«Persönliche Weiterentwicklung» steht in Regina Brenners (57) Lebenslauf. Das ist die nettere Formulierung für: auf Stellensuche. Seit bald zwei Jahren sucht die 57-Jährige nun bereits einen neuen Job. Ohne Erfolg. «Ich kriege nur Absagen und frage mich: Liegt es an meinem Alter?», so die Führungsfrau im Gespräch mit Blick.
Der Schluss liegt nahe: Ältere Arbeitnehmende haben es bei der Stellensuche schwieriger. Gerade jetzt, wo die Wirtschaft schwächelt und es auf dem Arbeitsmarkt wieder zu Entlassungswellen kommt. Ü50er kommen die Arbeitgeber aufgrund ihrer hohen Pensionskassenbeiträge teuer zu stehen. Hinzu kommen Vorurteile, wonach sie demotiviert, undynamisch und kaum lernfähig sind – kurzum: mit einem Bein bereits in Rente. Immer wieder berichten Betroffene im Blick vom Spiessrutenlauf der Stellensuche mit über 50.
Zahlen verschleiern die Realität für Betroffene
Gemäss offiziellen Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) liegt die Arbeitslosigkeit in der Schweiz über alle Altersgruppen hinweg bei 2,5 Prozent. Nicht mehr ganz so tief wie letzten Sommer, als der Wert bei rekordtiefen 1,9 Prozent stand. Im langjährigen Vergleich liegt der Wert aber weiterhin tief.
Bei den Über-50-Jährigen liegt die Arbeitslosenquote teils sogar unter dem Durchschnitt: 2,2 Prozent bei den 55- bis 59-Jährigen etwa. Diese Zahlen blenden aber all jene aus, die gar nicht mehr in der Statistik erscheinen: weil sie nach zwei Jahren erfolgloser Stellensuche ausgesteuert wurden.
Ein Schicksal, das auch Regina Brenner im Frühling droht, wenn sie nicht bald eine neue Stelle findet. «Ich habe bestimmt schon 200 oder 300 Bewerbungen verschickt, ich bin ratlos», erzählt die 57-jährige Aargauerin. «Meist kommt die Absage postwendend. Ich finde es schade, dass man mir nicht mal eine Chance gibt.» Je länger Betroffene wie sie ohne Job sind, desto kleiner die Chance, im Arbeitsmarkt wieder Tritt zu fassen.
Sie springt über ihren Schatten
Brenner bringt langjährige Erfahrung als Führungsperson in der Medizinal- und der Chemiebranche sowie im Maschinenbau mit, arbeitete unter anderem für die Grosskonzerne BASF, Bucher und Zimmer. Ihre letzte Stelle verlor sie aufgrund einer Reorganisation.
Um die Aussteuerung zu verhindern, wäre Brenner gar bereit, für einen neuen Job aus Wettingen AG wegzuziehen. «Ich suche auch in Zürich und in der Ostschweiz», erzählt sie. Die Arbeitslosigkeit nagt am Selbstwertgefühl, schürt Existenzängste. «Ich schäme mich dafür und gehe kaum mehr aus dem Haus», gibt Brenner zu.
Die Hoffnung aufgeben will Brenner auch nach Hunderten Absagen nicht. «Ich wünsche mir einen Job mit Führungsfunktion, am liebsten für ein Unternehmen mit einem greifbaren Produkt», schwärmt die 57-Jährige. Bis Ende Mai bleibt noch Zeit. Bis zur drohenden Aussteuerung will Brenner nichts unversucht lassen. Auch nicht den Hilferuf im Blick.