SonntagsBlick: Herr Rösti, nach der Befragung durch die Fraktion am Freitagnachmittag brauchten Sie eine Kopfschmerztablette. War das Hearing so hart?
Albert Rösti: Daran war der Wetterwechsel schuld. Aber natürlich war ich nervös, ein Hearing ist keine Alibiübung. Da gibt es wenig zu gewinnen, aber sehr viel zu verlieren. Denn unmittelbar nach den Hearings findet die Abstimmung statt. Da kann durchaus noch das eine oder andere Fraktionsmitglied seine Meinung ändern. Das habe ich auch schon erlebt.
Auch Hans-Ueli Vogt hat es auf das Ticket geschafft. Warum sind Sie der bessere Bundesrat als Vogt?
Ich bin lange im Parlament, habe deshalb eine breite Dossierkenntnis. Ich habe mehrfach bewiesen, dass ich Mehrheiten beschaffen kann und verfüge über Führungserfahrung.
Stimmen aus dem Zürcher Flügel haben sich im Vorfeld ziemlich unzimperlich gegen Sie ausgesprochen. Hat Sie das verletzt?
Nein, das gehört dazu. Ausserdem war es nur eine Stimme, weshalb ich das auch gut einordnen konnte.
Ist Christoph Blocher nicht zur Nomination gekommen, weil er mit diesem Ergebnis gerechnet hat?
Er war schon länger nicht mehr an den Fraktionssitzungen dabei. Das war insofern nichts Aussergewöhnliches.
Die Spannungen zwischen Ihnen und Christoph Blocher haben sich während Ihrer Zeit als SVP-Präsident aufgebaut. Warum eigentlich?
Spannungen ist das falsche Wort. Dass man sich kritisch begleitet, fördert die Leistung. Wir sind keine Schulterklopfer-Partei, und das spornt an.
Ist es eine Begegnung auf Augenhöhe?
Nein, aber das hat nichts mit Christoph Blocher zu tun, sondern mit meiner Einstellung älteren Generationen gegenüber. Ich begegne Menschen mit mehr Lebenserfahrung und grossen Leistungen grundsätzlich mit grösserem Respekt, aber durchaus selbstbewusst.
Trotz Widerständen aus Zürich stehen Sie nun auf dem Ticket. Sie könnten jetzt auch einmal hinstehen und sagen: Die Zeit von Christoph Blocher ist vorbei.
Ich gehe einfach meinen Weg. Klar ist, dass die SVP ohne Christoph Blocher nicht so gross geworden wäre, wie sie heute ist. Davon habe auch ich profitiert. Auf der anderen Seite haben wir Adolf Ogi, der die konziliantere Seite abdeckte und ebenso wichtig für die Partei war. Wir sind die Nachfolgegeneration und haben den Auftrag, dieses Erbe weiterzutragen.
Aber Sie sind nicht Blochers, sondern Ogis Erbe.
Ich trage das Erbe der SVP weiter.
Christoph Blocher macht sich offenbar besonders Sorgen, ob Sie in der Europa-Frage auf Linie bleiben …
Seit ich politisiere, bin ich nie von der Haltung abgewichen, dass die Schweiz unabhängig bleiben muss. Als Parteipräsident habe ich vor dem Rahmenabkommen gewarnt, oft allein auf weiter Flur. Und zwar lange, bevor die Linken mit dem Lohnschutz kamen.
Die Partei will jedenfalls auf Nummer sicher gehen: Sie mussten der Findungskommission geloben, in diversen Themen wie Neutralität oder Migration die Parteilinie einzuhalten.
Ich habe einfach meine bisher schon immer gelebten Werte deklariert. Dass diese bei einem Bundesratskandidaten den Grundhaltungen der Partei entsprechen müssen, liegt auf der Hand.
Die SVP unterstützt die Neutralitäts- Initiative – der Bundesrat wird sie zur Ablehnung empfehlen. Wie wird sich ein Bundesrat Rösti verhalten?
Er wird mit aller Vehemenz die Bedeutung der immerwährenden bewaffneten Neutralität betonen und im Bundesrat begründen, warum die Schweiz daran festhalten muss.
Und wenn es darum geht, eine im Kollegium gefällte Entscheidung gegen aussen zu vertreten? Werden Sie sich auch Verletzungen der Konkordanz erlauben, wie das Ueli Maurer tat?
Aus meiner Zeit im Parlament und als Parteipräsident ist bekannt, dass ich sehr pointiert auftreten kann und die Haltung der Partei mit Überzeugung einbringe. Es ist aber ebenso bekannt, dass ich die Regeln der Zusammenarbeit einhalte. Dazu gehört auch die Kollegialität.
Ein Blick-Leser kommentierte Ihre Nomination mit den Worten: «Rösti ist ein Opportunist ohne Profil!» Was antworten Sie ihm?
Ich habe mich der Partei für alle möglichen Ämter zur Verfügung gestellt und auch chancenlose Kandidaturen übernommen, etwa für den Ständerat bei zwei unbestrittenen Bisherigen. Ich habe fast fünf Jahre die Partei präsidiert, ohne dafür einen Lohn zu erhalten. Jeder soll selbst beurteilen, ob das opportunistisch ist.
Vielleicht hat der Leser ja auf Ihre zahlreichen ausserparlamentarischen Mandate angespielt. Wurde das im Hearing Ihrer Fraktion thematisiert?
Dieses Thema wurde aufgeworfen. Solange wir ein Milizparlament haben, trägt jeder von uns mehrere Hüte. Wichtig ist, dass diese den Werten der Partei nicht widersprechen.
Sie streben das Energiedepartement an. Kriegen Sie es auch?
Es wäre vermessen, darauf zu antworten. In jedem Gremium gilt: Die Amtsjüngsten müssen hinten anstehen. Ich fühle mich in der Lage, mich in jedes Departement einzuarbeiten. Aber es ist bekannt, wo meine Stärken liegen.
Würde die Schweiz unter einem Energieminister Rösti wieder AKW bauen?
Ich würde mich für Technologieneutralität in allen Bereichen starkmachen – auch in der Energieproduktion. Deshalb würde ich mich auch für eine Streichung des KKW-Verbots verwenden lassen, aber entscheiden würde das Parlament. Wir brauchen künftig mindestens doppelt so viel Strom, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür brauchen wir Grosskraftwerke.
Sie würden mit der Energiewende brechen?
Ich unterstütze eine Energiewende, die weg von den fossilen Brennstoffen und hin zur Elektrizität führt. Das geht aber nur, wenn wir alle fossilfreien Technologien zulassen.
Sie haben die Favoritenrolle stets weit von sich gewiesen. Jetzt wurden Sie im ersten Wahlgang nominiert. Behaupten Sie nun bis zur Bundesratswahl weiter, Sie seien nicht der Favorit?
Ich freue mich natürlich, dass die Nomination so gut für mich lief. Aber bei einer Wahl ist das Momentum entscheidend. Es kommt nur darauf an, welchen Namen die Parlamentarier am 7. Dezember auf den Zettel schreiben. Bis dann steht mein Name noch nirgends. Deshalb bleibe ich sehr vorsichtig.