Quarantäne-Anordnung kommt sieben Tage zu spät
Trotz Corona-Verdacht zur Arbeit gezwungen

Ein Angestellter einer Sicherheitsfirma wird zur Arbeit gezwungen, obschon Mediziner eine dringende Quarantäne-Empfehlung ausgesprochen haben. Der Fall wirft Fragen auf.
Publiziert: 31.10.2020 um 15:20 Uhr
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Aktualisiert: 09.11.2020 um 10:26 Uhr
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Der Angestellte eines Sicherheitsdiensts bei der Arbeit: Homeoffice in seinem Beruf nicht möglich.
Foto: Thomas Lüthi
Marc Iseli

Die steigenden Fallzahlen überfordern die Kantone. Das Contact Tracing ist am Anschlag, die Kantonsärzte ebenfalls, die Quarantäne-Regel verkommt zur Farce. Als Folge müssen potenziell infektiöse Menschen zur Arbeit, und die öffentliche Gesundheit leidet, wie ein Fall aus Bern zeigt. Aus Rücksicht auf die Betroffenen wird nur anonym berichtet.

Der Fall hat sich im Bereich der privaten Sicherheitsdienste zugetragen. Ein Angestellter eines grossen Konzerns hatte einen Corona-Fall in der Familie. Eine Verwandte wurde im Inselspital Bern am 15. Oktober positiv getestet. Er selbst hatte kurz vorher engen Kontakt mit ihr. Seine Frau hatte Fieber. Im Spital Thun BE und im Spital Münsingen BE haben die beiden deshalb den Rat erhalten, dringend und sofort in Quarantäne zu gehen.

Für die Frau war das kein Problem. Sie arbeitet im Homeoffice. Der Mann aber ist im Sicherheitsdienst tätig. Er muss raus, auf Patrouille, kommt in Kontakt mit anderen Personen. Er ist verunsichert und kontaktiert seine Vorgesetzten noch am gleichen Abend, an dem die Verwandte positiv getestet wird.

Arbeitgeber vertraut auf Kanton

Die Antwort ist unbefriedigend. «Die Rückmeldung war, dass ich nicht in Quarantäne müsse und zur Arbeit kommen muss», sagt der Sicherheitsangestellte. Es gäbe keinen Grund, nicht zur Arbeit zu kommen, sei ihm von den direkten Vorgesetzten gesagt worden. «Wenn ich nicht komme, gäbe es keinen Lohn.»

BLICK hatte Einsicht in die Kommunikation des Angestellten und weiss, dass sich der Betroffene in der Not sogar bei der HR-Abteilung des Konzerns gemeldet hat. Auch dort hiess es: «Sie haben die Arbeit anzutreten.» Immerhin gab es die Ergänzung: «Sollten Sie aber Symptome haben, so müssten Sie zu Hause bleiben.»

Das Problem war, dass es keine offizielle Quarantäne-Anordnung für den Sicherheitsangestellten gab. Nur das Kantonsarztamt kann eine Selbstisolation verfügen. Dieses war angesichts der steigenden Fallzahlen aber überfordert. Das Contact Tracing versagte, die Behörde brauchte volle vier Tage, bis die Quarantäne-Anordnung ausgesprochen wurde. In der Zwischenzeit ging der Angestellte seiner Arbeit nach – business as usual.

Verspätete Quarantäne

Erst am Abend des 19. Oktober trifft die Botschaft ein. Der Sicherheitsangestellte muss sofort in Selbstisolation. «Begeben Sie sich nach Hause und bleiben Sie in Quarantäne!», heisst es in der Anordnung ganz zuoberst. Fett. Mit Ausrufezeichen am Ende. BLICK hatte Einsicht in die Verfügung.

Die behördlich angeordnete Quarantäne gilt sogar rückwirkend. Die betroffene Person müsse sich vom 12. bis zum 22. Oktober in Quarantäne begeben, heisst es.

Einzig: Das nützt dem Arbeitnehmer gar nichts. Er war in der Zwischenzeit unterwegs, weil sich der Arbeitgeber auf die Behörde verlassen hat – wie so viele Betriebe im Land. Ein Fehler.

Hausarzt ohne Quarantäne-Hoheit

Zuständig für die Anordnung einer behördlichen Isolation oder Quarantäne ist einzig der Kantonsarzt oder die Kantonsärztin. Andere Mediziner können keine bindende Quarantäne-Pflicht aussprechen. Kein Hausarzt, kein Spitalangestellter. Das hat in den letzten Wochen zu Problemen geführt, weil die Fallzahlen massiv zugenommen haben. «Manche Bürger haben ihre Quarantäne-Anordnung mit Verzögerung erhalten», sagt denn auch die Berner Kantonsärztin Linda Nartey (51) im jüngsten Newsletter. Die Situation habe sich aber weitgehend normalisiert, und die Isolations- und Quarantäne-Anordnungen sollten nun zeitgerecht eintreffen.

Zuständig für die Anordnung einer behördlichen Isolation oder Quarantäne ist einzig der Kantonsarzt oder die Kantonsärztin. Andere Mediziner können keine bindende Quarantäne-Pflicht aussprechen. Kein Hausarzt, kein Spitalangestellter. Das hat in den letzten Wochen zu Problemen geführt, weil die Fallzahlen massiv zugenommen haben. «Manche Bürger haben ihre Quarantäne-Anordnung mit Verzögerung erhalten», sagt denn auch die Berner Kantonsärztin Linda Nartey (51) im jüngsten Newsletter. Die Situation habe sich aber weitgehend normalisiert, und die Isolations- und Quarantäne-Anordnungen sollten nun zeitgerecht eintreffen.

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