Der Angestellte im Swisscom-Shop macht seinen Job hervorragend, sieht sich am Ende der Beratung aber trotzdem dazu genötigt, sich anzubiedern. Es geht um seine Bewertung und auch um seinen Lohn. Er erklärt: «Sie erhalten womöglich eine SMS, in der Sie das Beratungsgespräch benoten können.»
Die Sache sei jedoch folgende: 8 von 10 Punkten würden ihm nichts bringen, auch wenn das durchaus eine gute Note sei. «Erst 9 oder 10 Punkte fliessen positiv in meine Bewertung ein», sagt er. Wie viele Punkte man vergebe, stehe der Kundin oder dem Kunden natürlich frei.
So schildert ein Leserreporter seinen jüngsten Besuch in einem Swisscom-Shop in Zürich. Er wurde gefragt, ob sein Kundenanliegen gelöst werden konnte. Empfiehlt der Kunde das Unternehmen weiter? Und wie gut war die Beratung? Das alles möchte Swisscom bei der Befragung von ihren Kunden wissen. Sie setzt mit dem Net Promoter Score (NPS) dafür auf ein weltweit etabliertes Bewertungssystem.
Gewerkschaft kritisiert Lohnmodell
Bei der Gewerkschaften wie der Syndicom sorgt der NPS für Kritik. «Der NPS ist ein heikler Index, dessen Einbezug in die Mitarbeitendenbeurteilung und ins Vergütungssystem tatsächlich problematisch sein kann», sagt Syndicom-Sprecher Matthias Loosli zu Blick.
Heikel ist für Loosli, dass sich Angestellte durch solche Bewertungssysteme rasch unter Druck gesetzt fühlen, auch wenn sie wie im Eingangsbeispiel gute Arbeit leisten. Die Gewerkschaft hat ihre Bedenken bei der Swisscom eingebracht. Diese habe daraufhin die Gewichtung gewisser Faktoren reduziert, so Loosli. «Wir sind aber weiterhin der Auffassung, dass der Einfluss des NPS abnehmen muss.» Gerade dann, wenn variable Lohnanteile davon abhängig seien.
Ist das System überhaupt fair?
Bei der Swisscom sieht man kein Problem darin, dass Kundenbewertungen den Lohn der Angestellten beeinflussen. Die Qualität des Kundenservices sei für die Swisscom nun mal von grosser Bedeutung. Im Verkauf sei zudem eine leistungsbezogene, variable Lohnkomponente üblich, sagt Mediensprecher Armin Schädeli auf Anfrage. «Bei Swisscom ist diese jedoch im Branchenvergleich bewusst moderat ausgestaltet.» Zudem sei der Lohnanteil grösstenteils von Teamzielen abhängig.
Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Auftrag von Syndicom stellt diesen Ansatz jedoch generell infrage: NPS-Befragungen sollten nicht auf einzelne Beschäftigte heruntergebrochen werden, heisst es darin. Dafür sei die Zahl der Bewertungen zu klein, um repräsentativ zu sein – das Ergebnis könne die reale Leistung verzerren.
Andererseits fällt die Bewertung des Verkaufspersonals positiver aus, wenn dieses die Kundin oder den Kunden in das Bewertungssystem einweiht und erklärt, dass die Bewertung einen Einfluss auf ihren Lohn hat. Zudem bewertet die Kundschaft gemäss den Forschenden über die NPS-Befragung eher das Unternehmen generell als die einzelne Beratungsleistung.
Kurz gesagt: Besonders aussagekräftig sei das System nicht gerade.