Mit der Wahl von Albert Rösti (55) und Elisabeth Baume-Schneider (58) sind vergangenen Mittwochmorgen Karriereträume geplatzt – nicht nur jene der parteiinternen Kontrahenten Eva Herzog (60) und Hans-Ueli Vogt (53).
Denn die neue Zusammensetzung des Bundesrats ändert die Ausgangslage für künftige Vakanzen. Wer aus der Westschweiz oder dem Tessin kommt, dazu noch vom Land, kann es wohl vergessen, bald in die Landesregierung gewählt zu werden. Zu gross ist das Ungleichgewicht jetzt schon. Deutschschweizer Städterinnen und Städter hingegen haben dank Baume-Schneiders Sieg nun plötzlich Auftrieb.
Wer geht als Nächstes?
Das betrifft insbesondere SP, SVP und Mitte. Der oder die Nächste, dessen oder deren Sitz wohl frei werden wird, dürfte nämlich SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63), Mitte-Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) oder SP-Innenminister Alain Berset (50) sein.
Parmelin dürfte sich aufgrund seines Alters irgendwann überlegen aufzuhören – vielleicht bereits auf die Gesamterneuerungswahlen nächstes Jahr. Und in der Mitte geht man davon aus, dass Amherd wohl nach ihrem Präsidialjahr 2024 abtreten dürfte. Berset ist bei den Gesamterneuerungswahlen nächstes Jahr bereits seit zwölf Jahren Bundesrat. Mit dem schlechten Wahlresultat am Mittwoch als Bundespräsident 2023 hat ihm das Parlament klar zu verstehen gegeben, dass es aus seiner Sicht Zeit ist, bald einmal den Hut zu nehmen.
Blick zeigt, wer sich jetzt Hoffnung machen kann – und wer nach dem vergangenen Wahltag seine Bundesratsambitionen wohl definitiv begraben muss.
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SP: Die Gewinner
- Beat Jans (58): Für die Baslerinnen und Basler waren die Bundesratswahlen ein Trauertag. Regierungspräsident Beat Jans kann sich aber auch freuen. Als ehemaliger Nationalrat und Deutschschweizer Städter ist er prädestiniert für die Nachfolge von Alain Berset.
- Flavia Wasserfallen (43): Ebenfalls in der Poleposition ist die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen. Nachfolgerin von Simonetta Sommaruga wollte sie nicht werden – was sich rückblickend als weiser Entscheid herausstellen könnte. Denn ihre Chancen aufs Amt sind mit der neuen Bundesratszusammensetzung gestiegen.
- Gabriela Suter (49): Die Aargauer Nationalrätin und kantonale SP-Präsidentin will nächstes Jahr Ständerätin werden und den Bürgerlichen einen der beiden Ständeratssitze wegschnappen. Insbesondere wenn sie das nicht schafft, könnte sie dafür ein Auge auf den Bundesrat werfen.
- Manuela Weichelt (55): Auch die eine oder der andere Grüne aus einer Deutschschweizer Stadt wird sich nun Hoffnung machen. Ein Name, den man im Zusammenhang mit einer möglichen grünen Bundesratskandidatur hört, ist Manuela Weichelt. Die Grünen-Nationalrätin lebt in Zug, womit wieder ein Geberkanton im Bundesrat vertreten wäre. Und die Zentralschweiz, die seit fast zwei Jahrzehnten keinen Bundesrat mehr stellte.
SP: Die Verlierer
- Daniel Jositsch (57): Der Zürcher SP-Ständerat gilt als der grosse Verlierer der vergangenen Bundesratswahlen. Dass er, nachdem er im ersten Wahlgang zahlreiche Stimmen erhalten hat, nicht vor versammeltem National- und Ständerat erklärt hat, dass er nicht zur Wahl zur Verfügung steht, sorgt nicht nur in der eigenen Partei für Unverständnis. Für seine Kolleginnen und Kollegen steht fest: Damit hat er sich eine künftige Kandidatur selbst verbaut. Und das, obwohl er als Deutschschweizer Mann aus der Stadt nach der Wahl Baume-Schneiders beste Aussichten aufs Amt gehabt hätte.
- Pierre-Yves Maillard (54): Die Westschweizer SP-Männer können sich nach dem Sieg Baume-Schneiders jedwelche Bundesratsambitionen abschminken. Das trifft insbesondere auf Gewerkschaftsboss und ehemaligen Waadtländer Staatsrat Pierre-Yves Maillard zu, der 2011 im Bundesratsrennen gegen Alain Berset unterlag.
