Die gute Nachricht: Thomas Jordan (58), Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), hat sich von seiner Herz-OP erholt. Das ändert allerdings nichts daran, dass die SNB mit ihrem Latein am Ende ist. Zwar warnt sie immer schriller vor einem Immo-Crash. Doch sie heizt die Blase selber weiter an – und das mit einem Argument, das nicht mehr sticht.
Ende August läutete SNB-Vizedirektor Fritz Zurbrügg (61) die Alarmglocken. Er sehe eine erhöhte Gefahr für eine Preiskorrektur im Immobilienmarkt: «Die Verwundbarkeiten sind hoch.» In der Tat: Trotz Corona verzeichnete die Schweiz im letzten Jahr fast 60’000 Nettozuwanderer – sie alle brauchen Wohnraum. Hinzu kommt: Die Konjunktur brummt wieder, und die Arbeitslosenquote sinkt. Das alles treibt die Immo-Preise weiter in die Höhe.
Die SNB warnt, hilft aber nicht
Noch wichtiger aber sind die rekordtiefen Zinsen – und die will die SNB auf keinen Fall erhöhen, wie sie letzte Woche verkündete. Paradox: «So wird sie selber zu einem Teil der Immo-Blase», sagt Donato Scognamiglio (51), Chef der Immobilienfirma Iazi. Sie trage aber nichts zur Problemlösung bei. «Sie warnt, aber sie hilft nicht.»
Mit anderen Worten: Die Warnungen der SNB nützen nichts, solange sie nicht an den Zinsen schraubt. Die Immo-Branche habe wegen des Gratis-Valiums vergessen, dass die Preise auch wieder runtergehen können, sagt Scognamiglio. Umso wichtiger sei es für Hausbesitzer, jetzt ihre Hypotheken zu amortisieren. «In den USA und in Deutschland ist die Inflation bereits da. Irgendwann gehen die Zinsen rauf.»
Bloss ist es dann für einen sanften Anstieg wohl zu spät. Den Politökonomen Joscha Wullweber (47) von der deutschen Universität Witten/Herdecke überrascht das nicht: «Die Zentralbanken stecken in einem Dilemma. Sie müssen immer mehr Geld bereitstellen, um das Gesamtsystem zu stabilisieren, obwohl dieses damit immer unsicherer wird.»
Diese Unsicherheit prägt die Märkte schon seit 2008 – als ein gigantischer Immo-Crash die Finanzwelt kollabieren liess. Warum gibt die SNB jetzt nicht Gegensteuer? «Der Immobilienmarkt ist ein Bauernopfer», sagt Immobilienexperte Andreas Loepfe (57) von der Uni Zürich. «Denn die SNB muss auch den Franken und die Konjunktur im Auge behalten. Deshalb nimmt sie in Kauf, die Immo-Blase weiter zu befeuern – und versucht gleichzeitig, den Markt verbal zu bremsen.»
Je grösser die Blase, desto grösser die Fallhöhe
Wer sich für Wohneigentum interessiere, müsse diese Entwicklung im Auge behalten, sagt Loepfe. «Sobald eine Zinserhöhung erkennbar wird, ist klar: Jetzt wird der Hauskauf gefährlich. Denn je länger mit der Konjunktur auch der Immobilienmarkt weiter angeheizt wird, desto grösser ist die Fallhöhe der Preise, wenn die Konjunkturstimuli wegfallen und die Zinserhöhungen am Horizont auftauchen.»
Der Franken sei aber immer noch «hoch bewertet», sagte die Nationalbank vor einer Woche. Nur: «Das entspricht nicht mehr der Realität», sagt Adriel Jost (36), Chef des Beratungsunternehmens WPuls. «Im Ausland ist die Kaufkraft der Währungen gesunken. Der Franken ist gegenüber dem Euro nicht mehr überbewertet – und gegenüber dem Dollar haben wir es sogar mit einer Unterbewertung zu tun.»
Hinzu kommt: Ob die Zinsdifferenz zum Ausland wirklich die Frankenstärke beeinflusst, ist sehr umstritten. Jost: «Viel entscheidender sind die vielen Schweizer Investoren, die ihr Geld zurück ins Land bringen, weil sie den sicheren Hafen suchen. Im Vergleich dazu spielt die Zinsdifferenz eine geringe Rolle.»
Deshalb sei jetzt der perfekte Zeitpunkt für einen sanften Zinsanstieg, sagt Jost. «Die Wirtschaftsaussichten sind gut, und der Franken ist fair bewertet. Die SNB muss diesen Schritt bald wagen.»