Bianca Acklin ist 28 Jahre alt, Marcel Schwyter 58. Sie beide arbeiten im Vollzeitpensum für den Zentralschweizer Haushaltsgerätehersteller V-Zug – doch ihre Bedürfnisse an den Arbeitgeber sind unterschiedlich.
«Mir ist die Flexibilität wichtig», sagt Bianca Acklin, die bei V-Zug im HR tätig ist. «Ich schätze die Möglichkeit, selbst entscheiden zu können, wie früh oder spät ich mit der Arbeit beginne und ob ich von zu Hause oder im Büro arbeite.»
«Für mich als Führungskraft ist das mit der Flexibilität nicht immer ganz einfach», wirft Marcel Schwyter mit einem Schmunzeln ein. Er führt im Bereich Controlling ein Team von zehn Leuten.
Das Wissen geht in Rente
Für Arbeitgeber wird es zunehmend zur Herkulesaufgabe, die Bedürfnisse ihrer jüngeren und älteren Mitarbeitenden unter einen Hut zu bringen. In den meisten Schweizer Unternehmen arbeiten vier oder mehr Generationen arbeiten unter einem Dach, von Babyboomern bis Gen Z. Sie hatten schon immer unterschiedliche Ansprüche an ihre Jobs. Doch mit dem Fachkräftemangel ist es für Arbeitgeber unumgänglich geworden, diesen Ansprüchen auch tatsächlich gerecht zu werden.
«Sonst laufen ihnen die Leute davon», warnt die Ökonomin Anina Hille, Dozentin an der Hochschule Luzern. Sie hat jüngst eine Studie zum sogenannten Generationenmanagement in der Schweizer Wirtschaft publiziert. Darunter fällt etwa der Wissenstransfer von Alt zu Jung. Denn immer mehr Babyboomer gehen in Rente. Firmen sollten alles daran setzen, deren Wissen abzuzapfen, bevor es verloren geht. Doch in der Untersuchung geben nur 15 Prozent der befragten Grossunternehmen an, dass bei ihnen tatsächlich ein intergenerationeller Wissenstransfer stattfindet.
«Vielen Firmen fehlt das Wissen, um das gezielt anzugehen», erklärt Studienautorin Hille. Das offensichtlichste Mittel sind altersdurchmischte Teams. Aber selbst diesen einfachen ersten Schritt verfehlen die meisten Arbeitgeber: Knapp jedes dritte Unternehmen gibt in der Untersuchung an, bewusst altersdurchmischte Teams zu bilden. «Man kann auch eine Lunch-Lotterie organisieren, bei der die Belegschaft zum Mittagessen zu zweit zusammen gelost wird. Das fördert den informellen Wissenstransfer», schlägt Hille vor. Auch Mentoring-Programme und Tandems gehen in die gleiche Richtung.
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Ü50er zittern vor Jobverlust
Generationenmanagement ist aber als der reine Wissenserhalt im Unternehmen: Vielmehr geht es darum, auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Altersgruppen einzugehen. Und die klaffen teils weit auseinander. Den Älteren zum Beispiel ist gemäss der Umfrage die Arbeitsplatzsicherheit ein wichtiges Anliegen. Kein Wunder, kommt ihnen spätestens ab 50 die Altersguillotine bei der Jobsuche in die Quere.
Marcel Schwyter war vor seiner Anstellung bei V-Zug anderthalb Jahre auf Stellensuche. «Du bringst einen riesigen Erfahrungsschatz mit – und dann fällst du trotzdem durch die Maschen», erzählt Schwyter. «Die Arbeitgeber haben das Gefühl, mit über 50 bist du unflexibel und nicht mehr anpassungsfähig.»
Hinzu kommen die Kosten: Firmen befürchten, älteren Angestellten automatisch mehr Lohn bezahlen zu müssen. Gepaart mit den höheren Pensionskassenbeiträgen schenkt das ein. «Dabei zeigt unsere Untersuchung, dass ältere Arbeitnehmende gewillt sind, auf einen höheren Lohn rein aufgrund des höheren Alters bei gleicher Qualifikation zu verzichten», stellt Anina Hille klar. «Es gibt immer noch Unternehmen, die sagen: Bei gleicher Qualifikation bevorzugen wir jüngere Bewerber.»
Rentner bleiben als Berater
Dabei könnten Ü50er einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten. Insbesondere dann, wenn sie nicht nur bis zum ordentlichen Pensionsalter im Unternehmen bleiben. 80 Prozent der Unternehmen geben an, in Zukunft vermehrt Arbeitnehmende über das Rentenalter hinaus beschäftigen zu wollen. Allerdings: Bislang macht die Belegschaft kaum mit.
«Ich kann mir nicht vorstellen, nach 65 weiterzuarbeiten», sagt der 58-jährige Kadermann Marcel Schwyter. «Da muss nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Fitness mitmachen. Von einer Führungsfunktion ist man irgendwann ausgelaugt, nicht mehr so frisch und agil, wie man es sein möchte.» In beratender Funktion und mit tiefem Pensum würde er gerne weiterarbeiten. «Die Unternehmen werden den Anforderungen nach zeitlicher und örtlicher Flexibilität, tieferen Pensen sowie weniger Verantwortung bei Arbeit im Rentenalter noch zu wenig gerecht», stellt Hille fest.
Ein Wandel ist allerdings im Gang, die Akzeptanz der Arbeit übers Rentenalter hinaus hat in den vergangenen Jahren merklich zugenommen. «Ich glaube, meine Generation kommt da gar nicht mehr drumherum», meint die 28-jährige Bianca Acklin schulterzuckend.
Freizeit ist Jung und Alt wichtiger als Arbeit
Auch die junge Generation hat im Arbeitsmarkt mit Vorurteilen zu kämpfen: Sie gäben schnell auf und ihnen sei wenig zuzumuten, heisst es dazu von Arbeitgebern in der Untersuchung. «Man kann doch keine ganze Generation schubladisieren», kritisiert Acklin.
Tatsächlich fördert die HSLU-Untersuchung zutage, dass jüngere Arbeitnehmende den Wert «Lebensgenuss/Spass» höher gewichten als ältere. Aber: Bei den Älteren schwingt dafür der Wert «Familie/Kinder» oben aus. «Unabhängig vom Alter ist den Arbeitnehmenden gemein, dass ihnen die Arbeit im Vergleich zu anderen Werten weniger wichtig ist», bilanziert Hille. Fleissige Babyboomer, faule Gen Z? Nicht mehr als ein Vorurteil.