt, die Ausbildungsklassen sind voll. Ein Erfolg für Ducrot: Sowohl Kundschaft als auch Personal sind mit den SBB zufriedener als unter Vorgänger Andreas Meyer (59). Ulrich Rotzinger

AFP

Kaum ein Jahr im Führerstand, schon schreibt Vincent Ducrot (58) Geschichte. Der Chef der SBB legte gestern das schlechteste Resultat seit 1999 hin, als die Bahn vom Bund in eine Aktiengesellschaft ausgegliedert wurde. 2020 fuhr sie einen Verlust von 617 Millionen Franken ein. 2019 machten die SBB noch einen Gewinn von 463 Millionen Franken.

Die historisch tiefroten Zahlen muss Ducrot zwar nicht auf seine Kappe nehmen. Doch schmerzen werden sie ihn trotzdem.

Pendlerinnen und Pendler im Homeoffice, fehlende internationale Fahrgäste: Die SBB beförderten pro Tag durchschnittlich noch 843'000 Reisende. Das ist über ein Drittel weniger als im Vorjahr. Auch in den Bahnhöfen versiegten die Passantenströme. Weniger Reisende und Ladenschliessungen sind die Ursache für den Rückgang um einen Drittel.

Während die Zahl der Halbtax-Besitzer stabil blieb, verloren die SBB 61'000 ihrer treuesten Kundinnen und Kunden. Die Zahl der GA-Abonnenten ging von 500'000 auf 439'000 zurück (Minus 12 Prozent). Über die Hälfte der Billette kauften Fahrgäste online via SBB-Website oder Mobile-App. Allerdings ging gestern Abend nichts mehr. Fehlermeldung: Webshop und App sowie Automaten fielen zwischenzeitlich aus.

Auch der Mangel an Lokführern setzte den SBB zu. «Aufgrund von fehlendem Lokpersonal fielen Zugverbindungen aus», entschuldigte sich die Bahn. Jetzt hat sich die Lage aber entspannt, die Ausbildungsklassen sind voll. Ein Erfolg für Ducrot: Sowohl Kundschaft als auch Personal sind mit den SBB zufriedener als unter Vorgänger Andreas Meyer (59). Ulrich Rotzinger

Neben Corona haben Sie weitere Baustellen von Ihrem Vorgänger geerbt: Verspätungen, den Lokführermangel und die Dosto-Pannenzüge. Wo beginnen wir?
Derzeit sind wir sehr pünktlich. Da haben wir im vergangenen Jahr einen Sprung gemacht.

Weil es mit der Pandemie weniger Reisende gab ...
Das ist schon auch ein Corona-Effekt. Die Wechselzeiten an den Bahnhöfen sind mit weniger Passagieren einfacher einzuhalten. Nach der Krise wird die Lage wieder angespannter. Aber die Verspätungen von 2019 werden sich nie mehr wiederholen! Wir haben die Baustellenplanung akribisch entwickelt, versuchen, überall Sekunden zu gewinnen. Und ab 2022 wollen wir etwas mehr Reserven in den Fahrplan einbauen, um unsere Pünktlichkeit zu stabilisieren.

Also wird sich die Reisezeit für die Kunden verlängern?
Um ein oder zwei Minuten. Aber da mache ich mir keine Sorgen, niemand wird reklamieren. Unsere Gäste haben lieber einen pünktlichen Zug und erreichen ihre Anschlüsse.

2020 sind Züge ausgefallen, weil die SBB keine Lokführer finden konnten. Im vergangenen Sommer sagten Sie im SonntagsBlick-Interview, dass man bis Ende Jahr das Problem behoben habe. Jetzt sprechen Sie vom Sommer 2021. Wann haben die SBB endlich wieder genügend Lokführerinnen und Lokführer?
Wir haben jetzt schon genügend! Es gibt keinen Zug mehr, der mangels Lokführer nicht fährt. Aber wir machen jetzt eine Ausbildungsoffensive,
und dafür brauchen wir mehr Lokführer, als wir für den Betrieb benötigen. Vergangenes Jahr haben wir 300 ausgebildet, dieses Jahr werden es 340 sein.

Aber will der Nachwuchs noch in den Führerstand?
Die Nachfrage ist stark. Im vergangenen Jahr haben wir über 9000 Bewerbungen erhalten. Die Klassen sind voll für dieses Jahr, und wir rekrutieren bereits für 2022.

Wir haben gehört, dass es im Winter wieder mehr Probleme mit den neuen Doppelstockzügen von Bombardier gab.
Im November waren wir noch viel besser unterwegs. Dann gab es einige Rückschläge mit dem Wintereinbruch und dem Neuschnee. Aber diese Probleme lösen wir derzeit, und wir werden unsere Ziele in diesem Jahr erreichen.

Wo brennt es dieses Mal?
Es gab Kabel, die nicht gehalten haben und gebrochen sind. Auch Batterieprobleme wegen der Kälte sind aufgetreten. Vergessen wir aber bitte nicht: Es war das erste Mal, dass dieser Zug solchen Temperaturen und Schneemengen ausgesetzt war. Wir konnten das im vergangenen Jahr gar nicht testen.

Sie dürfte es freuen, dass die Zufriedenheit Ihres Personals und der Fahrgäste gestiegen ist. Was machen Sie besser als Ihr Vorgänger?
Natürlich freuen mich diese Erkenntnisse. Aber ich vergleiche mich nicht mit Andreas Meyer. Ich habe eine andere Art, einen anderen Stil. Ich versuche, so authentisch wie möglich zu sein und viel mit den Mitarbeitenden zu kommunizieren und sie zu motivieren.

Und dass Sie auf einen Teil Ihres Bonus verzichtet haben, dürfte auch gut ankommen.
Das ist ein Zeichen gegenüber der Bevölkerung und unseres Personals. Viele Schweizerinnen und Schweizer haben wegen der Pandemie auch nicht ihren Gesamtlohn erhalten. Die SBB stecken in einer Krise, da ist es normal, dass die Geschäftsleitung geschlossen vorangeht.

Auf wie viel haben Sie genau verzichtet?
Auf 40 Prozent unserer Variablen. Genau ausgerechnet habe ich das nicht. Aber es sind sicherlich mehrere Zehntausend Franken.

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