Corona ist am Familientisch angekommen. Nach dem grünen Licht für die Teenie-Impfung steht die Frage im Mittelpunkt: Können Eltern ihrem Nachwuchs die Corona-Spritze aufzwingen?
Die Antwort lautet: nein. Das letzte Wort haben die Jugendlichen selber. Sie haben gemäss UN-Kinderrechtskonvention das Recht, angehört zu werden und ihre Meinung frei zu äussern, und zwar in allen Belangen, die sie betreffen, schreibt Pro Juventute auf Anfrage von Blick. Eine Urteilsfähigkeit fange in der Regel bei rund 10 Jahren an.
Eine klare Grenze gibt es aber nicht. Manche Kinder sind auch mit 12 Jahren noch nicht urteilsfähig, vor allem wenn es um komplexe medizinische Behandlungen geht. Das sagt auch Kinderarzt und Medizinethiker Jürg Streuli (42). Jugendliche müssten die Notwendigkeit eines Eingriffs und dessen Folgen verstehen können, so der Mediziner. Sie müssen über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt sein.
Vetorecht der Teenager
Streuli forscht zu Ethik im Kindesalter an der Universität Zürich und ist leitender Arzt am Ostschweizer Kinderspital. «Jugendliche haben ein Recht, angehört zu werden», sagt er. «Ein Arzt muss das Vetorecht einer jugendlichen Person respektieren.»
Eltern können gegen das ausdrückliche Veto des Kindes also keine Impfung durchsetzen, meint Streuli. Der Mediziner verweist auf einen wegweisenden Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 2008.
Die Richter aus Lausanne VD hielten seinerzeit fest, dass eine 13-Jährige gegen ihren Willen von einem Osteopathen behandelt wurde. Die Mutter gab das Einverständnis. Das Kind wehrte sich, schrie, wurde aber nicht beachtet. Der Osteopath erhielt eine Geldstrafe.
Offenes Gespräch
Und die Macht der Jugendlichen zeigt sich auch, wenn sie die Corona-Impfung gegen den Willen der Eltern durchsetzen wollen. Das ist möglich. Aber auch hier ist jeder Einzelfall anders. Streuli verweist auf die Pille, die zum Teil ohne elterliches Einverständnis verschrieben wird. «Zentral ist das Wohl des Kindes», so Streuli.
Und wie sollen Eltern bei diesem Thema mit ihrem Nachwuchs umgehen? Pro Juventute rät zum Gespräch. Zum offenen Ohr für Ängste und Argumente. «Wir empfehlen den Eltern, ihr Kind auch in der Frage der Impfung anzuhören und frei entscheiden zu lassen», so die Stiftung.