Volker Joh (59) ist gelernter Koch und Kellner, hat jahrzehntelange Erfahrung als Aussendienstmitarbeiter im Food-Bereich. In der vom Personalmangel geplagten Gastronomie müsste er für jeden Arbeitgeber ein Glückstreffer sein – wäre da nicht sein Alter. Mit 59 gehört Joh zu denjenigen, die auf dem Arbeitsmarkt trotz guter Qualifikation schlechte Karten haben. «Ich habe in den letzten sechs Wochen 30 Absagen kassiert», erzählt er.
Joh lebt in Möhlin AG. «Ich bin gerne bereit, jeden Tag eine halbe Stunde nach Basel zu pendeln», bekräftigt er. Auch zeitlich ist er flexibel. «Ich kann morgens um 6 beginnen oder bis abends spät arbeiten, auch Wochenendeinsätze sind kein Problem für mich. Hauptsache, ich finde wieder einen Job!»
Es droht die Altersarmut
Doch während Joh Flexibilität an den Tag legt, sieht das bei Schweizer Arbeitgebern anders aus. Sie leiden unter dem Fachkräftemangel – und sind dennoch nicht bereit, älteren Arbeitnehmenden eine Chance zu geben. Das belegen diverse Studien.
Und das zeigen die zahlreichen Reaktionen, die auf den jüngsten Blick-Artikel zum Thema eingehen. Über-50-Jährige erzählen von der monate-, teils jahrelangen Stellensuche. Eine Betroffene ging zwangsläufig in Frührente und wanderte aus, um mit dem mageren Geld möglichst lange über die Runden zu kommen. Die meisten wollen anonym bleiben. Zu gross bleibt das Stigma der Arbeitslosigkeit.
Firmen verlangen den perfekten Match
Nicht nur beim Alter lassen Arbeitgeber die nötige Flexibilität vermissen. Auch Quereinsteiger haben es nach wie vor schwer, der Branchenkult bleibt gross. Barbara F.* (40) kann davon ein Liedchen singen. Vor einem Jahr verlor sie ihren Job bei einer Schweizer Bank. Seither hagelt es auf sämtliche Bewerbungen nur Absagen. «Als Mutter suche ich eine Teilzeitstelle, höre dann aber überall, ich sei überqualifiziert», erzählt F.
In der Finanzbranche Teilzeit zu arbeiten, ist auch im Jahr 2023 eine Herausforderung. Und: «Das Risiko, den Job zu verlieren, ist in der Finanzbranche grösser, besonders ab 50», erklärt F. Sie möchte daher die Branche wechseln. Barbara F. ist Kommunikations- und Marketingspezialistin – eine Fähigkeit, die es überall braucht. Könnte man zumindest meinen. «Aber sie wollen nur Leute einstellen, die schon sämtliche Branchenkenntnisse mitbringen», bemängelt F.
Sie hat mehrere Hochschulabschlüsse, spricht drei Landessprachen fliessend. Die Arbeitslosigkeit nagt am Selbstvertrauen. «Niemals hätte ich gedacht, dass ich so lange auf Jobsuche sein werde», gibt F. zu. Jammern will sie allerdings nicht über ihre Situation – und gibt deshalb auch ihren Namen nicht in der Zeitung preis.
Auch Volker Joh will den Kopf nicht in den Sand stecken. «Vielleicht geht die nächste Türe noch nicht heute oder morgen auf – aber übermorgen!»
*Name geändert