Statt wie üblich Gold nur noch Bronze. Der gute Ruf der Migros ist kein Selbstläufer mehr, wie der jährliche Reputationsbericht von GfK – veröffentlicht vor wenigen Tagen – allen vor Augen führt. Der orange Riese habe «insbesondere bezüglich sozialmoralischer Wertschätzung verloren», schliessen die GfK-Marktforscher. Und rutscht auf den dritten Platz ab, immerhin noch ein Platz auf dem Podest.
Doch damit nicht genug: Die Migros muss nun auch noch 15 Millionen Franken abschreiben im Zusammenhang mit dem gestrauchelten Finanzjongleur René Benko (46) und seiner Signa-Gruppe. Ein Klacks im Vergleich zur Mega-Wertberichtigung, die die Migros jetzt fürs Jahr 2023 publik machte: eine halbe Milliarde Franken! Die Mehrheit davon betrifft Liegenschaften, Beteiligungen und IT-Projekte. Details dazu gibts keine.
Abschreiber wie dieser ist man vom Grossverteiler nicht gewöhnt. Die Migros hat noch nie einen Verlust gemacht. Es handle sich um das schlechteste Ergebnis seit 1985, so die Migros. Folge der Mega-Wertberichtigung: Der Gewinn stürzt um 62 Prozent auf 175 Millionen Franken ab. Im Vorjahr waren es 459 Millionen Gewinn.
Migros Bank rettet vor roten Zahlen
Ohne die Migros Bank, die 313 Millionen Franken zum Gruppen-Resultat beisteuerte, hätte die Migros rote Zahlen geschrieben. Nicht auszudenken, was ohne die Finanztochter wäre. Von einem Untergang der Migros, wie von manchen Finanzmedien hervorbeschworen, kann aber keine Rede sein.
Migros-Chef Mario Irminger (58) stellt zum wiederholten Mal in den letzten zwölf Monaten klar, dass das orange Imperium trotz Gewinn-Einbruch finanziell auf gesunden Beinen stehe und praktisch nicht fremdfinanziert sei.
Migros hat das Momentum verloren
Was aber Irminger nicht abstreiten kann: Sein Unternehmen hat gerade keinen guten Lauf, das Momentum ist der Migros abhandengekommen.
Als die GfK-Reputationsbefragung so richtig ausgerollt wurde, erfuhren Migros-Mitarbeitende und die Bevölkerung vom Mega-Abbau. Am 2. Februar stellte die Migros Hotelplan, SportX, Mibelle und Melectronics ins Schaufenster. Seitdem suchen die Tochterfirmen eine Käuferin. Im Migros-Universum haben sie keinen Platz mehr.
Neuigkeiten zum Stand der Verkäufe kann Chef Irminger am Dienstag nicht bieten, auch wenn sich dies die insgesamt betroffenen 8000 Angestellten erhofft hatten. Was den Migros-Boss gewaltig wurmen dürfte: Besonders viel Zeit braucht eine sozialverträgliche Lösung für die Dutti-Ikone Hotelplan.
Mehr zum Umbau der Migros
Und damit verstreicht kostbare Zeit, in der Rivale Coop eindeutig das Momentum auf seiner Seite hat.
Sinnbildlich hielt Coop-CEO Philipp Wyss (58) seine Bilanzmedienkonferenz nicht in einem fensterlosen Konzernkonferenzraum wie die Migros. Sondern referierte Mitte Februar im Coop-Megastore in Oberwil BL über die Geschäftszahlen – stolz und strahlend, vor staunenden Supermarkt-Kunden.
Zwar ist auch Coop im Reputationsranking abgerutscht (vom 7. auf den 8. Rang). Abgesehen davon läuft es für Wyss aber prächtig. Ein Grossumbau steht nicht an, bei den Marktanteilen konnte er zulegen.
Migros versus Coop: Zusammen beherrschen die beiden Riesen mit ihren unzähligen Firmen rund 80 Prozent des Schweizer Detailhandels. Der direkte Vergleich zeigt: Bei der Gesamtanzahl Mitarbeitenden fällt Migros nach dem Stellenabbau hinter Coop zurück.
Im Inland bleibt die Migros aber noch grösste private Arbeitgeberin. Aber auch hier kann Coop Boden gut machen. Denn auch Bike World, Do it + Garden, Obi und Micasa stehen auf dem Prüfstand. «Bei den Fachmärkten fahren wir Verluste ein, die substanziell sind und unsere Ertragskraft schmälern», sagt Irminger. Er verspricht, Entscheide im Sommer zu kommunizieren.
Noch hat die Migros beim Supermarkt-Umsatz die Nase leicht vorn. Beim Gesamtumsatz hat Coop die Rivalin überholt. Wenn alle vier Verkäufe durch sind, vergrössert sich hier der Abstand um weitere gut 3 Milliarden Franken.
Immerhin: Mit weiteren, grösseren Wertberichtigungen rechnet Irminger künftig nicht mehr: «Diese Bereinigung war notwendig und ist eine einmalige Sache.» Man wolle doch nicht in drei bis fünf Jahren wieder an der Stelle stehen, wo man heute ist.
Fragt sich nur, ob es auch drei bis fünf Jahre braucht, bis die Migros zu ihrem Lauf zurückfindet.