Oft sprechen Gesichter Bände. So auch am Wahltag, als mehreren Parteipräsidenten der Schock in den Augen stand. Nachdem Albert Rösti (55) im ersten Wahlgang mit 131 Stimmen Hans-Ueli Vogt (53) geschlagen hatte, setzte sich Elisabeth Baume-Schneider (58) überraschend gegen die SP-Favoritin Eva Herzog (60) durch.
Überraschend? Sehr, denn wer weiss, woher die notwendigen Stimmen kamen, mit denen Baume-Schneider im dritten Wahlgang das absolute Mehr schaffte, versteht erst einmal die Welt nicht mehr.
Vieles sprach gegen sie
Denn eigentlich sprach fast alles gegen Baume-Schneider. Sie kommt aus der Romandie, doch es galt, einen Deutschschweizer SP-Sitz zu besetzen. Sie ist eine Vertreterin der Landregionen, wo doch Städter heute schon Mangelware sind im Bundesrat. Und sie kommt aus einem weiteren Nehmerkanton beim Finanzausgleich.
Ihr gegenüber stand mit Herzog eine, die sich als Basler Finanzdirektorin schweizweit einen Namen gemacht hat. Sie gilt als durchsetzungsstark, sachorientiert und dossiersicher.
Reicht «gmögig»?
Das Parlament habe halt lieber «gmögige» Bundesräte, hiess es, nachdem Baume-Schneider mit 123 Stimmen gesiegt hatte. Das hat etwas. «EBS» ist eine aufgestellte Jurassierin. Mit ihrer sympathischen Art hat sie die strenge Herzog, die 116 Stimmen erreichte, und den wilden Kandidaten Daniel Jositsch (57) auf die Plätze verwiesen. Und auch dass die Romands zusammenhalten, wenn es gegen die Deutschschweiz geht, und die Schwarznasenschaf-Halterin die Bauern-Lobby hinter sich hatte, half.
Doch kommt man so auf genügend Stimmen? «Ja, wenn man jene der FDP dazuzählt», sagt ein Parteistratege. Eigentlich hatten die Freisinnigen keine Kandidatin aus der Westschweiz wählen wollen. Plötzlich war Baume-Schneider für eine Übergangszeit doch akzeptabel – ja mehr als das, wie Blick-Recherchen zeigen.
Wahlhilfe aus der FDP
Wolle man der FDP helfen, sollte man Baume-Schneider wählen: Diese Aussage habe Parteipräsident Thierry Burkart (47) am Morgen der Bundesratswahl bei seiner Fraktion gemacht, sagen Freisinnige. Keine Deutschschweizer Vertretung im Bundesrat und keine Städterin wie die Baslerin Herzog zu haben, schade der SP nämlich, so die Begründung.
Dem widerspricht Burkart – und bestätigt die Aussage gleichzeitig. «Das stimmt so nicht», sagt der Parteichef. Er habe drei Dinge gesagt: «Erstens, dass jeder frei ist bei seiner Wahl und seiner Überzeugung folgen soll. Zweitens, dass wir aus den offiziellen Kandidaten auswählen und keine wilden Kandidaten wählen sollten.»
Und drittens habe er aufgezeigt, welche Folgen die Wahl von Herzog und jene von Baume-Schneider hätte. «Dabei habe ich unter anderem aufgezeigt, dass zwei SP-Vertreter aus der Romandie für die Sozialdemokraten nicht förderlich seien.» Das sei keine Wahlempfehlung, sondern eine Einschätzung, so Burkart.
Dass Freisinnige die dritte Aussage aber dennoch als Empfehlung verstehen, liegt nah.
Keller-Sutter soll dahinterstecken
Hinter dieser «Einschätzung» soll, so wird kolportiert, Karin Keller-Sutter (58) stecken. Burkarts Nähe zur FDP-Bundesrätin ist kein Geheimnis. Auch dass KKS, wie die St. Gallerin genannt wird, unbedingt ins Finanzdepartement (EFD) wechseln will, ist bekannt.
Und darum durfte keine ehemalige Finanzdirektorin wie Herzog in den Bundesrat einziehen. Doch vor allem habe Keller-Sutter Herzog nicht in der Regierung haben wollen, weil sie keine weitere starke Frau wolle, die ihr die Leader-Position im Gremium streitig mache. Das sagen mehrere Personen, die es wissen müssen.
Parteichefs konsterniert
Nun ist es weniger verwunderlich, dass Baume-Schneider das Rennen gemacht hat. Und Burkart nach den Wahlen übers ganze Gesicht strahlte. Fast als einziger Parteipräsident: Nicht nur der SP-Spitze Mattea Meyer (35) und Cédric Wermuth (36) stand die Enttäuschung nach dem Jura-Coup ins Gesicht geschrieben, auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) aus dem Geberkanton Zug und der sonst stets gut gelaunte GLP-Chef Jürg Grossen (53) waren niedergeschlagen.
Der Einsatz der FDP war hoch, denn sie stellte sich vor den Wahlen öffentlich gegen eine welsche Kandidatin. Dass sie dieser nun ins Amt verhalf, schadet der Glaubwürdigkeit der Partei. Auch dass sich die Wirtschaftspartei gegen die Vertreterin eines städtischen Wirtschaftsmotors und Geberkantons engagiert, dürfte schaden. Der Frust in Basel jedenfalls ist enorm.
Ob sich das Manöver lohnt, muss sich zeigen
Ob sich das FDP-Manöver gelohnt hat, wird sich zeigen. Denn Elisabeth Baume-Schneider könnte die Bevölkerung im Amt genauso verzaubern wie die Parlamentarier in den Hearings. Immerhin können sich Meyer und Wermuth damit trösten, nun eine Bundesrätin zu haben, die als sympathische Landesmutter taugt. Allerdings: Wie der Fall Doris Leuthard (59) zeigt, hilft es einer Partei wenig, wenn ihre Bundesrätin beliebt ist. Die CVP (heute Mitte) jedenfalls konnte von Leuthards Popularität kaum profitieren.
Da hätte man doch lieber eine starke Bundesrätin, die die Regierung prägt. Und auch Grossen und Pfister hätten gerne eine in der Regierung gehabt, die Karin Keller-Sutter Paroli bieten kann.