- Roger Nordmann (49): Auch der Bundesratstraum von SP-Fraktionschef Roger Nordmann, wie Maillard aus der Waadt, ist ausgeträumt. Dabei hätte er – als Mitglied der Parteileitung, alter Hase im Parlament und mit super Deutschkenntnissen – bis vor der Wahl Baume-Schneiders ebenfalls beste Voraussetzungen gehabt.
SVP: Die Gewinner
- Natalie Rickli (46): Wäre sie jetzt schon angetreten, hätte sie Albert Rösti gefährlich werden können. Doch die Zürcher Gesundheitsdirektorin und ehemalige Nationalrätin Natalie Rickli verzichtete dieses Mal auf eine Kandidatur – weil sie als Regierungsrätin wiedergewählt werden will. Dank der untervertretenen Deutschschweiz im Bundesrat stehen ihre Chancen bei der nächsten Vakanz nun noch besser.
- Magdalena Martullo-Blocher (53): Die SVP hatte noch nie eine Bundesrätin. Der Druck steigt auf die Partei, Frauenkandidaturen zu bringen. Eine weitere Frau, die in die Kränze kommen könnte, ist die Bündner Nationalrätin, SVP-Vizepräsidentin und Blocher-Tochter Magdalena Martullo.
- Christian Imark (40): Der Solothurner Nationalrat Christian Imark hat als Kampagnenleiter vergangenes Jahr massgeblich dazu beigetragen, das CO2-Gesetz zu bodigen. Das hat ihm in der Partei Respekt verschafft. Zudem ist er jung – und ein bisschen Verjüngung würde dem Bundesrat nicht schaden.
- Marcel Dettling (41): Er wäre zwar wieder kein Städter. Doch der Schwyzer Nationalrat Marcel Dettling gehört trotzdem zum Kreis der potenziellen nächsten SVP-Bundesratskandidaten, deren Chancen, gewählt zu werden, am Mittwoch eher stiegen. Die Zentralschweiz hätte er jedenfalls hinter sich. Aktuell ist er Wahlkampfleiter der SVP – das Amt zeigt, dass man in der SVP viel von ihm hält.
SVP: Die Verlierer
- Céline Amaudruz (43): Mit der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider hat das Parlament auch potenziellen SVP-Kandidatinnen Steine in den Weg in den Bundesrat gelegt. Sollte Guy Parmelin als Nächstes zurücktreten, hat die Genfer Nationalrätin und SVP-Vizepräsidentin Céline Amaudruz Pech gehabt. Sie kann nur hoffen, dass noch einmal eine Chance kommen wird.
- Lars Guggisberg (45): Eher gesunken sind auch die Chancen für den Berner Nationalrat Lars Guggisberg. Nicht wegen Baume-Schneider, sondern der Wahl des Berners Albert Rösti. Zwei Berner im Bundesrat, das ginge noch. Doch, dass beide SVP-Bundesräte aus demselben Kanton kommen? Sicher nicht.
Mitte: Die Gewinner
- Gerhard Pfister (60): Der Mitte-Präsident muss den Traum vom Bundesrat noch nicht ganz begraben. Tritt Viola Amherd nicht erst bei den übernächsten Gesamterneuerungswahlen zurück, könnte er noch als Bundesratskandidat infrage kommen. Mit seiner Herkunft – Deutschschweizer aus dem Wirtschaftsstandort Zug – nun zwei Argumente mehr auf seiner Seite.
- Benedikt Würth (54): Der St. Galler war Regierungsrat und vertritt seinen Kanton nun im Ständerat. Ideale Voraussetzungen für einen Bundesratskandidaten. Man muss zwar ein Auge zudrücken, um ihn als Vertreter der urbanen Schweiz zu sehen. Dennoch kommt auch ihm die Wahl Baume-Schneiders zugute.
Mitte: Die Verlierer
- Martin Candinas (42): Der Bündner ist eben erst zum Nationalratspräsidenten für ein Jahr gewählt worden. Ein Amt, das ihm viel mediale Präsenz bringen wird. Bundesrat aber wird er so bald nicht werden, jedenfalls wenn Viola Amherd die Nächste ist, die geht. Denn er vertritt nicht nur – schon wieder – eher die ländliche Schweiz, sondern würde als Rätoromane die Untervertretung der Deutschschweiz im Bundesrat nochmals verstärken.
- Isabelle Chassot (57): Auch die Freiburger Ständerätin Isabelle Chassot wäre eigentlich prädestiniert für eine Bundesratskandidatur. Sie hat nicht nur Regierungserfahrung, sondern kennt als ehemalige Direktorin des Bundesamts für Kultur auch den Bundesbetrieb. Aber auch bei ihr gilt: Als Französischsprachige aus der Waadtländer Agglo kommt sie als nächste Bundesrätin nicht infrage.