Nationalbank-Vize Zurbrügg schlägt Hypozins-Alarm
Kommt jetzt der Immo-Crash?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) warnt vor Verwerfungen am Hypothekarmarkt. Vizepräsident Fritz Zurbrügg wählt in einer Rede deutliche Worte und erklärt die Situation am Markt und mögliche Konsequenzen.
Publiziert: 01.09.2021 um 10:37 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2021 um 08:49 Uhr
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Fritz Zurbrügg (61), Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank, warnt vor Verwerfungen am Immo-Markt.
Foto: Philippe Rossier

Selten hat ein hochrangiger Vertreter der Schweizerischen Nationalbank (SNB) derart deutlich vor den Gefahren an den Immo-Märkten gewarnt. Die Notenbank erachte die Verwundbarkeit der Hypothekar- und Immobilienmärkten gegenwärtig als hoch, sagte SNB-Vizedirektor Fritz Zurbrügg (61) am Dienstag an der Universität Luzern – der Redetext liegt Blick vor.

«Wir sehen sowohl deutliche Anzeichen einer nicht nachhaltigen Hypothekarkreditvergabe wie auch eine erhöhte Gefahr einer Preiskorrektur», so Zurbrügg. Er stellte sich während seines Auftritts gleich selbst die Frage, die Experten schon seit Jahren beschäftigen: Steht jetzt der grosse Immobiliencrash bevor, platzt an den Märkten demnächst eine Blase? «Wenn Sie von mir heute Antworten auf diese Fragen erwartet haben, muss ich Sie leider enttäuschen», sagte Zurbrügg. Klar sei: «Die Verwundbarkeiten sind hoch.»

Hypothekarverschuldung hat stark zugenommen

In seiner Rede fokussierte der SNB-Vize vor allem auf das Segment der Wohnliegenschaften, «weil wir hier in der aktuellen Situation die grössten Risiken sehen». Verschiedene Indikatoren würden zeigen, dass das Hypothekarvolumen über die vergangenen Jahre stärker gewachsen sei, als die Fundamentalfaktoren erklären liessen.

So habe etwa die gesamtwirtschaftliche Hypothekarverschuldung, gemessen am Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP), seit 2009 stark zugenommen. Das gelte nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch einer historischen Betrachtung. Der Anstieg habe sich im vergangenen Jahr aufgrund des starken BIP-Rückgangs wegen der Corona-Krise noch akzentuiert.

Zurbrügg warnt vor Kreditausfällen bei steigenden Zinsen. Die Tragbarkeitsrisiken hätten seit 2014 in allen Segmenten zugenommen und lägen derzeit auf Höchstständen.

Wann Hypothekarkredite nicht mehr tragbar sind

Bei Wohnrenditeliegenschaften gälten bei einem Anstieg der Hypothekarzinsen auf 3 Prozent zwischen 20 und 30 Prozent der neu vergebenen Hypothekarkredite als nicht mehr tragbar, bei einem Anstieg der Zinsen auf 4 Prozent wären es gar rund 40 Prozent. Beim selbstgenutzten Wohneigentum lägen die entsprechenden Werte bei rund 20 bzw. 30 Prozent.

«Diese Zahlen zu den Tragbarkeitsrisiken bedeuten nicht, dass bei einem Zinsanstieg effektiv Hypothekarkredite in dieser Grössenordnung ausfallen würden», betonte Zurbrügg. Denn in die Betrachtung fliesse nur das Einkommen, nicht aber die Vermögenssituation der Kreditnehmer ein. Und die Zahlen bezögen sich nur auf neu vergebene Kredite und nicht auf bestehende.

Insgesamt habe aber die Verschuldung der Hypothekarkreditnehmer im Verhältnis zu ihren Einkommen in den letzten Jahren stark zugenommen und deren Verletzlichkeit bei einem Zinsanstieg sei markant angestiegen.

Eigentumswohnungen 30 Prozent zu teuer

Mit Blick auf die Bewertung von Wohnliegenschaften erachtet Zurbrügg diese als übersteigert. «Eine Vielzahl von Indikatoren deuten auf eine Überwertung hin, da die Entwicklung der Preise in den vergangenen Jahren stärker war, als Fundamentalfaktoren erklären können», sagte der SNB-Vize. Dies gelte für alle Wohnsegmente; also für Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser.

Das Ausmass der Überbewertung ist laut Zurbrügg nur mit grossen Unsicherheiten zu beziffern. Im Segment der Eigentumswohnungen ergäben sich je nach Berechnungsmodell 20 bis 30 Prozent zu hohe Preise.

Das droht den Banken

Zurbrüggs Fazit: «Zusammengefasst sehen wir aktuell sowohl deutliche Anzeichen einer nicht nachhaltigen Hypothekarkreditvergabe wie auch eine erhöhte Gefahr einer Preiskorrektur.» Das sei ein Risiko für die Finanzstabilität bei einem unerwarteten und raschen Zinsanstieg. «Die Banken würden bei einem abrupten und starken Zinsanstieg und gleichzeitig fallenden Immobilienpreisen substanzielle Verluste erleiden.»

Die Banken sind aktuell noch ausreichend kapitalisiert, betonte Zurbrügg. Das sei aber nicht zuletzt auf die getroffenen Massnahmen der letzten Jahre zurückzuführen, etwa die 2012 vom Bundesrat beschlossene Erhöhung der Eigenmittelanforderungen für Hypothekarkredite mit hohem Belehnungsgrad oder die verschiedentlich revidierte und verschärfte Selbstregulierung der Banken.

Insgesamt erfordere die aktuelle Situation weiterhin die volle Aufmerksamkeit der SNB, zumal das globale Tiefzinsumfeld wohl noch eine Weile bestehen bleiben werde. Die Nationalbank prüfe in diesem Zusammenhang laufend, ob der antizyklische Kapitalpuffer reaktiviert werden müsse. (nim/SDA)

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