Die Würfel sind gefallen. Seit Mittwoch 10.25 Uhr hat die Schweiz zwei neue Bundesratsmitglieder. Nachdem sich bei der Nachfolge von SVP-Finanzminister Ueli Maurer (72) wie erwartet Favorit Albert Rösti (55) durchsetzte hatte, kam es bei der Nachfolge von SP-Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) zu einer echten Überraschung.
Die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider (58) überflügelte die als Favoritin gehandelte Ständerätin Eva Herzog (60) und ist nun die zehnte Bundesrätin der Schweiz – und das erste Mitglied aus ihrem Kanton überhaupt. Wobei überflügelt ein grosses Wort ist: Baume-Schneider erhielt nur grad 123 Stimmen – genau so viele, wie nötig waren, um das absolute Mehr zu erreichen. Es war ihre eigene Stimme, die ihr zur Wahl verhalf, wie sie selbst sagte.
Rösti hingegen schaffte die Wahl auf Anhieb im ersten Wahlgang. Er erhielt 131 von 243 gültigen Stimmen – neun über dem absoluten Mehr. Sein Konkurrent, der ehemalige Zürcher Nationalrat Hans-Ueli Vogt (53), erhielt 98 Stimmen. Weitere 14 Stimmen gingen an verschiedene Personen.
Jositsch hat Sympathien verspielt
Deutlich spannender war das Rennen bei der SP, das erst im dritten Wahlgang entschieden wurde. Auch weil der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch (57) eine gewichtige Rolle spielte. Jositsch, der selbst in den Bundesrat einziehen wollte – aber am feministischen Widerstand seiner Partei scheiterte – erhielt in allen drei Wahlgängen Stimmen. Im ersten 58, im zweiten 28 und im entscheidenden dritten Wahlgang immerhin noch sechs.
Das Ganze dürfte für ihn ein Nachspiel haben – dass sich Jositsch bis zuletzt nicht gegen eine allfällige Wahl erklärt hatte, wird ihm von vielen auch aus der eigenen Partei übel genommen.
Lateiner-Mehrheit in «Gummistiefeln»
Jositsch hin oder her: Fakt ist, dass Baume-Schneider von Beginn weg vor Herzog lag. An ihrer ersten Medienkonferenz als gewählte Bundesrätin stellte sie klar: «Ich wurde nicht wegen den Schwarznasenschafen gewählt, sondern weil ich Politikerin bin.» Sie spielte damit auf den Umstand an, dass sie besonders bei den Bauern mit ihren Schafen und ihrem Verständnis für Landwirtschaftsanliegen gepunktet hat.
Mit ihr ist der erst seit 1979 existierende Kanton Jura zum ersten Mal in der Landesregierung vertreten. Zudem haben die «Lateiner» in der siebenköpfigen Landesregierung die Mehrheit: Mit Alain Berset (50), Guy Parmelin (63) und Baume-Schneider sitzen nun drei Romands im Bundesrat, hinzu kommt der Tessiner Ignazio Cassis (61).
Schwerer als das wiegt im Parlament aber der Umstand, dass nun die urbanen Zentren, oft genug auch die innovativen Wirtschaftsmotoren des Landes, im Bundesrat nicht mehr vertreten sind: Die «Grosststädterin» im Siebnergremium ist nun Karin Keller-Sutter (58) aus der 24'000-Seelen-Stadt Wil SG. «Gummistiefel-Bundesrat» enervieren sich bereits erste städtische National- und Ständeräte.
Enttäuschung in Basel, Denkzettel für Berset
Im Raum Basel ist die Enttäuschung denn auch spürbar. Gut 50 Baslerinnen und Basler hatten sich ab 8 Uhr in einer Bar beim Basler Erasmusplatz zu einem Public Viewing eingefunden. Wenige Stunden zuvor war dort die Niederlage der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft im WM-Achtelfinal übertragen worden. Ein spanischstämmiges Basler GLP-Mitglied kommentierte lakonisch: «Gestern fielen Spanien und die Schweiz aus dem WM-Rennen und jetzt verliert auch noch Eva Herzog.»
Eine Enttäuschung musste auch Alain Berset verkraften. Der Freiburger wurde zum zweiten Mal zum Bundespräsidenten gewählt – allerdings mit einem denkbar schlechten Resultat. Gerade einmal 141 Parlamentarierinnen und Parlamentariern gaben ihm die Stimme. Gleich 46 der 232 eingegangenen Wahlzettel waren leer, hinzu kamen fünf ungültige. Es ist ein Denkzettel für die Corona-Politik des Bundesrats, bei welcher Berset federführend war.
Neue Aufgaben warten
Ein besseres Ergebnis konnte Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) erzielen. Sie wurde mit 207 Stimmen zur neuen Vize-Bundespräsidentin gewählt.
Für den neuen Bundesrat geht es nun in den kommenden Tagen an die Departementsverteilung, die ebenfalls Spannung verspricht. Schon morgen sollen dazu erste Gespräche stattfinden – aber noch ist offen, ob es schon zu einer Einigung kommt.Ticker Bundesrat Wahltag 7.12.