Neue Studie rechnet vor
Energiewende garantiert Versorgungssicherheit

Ohne Atomausstieg und Ausbau der Erneuerbaren wäre die Schweiz heute nicht besser dran, sagt eine neue Studie. Wir würden sogar weniger Strom produzieren.
Publiziert: 05.03.2023 um 10:07 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2023 um 14:45 Uhr
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«Nur die Förderung der Erneuerbaren garantiert die Versorgungssicherheit», sagt Léonore Hälg von der Schweizerischen Energiestiftung.
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Danny SchlumpfRedaktor SonntagsBlick

Der Ukraine-Krieg hat die Verwundbarkeit der Energiesysteme offengelegt, auch in der Schweiz. Nun wollen Atomkraft-Befürworter das Verbot neuer AKW aufheben – weil ohne Kernkraft die Versorgungssicherheit gefährdet sei. Die SVP sagt: «Die Energiewende ist gescheitert.»

Léonore Hälg (35) von der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) widerspricht: «Das Gegenteil ist wahr. Nur die Förderung der Erneuerbaren garantiert die Versorgungssicherheit. Atomkraftwerke reduzieren sie.» Der einzige Wermutstropfen sei, dass die Schweiz die Energiewende in den letzten Jahren nicht stärker vorangetrieben habe.

Versäumnisse

Hälg ist Autorin einer neuen Studie, die zeigt: Mit den notwendigen finanziellen Mitteln hätte die Solarkraft schon im Jahr 2021 knapp fünf Terawattstunden zusätzlichen Strom liefern können. 2025 würden sogar neun zusätzliche Terawattstunden resultieren.

Hätte die Schweiz hingegen auf die Energiewende verzichtet und den Ausbau der Sonnenkraft ausgebremst, würde sie heute über zweieinhalb Terawattstunden weniger Strom verfügen. 2025 wären es fünf Terawattstunden weniger.

Hälg hat in ihrer Studie neben der tatsächlichen Produktion gemäss Energiestrategie 2050 vier weitere Szenarien durchgespielt und ausgerechnet, wie viel Strom die Schweiz in den Jahren 2021 und 2025 jeweils hergestellt hätte. Im ersten Szenario haben Energiewende und Atomausstieg gar nicht stattgefunden. Im zweiten Szenario gibt es ebenfalls keinen Atomausstieg und die Energiewende ist limitiert. Im dritten und vierten Szenario rechnet die Studie mit einer forcierten Wende – einmal mit einem schnellen Kernkraftwerk-Aus, bei dem das AKW Beznau 2017 vom Netz gegangen wäre, und einmal mit einem offenen Atomausstieg, der Beznau auch 2025 noch laufen lässt.

Das Resultat: Eine forcierte Energiewende mit offenem Atomausstieg hätte 2021 zur höchsten Stromproduktion geführt: 69,1 Terawattstunden. Die tatsächliche Produktion lag damals bei 64,2 Terawattstunden. Das sind sieben Prozent weniger, aber immer noch mehr als in den anderen drei Szenarien.

Atomausstieg brächte mehr Strom

Ein ähnliches Bild präsentiert sich für das Jahr 2025: Die unveränderte Fortführung der Energiewende erbringt 68,7 Terawattstunden. Ohne Wende und ohne Atomausstieg wären es 63,8. Die forcierte Wende mit schnellem Atomausstieg hingegen würde 72,5 Terawattstunden einbringen, diejenige mit offenem Kernkraft-Ende sogar 77,6. Beide Varianten hätten eine Erhöhung der Jahresproduktion um über neun Terawattstunden zur Folge – mehr als die Jahresproduktion des AKW Gösgen.

Das vierte Szenario weist auch im Winterhalbjahr die höchste Stromproduktion aus: 2021 wären es 31,8 Terawattstunden gewesen – eine Terawattstunde mehr als die tatsächliche Produktion. 2025 wären es über zwei Terawattstunden mehr. Das ist auch darum bemerkenswert, weil im Jahr 2025 der Stromhammer aus der EU droht: Die Schweiz hat kein Stromabkommen mit der Union, weshalb ab dann die Stromimporte im Winter nicht mehr garantiert sind.

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«Die Studie zeigt, dass die Energiewende nicht gescheitert ist», sagt Jürg Rohrer (60), Dozent für Erneuerbare Energien an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, der an der Untersuchung nicht beteiligt war. «Vielmehr wird klar, dass wir deutlich weiter wären, hätten wir die Wende forscher vorangetrieben.»

Die Studie zeigt aber auch: Ein schneller Atomausstieg verringert die Stromproduktion. «Trotzdem wäre ein Abschalttermin wichtig», sagt Rohrer. «Das hätte eine Verbindlichkeit zur Folge, die den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen würde.»

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