Die Strompreise fürs nächste Jahr haben viele Mieterinnen und Mieter, Eigenheimbesitzer und Unternehmer geschockt. Dazu geht das Schreckgespenst einer Gas- oder Strommangellage um, die der Schweiz im kommenden Winter droht. Ein anderes grosses Thema ist dabei stark aus dem Fokus geraten: der Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Öl und Gas.
Auf die Beheizung und den Warmwasserverbrauch in den Gebäuden entfallen knapp 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs im Land. Ein beträchtlicher Teil davon wird nach wie vor mit umweltschädlicher Technologien beheizt. Hier besteht grosser Aufholbedarf, schliesslich will der Bundesrat die Schweiz bis 2050 auf Klimaneutralität trimmen.
Riesige Unterschiede zwischen den Gemeinden
Die über 2100 Gemeinden im Land stehen beim Umstieg auf erneuerbare Technologien aber an völlig unterschiedlichen Punkten. Während einige Gemeinden überaus saubere Energie beziehen, sind andere regelrechte Klimasünder.
Wie gross die Unterschiede sind, hat die auf Klimafragen spezialisierte Beratungsfirma Navitas Consilium mit Sitz in Martigny VS nun aufgeschlüsselt. Dafür hat das Unternehmen zwei interaktive Karten erstellt: Die eine zeigt, wie gross der Anteil an erneuerbarer Energie in der jeweiligen Gemeinde ist. Die zweite Karte, wie viel Energie aus dem Ausland importiert werden muss. Die Daten dafür bezieht Navitas Consilium direkt vom Bundesamt für Statistik.
Grosse Städte mit hohem Importanteil
Erwartungsgemäss besteht in den grösseren Städten grosser Aufholbedarf. Genf importiert 96 Prozent der Wärmeenergie für die Gebäude – darunter vor allem Gas und Öl. Gerade mal 4 Prozent stammen aus erneuerbaren Quellen. Lugano importiert 94 Prozent, Luzern und Biel 91 Prozent und Winterthur 87 Prozent. Etwas besser stehen Bern (83 Prozent), Zürich (76 Prozent) oder Basel (75 Prozent) da. Auch die Agglomerationen sind zu einem grossen Anteil auf Energieimporte angewiesen.
Die hohen Importanteile in den Städten lassen sich leicht erklären: In dicht besiedelten Gebieten sind Gasnetze besonders günstig. Zudem benötigen sie wie Ölheizungen verhältnismässig wenig Platz.
Auch viele Berggemeinden importieren für die Wärmeversorgung grosse Mengen fossile Energieträger. Im alpinen Raum entfallen diese vor allem auf Ölheizungen. Der Aufbau eines Gasnetzes wäre in weitläufigen Berggemeinden kaum rentabel gewesen.
Krieg als Treiber und Bremser
Die interaktiven Karten sollen den Gemeinden bei der Umsetzung der Klimawende helfen: Mit der drohenden Gefahr einer Gasmangellage fällt Eigentümer mit Gasheizungen ein Umstieg derzeit besonders leicht. Der Ukraine-Krieg hat in der Schweiz einen regelrechten Run auf Wärmepumpen ausgelöst. Die Haustechnikfirmen kommen kaum mehr hinterher.
Bei Ölheizungen dürfte der Effekt in die andere Richtung gehen: Da beim Öl kein Mangel droht, schreckt ein Umstieg auf eine Wärmepumpe Eigentümer eher ab. Denn Wärmepumpen verbrauchen Strom – und bekanntermassen könnte dieser im Winter knapp werden.