Das Altersdilemma am Arbeitsmarkt
Rentenalter erhöhen – obwohl Ü50er kaum Jobs kriegen?

Nach Jahren der Personalnot ist die Altersguillotine mit voller Wucht zurück. Weil die Konjunktur lahmt, verschlechtern sich die Aussichten älterer Stellensuchender. Gleichzeitig läuft der Abstimmungskampf zur Erhöhung des Rentenalters. Wie passt das zusammen?
Publiziert: 23.01.2024 um 19:02 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2024 um 09:32 Uhr
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Die Altersguillotine am Arbeitsmarkt ist zurück. (Symbolbild)
Foto: Getty Images
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Wer heute 35 Jahre alt ist, hat bis zur Pension noch 30 Jahre Arbeit vor sich. Es sei denn, das Rentenalter wird erhöht. Dies fordert die Renten-Initiative, über die wir am 3. März abstimmen. Oder es sei denn, man wird mit 58 arbeitslos – und findet bis zur Pensionierung keinen Job mehr.

Die Altersguillotine am Arbeitsmarkt ist nicht nur ein Fakt. Sie verschiebt sich aktuell sogar wieder nach unten: Nach Jahren der Personalnot in praktisch allen Wirtschaftsbereichen kehrt der Arbeitsmarkt zur Normalität zurück. Für ältere Arbeitnehmende bedeutet Normalität, dass sie schlechtere Karten bei der Jobsuche haben.

Firmen sehen nur die Kosten

Heidi Joos (69) kann das Klagen über den Fachkräftemangel nicht mehr hören. Als Geschäftsführerin des Verbands Avenir 50 Plus setzt sie sich für die Interessen von älteren Erwerbslosen, Ausgesteuerten und Sozialhilfeempfängern ein. «Die Arbeitgeber machen Panik auf Vorrat», wirft ihnen Joos vor. «Sie wollen die Lücke im Arbeitsmarkt lieber mit günstigen ausländischen Arbeitskräften stopfen, statt das inländische Potenzial zu nutzen.»

Das Problem: Ältere Arbeitnehmer kommen die Firmen im Schnitt teurer zu stehen. Ihre Pensionskassenbeiträge liegen deutlich über jenen von jüngeren Arbeitnehmern. Hinzu kommt, dass Ältere durch ihre Arbeitserfahrung oft höhere Löhne haben. Dass deshalb eine altersbedingte Diskriminierung stattfinden kann, sehen auch die Arbeitgeber. «Viele Unternehmen entscheiden auch betriebswirtschaftlich», sagt dazu Stefan Heini, Sprecher des Arbeitgeberverbandes.

Jugendarbeitslosigkeit höher als Altersarbeitslosigkeit

Dass trotz Problemen bei der Jobsuche im Alter eine Erhöhung des Rentenalters im Raum steht, stösst Betroffenen sauer auf. Wenn sie schon mit 58 keinen Job mehr finden, wer soll sie dann bis 66 beschäftigen?

Die Erhöhung des Rentenalters käme den älteren Semestern am Arbeitsmarkt aber zugute, argumentiert Melanie Racine (25), Vizepräsidentin des Komitees für die Renteninitiative und Mitglied bei den Jungfreisinnigen, aus deren Feder die Vorlage stammt. «Für Arbeitgeber ist es nicht attraktiv, jemand Älteren einzustellen, der mit 65 wieder weg ist», argumentiert die Jungpolitikerin. Wenn das Rentenalter erhöht wird, gehört man mit 58 noch nicht zum alten Eisen, so die Logik.

Und auch wenn Racine betont, dass sie die Diskriminierung älterer Arbeitnehmender aufgrund der hohen Beiträge in der 2. Säule anerkennt, hält sie fest: «Im internationalen Vergleich liegt die Arbeitslosigkeit bei über 55-Jährigen in der Schweiz tief.» Tatsächlich liegt die Arbeitslosenquote bei den 50- bis 64-Jährigen in der Schweiz gemäss offizieller Statistik bei 2,1 Prozent. Im Vergleich zu 2,2 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Nur: Die Quote blendet all jene aus, die bereits ausgesteuert wurden. Oder die gerne mehr arbeiten würden, aber keinen Vollzeitjob finden.

Demografischer Wandel spielt Älteren in die Karten

Die gute Nachricht: Auch wenn sich die Wirtschaft abkühlt, der strukturelle Teil des Fachkräftemangels bleibt. Er wird getrieben durch die Überalterung und nicht durch die Konjunktur. Diese Lücke tut sich in den kommenden Jahren noch weiter auf. «Die Arbeitgeber können es sich irgendwann gar nicht mehr leisten, auf ältere Arbeitskräfte zu verzichten», prognostiziert Heini vom Arbeitgeberverband.

Weitere Diskussionen sind programmiert. Nach der Abstimmung über das Rentenalter im März steht bereits die nächste Vorlage zur Altersvorsorge auf dem Programm. Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird über eine BVG-Reform abgestimmt, die unter anderem die ungleichen Pensionskassenbeiträge von Jung und Alt angleichen soll.

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