Am Freitag übergab Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) dem künftigen Energieminister Albert Rösti (55) die Schlüssel zum Departement. Das freut die AKW-Befürworter in der Schweiz. Sie hoffen, dass der SVP-Magistrat das Verbot neuer Kernkraftwerke aufheben wird. Denn sie sind überzeugt: Ohne Atomstrom keine Versorgungssicherheit.
Im Atom-Land Frankreich ist man sich da nicht mehr so sicher: Die Hälfte seines AKW-Parks liegt flach. Die Regierung von Emmanuel Macron (45) hat zwei Kohlekraftwerke reaktiviert, um die Ausfälle zu kompensieren. Doch das reicht nicht. Zum ersten Mal in der Geschichte wird Frankreich mit seinen 56 Atom-Meilern zum Strom-Nettoimporteur aus Deutschland – das auch Kohlekraftwerke aus der Reserve holen muss.
Das französische AKW-Debakel trifft auch die Schweiz, die 5500 Gigawattstunden Atomstrom pro Jahr aus dem Nachbarland bezieht. Das entspricht der Produktion des AKW Beznau. Der Grossteil des französischen Stroms – 3500 Gigawattstunden – kommt aus den Meilern von Bugey und Cattenom. Doch deren Produktion liegt auf einem Rekordtief. Die beschädigten Reaktoren liefern nur noch die Hälfte der üblichen Menge Strom.
Nun muss der Energiekonzern Axpo den fehlenden Saft aus Bugey und Cattenom anderweitig beschaffen – auf dem Markt, zu hohen Preisen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Ersatzstrom aus Kohlekraftwerken stammt. Die französischen AKW-Ausfälle bedeuten also nicht nur Kosten, sondern auch CO2-Emissionen.
Man drückt sich vor Antworten
Die Axpo weicht konkreten Fragen dazu aus. Das Unternehmen lässt ausrichten: «Wir beschaffen den Strom zu den jeweils geltenden Konditionen am Markt.» Aus welchen Kraftwerken der Strom komme, wisse die Axpo nicht.
Fabian Lüscher (34) leitet den Fachbereich Atomenergie bei der Schweizerischen Energie-Stiftung. Er sagt: «AKW-Ausfälle sind ein zentrales Problem der aktuellen Strommisere. Umso bedenklicher, dass das Klumpenrisiko Atomkraftwerke vom neuen Energieminister als Garant für Versorgungssicherheit propagiert wird.»
Der französische Präsident lässt sich von den Ausfällen nicht beirren: Emmanuel Macron hat den Bau von sechs weiteren AKW angekündigt. Zuerst aber soll der Reaktor von Flamanville endlich ans Netz – zwölf Jahre später als geplant und mit 20 Milliarden Euro sechsmal teurer als veranschlagt.
Solche Probleme gibt es auch anderswo: Die Kosten des britischen Meilers Hinkley Point 3 haben sich verzehnfacht. Der finnische Reaktor Olkiluoto-3 ist dreimal teurer als budgetiert – und geht 14 Jahre später ans Netz als geplant.
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