FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (58) wird neue Finanzministerin. Der frisch gewählte SVP-Mann Albert Rösti (55) übernimmt das Energiedepartement (Uvek). Wie kam es dazu?
Die Geschichte, die man sich in Bundesbern erzählt, geht so: FDP und SVP haben sich abgesprochen. Der Deal des Machtkartells: Keller-Sutter kriegt den frei werdenden Sitz von SVP-Säckelmeister Ueli Maurer (72) – dafür darf Albert Rösti auf direktem Weg ins Energieministerium. SP-Innenminister Alain Berset (50) geht leer aus. Er muss bleiben, wo er ist.
Doch hat es sich wirklich so zugetragen? Sicher ist: Nie wird so viel gelogen wie bei den Bundesratswahlen.
Der neuste Twist stammt aus dem erweiterten Umfeld von Berset: Dieser habe das Innenministerium (EDI) gar nicht verlassen wollen, heisst es jetzt. Kein Wunder – Berset möchte nicht als Verlierer dastehen. Dem widerspricht die Tatsache, dass er schon vor Jahren ein Auge aufs Finanzdepartement geworfen hatte. Dennoch liess es der Innenminister am Donnerstag nicht auf eine Abstimmung ankommen, als der Bundesrat die Departemente neu verteilte. Stattdessen langte Keller-Sutter zu.
Kein Interesse am Uvek
Und das Uvek? Das interessierte Berset nicht. Als Amtsältester hätte ihm der Gesamtbundesrat diesen Wunsch kaum abgeschlagen.
Stattdessen schnappte sich Rösti das Departement. Kampflos – eine Abstimmung gab es nicht. Und damit auch keine offensichtlichen Verlierer wie im Jahr 2018. Dennoch gaben Linke und Grüne empörte Statements ab: SP chancenlos! Polit-Kartell! Bürgerliche begraben Energiewende!
Konnte Berset nicht – oder wollte er nicht? «Die rechtsbürgerliche Mehrheit ist durchmarschiert», sagt SP-Vizepräsident Jon Pult (38). «Es gab keine Chance, am Pakt von FDP und SVP zu rütteln.»
Das treibt FDP-Präsident Thierry Burkart (47) auf die Palme: «Es gab keine Absprache zwischen FDP und SVP. Die Departementsverteilung ist Sache des Bundesrats.» Allerdings: Der Wechsel von Keller-Sutter ins EFD stand von Anfang an fest. Bürgerliche und Wirtschaftsverbände hatten früh klargemacht, dass sie einen SP-Finanzminister verhindern wollen. Da spielte die Machtpolitik.
Gilt das auch für Rösti im Uvek? «Er ist nicht mit der Unterstützung der FDP ins Uvek gekommen», sagt Thierry Burkart. «Das war gar nicht nötig, die Sitzung lief offenbar konsensual ab. Hätte die SP mit Alain Berset das Uvek gewollt, hätte sie es bekommen.»
SP-Präsident Cédric Wermuth (36) widerspricht: «Es ist nicht so, dass die Departementsverteilung nur an jener Sitzung entschieden wird.» Das laufe Wochen vorher an: «Der Deal von FDP und SVP war seit längerem fix.»
EDI ist wichtiger
Sicher ist: Ein Wechsel von Berset hätte bedeutet, dass sein Departement in bürgerliche Hände kommt – und das wäre für die SP schlimmer als Atom-Rösti im Uvek. Wermuth sagt: «Für uns ist das EDI wichtig: die Rentenfrage, die Gesundheitspolitik, die Gefahr einer Zweiklassenmedizin. Es ist nachvollziehbar, dass Alain Berset verhindern wollte, dass das EDI an die FDP oder SVP geht.»
Davon war Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) nicht betroffen. Und doch bewegte sie sich nicht. Dabei hätte die frühere Verkehrspolitikerin als Uvek-Vorsteherin die Energiewende vorantreiben können, die ihre Parteikollegin Doris Leuthard (59) einst einläutete.
«Was auf Alain Berset zutrifft, gilt auch für Viola Amherd», sagt FDP-Präsident Burkart dazu. «Sie hätte das Uvek gekriegt, wenn sie es gewollt hätte.» Kein neuer Bundesrat werde gegen den Willen eines bisherigen bevorzugt. «Dass wir bei so etwas mitgemacht hätten, ist eine Unterstellung.»
Amherd wollte bei der Armee bleiben. Darüber ärgern sich selbst Mitte-Parlamentarier:Sie habe es sich zu bequem gemacht. Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (44) nimmt Amherd in Schutz: «Sie wäre auch eine gute Energie- und Verkehrsministerin geworden. Mitten im Ukraine-Krieg hat sie sich im Dienste des Landes aber dafür entschieden, die wichtige Aufgabe im VBS fortzuführen.»
Fakt ist: Rösti kriegte das Energiedepartement geschenkt. Weder Amherd noch Berset kämpften darum. Und: Das Klima hat für Rösti keine Priorität. «Er wird die Versorgungssicherheit an erste Stelle setzen», sagt SVP-Nationalrat Michael Graber (41). Pflastert der neue Verkehrsminister nun das Land mit Autobahnen zu? Graber: «Er berücksichtigt den Individualverkehr stärker als seine Vorgängerin. Und das ist richtig so.»
Die Grünen sehen schwarz
Die Grünen schlagen bereits auf allen Kanälen Alarm. Und das nicht nur aus Sorge ums Klima: Mit ihrem Trommelfeuer eröffnen sie den Wahlkampf. Im Jahr 2007 holte die SVP Wählerstimmen mit dem Slogan «Blocher stärken – SVP wählen». Nun drehen die Grünen den Spiess um: «Der Ölbaron übernimmt das Uvek. Ein Albtraum für Klima- und Umweltschutz. Jetzt Grüne stärken!»
Die FDP geht gestärkt aus der Rochade ins Wahljahr, die Grünen reiten die Anti-Rösti-Welle – und die SP startet mit einem Innenminister, der soeben mit mageren 140 Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Wackelt jetzt ein SP-Sitz? Vizepräsident Jon Pult (38) winkt ab: «Alain Berset ist der beliebteste Bundesrat im Volk. Und für die Parlamentswahlen spielt es keine Rolle, welcher Magistrat welches Departement führt.» Pult geht davon aus, dass sich an der Sitzverteilung so schnell nichts ändert.
Mitte-Fraktionschef Bregy sagt: «Wir sind gegen Angriffe auf amtierende Bundesräte. Diskussionen um die Sitzverteilung machen nur bei Vakanzen Sinn.» Dann aber sei für ihn klar: «Arithmetisch stehen Links-Grün zusammen zwei Sitze zu. Die müssen sie unter sich aufteilen.» Am Ende läuft es wohl auf einen Angriff der Grünen auf die SP hinaus.
Und Eva Herzog (60)? Die Baslerin bleibt im Ständerat. Zwar verkündete Thierry Burkart, die nächste SP-Magistratin müsse Deutschschweizerin sein. Doch gewählt wurde die Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider (58) – mit vielen Stimmen der FDP.
Warum? Mehrere Quellen berichten, Karin Keller-Sutter habe bei ihrer Partei Stimmung gegen Herzog gemacht – weil die FDP-Bundesrätin keine starke Frau neben sich dulde. Kurz vor der Wahl schärfte Burkart dann der Fraktion ein, Baume-Schneider sei für die Bürgerlichen von Vorteil, weil die Jurassierin die SP im Wahljahr schwäche.
Mit anderen Worten: Die Wirtschaftspartei FDP half mit, eine städtische Wirtschaftsvertreterin zu verhindern – aus wahltaktischen Gründen und wegen der Befindlichkeit der eigenen Bundesrätin. Machtpolitik, auch hier.
Keller-Sutter kriegt das Finanzdepartement, Rösti wird Energieminister.
Die beiden mussten nicht einmal darum kämpfen.