Auf einen Blick
- Ems-Chemie nicht von US-Strafzöllen betroffen, Martullo-Blocher zuversichtlich für Umsatz
- Der Industriezulieferer erzielte 2024 12,9 Prozent des Umsatzes in den USA
- Trump mag die Schweiz, schätzt Innovation und Stabilität des Landes
Der Aktionismus von US-Präsident Donald Trump (78) trifft alle: Auch die weit entfernte Schweiz ist nicht davor gefeit. Kaum im Amt verkündet der US-Präsident Strafzölle für verschiedene Länder wie Mexiko, Kanada oder China. Konkrete Pläne für die Schweiz oder die EU gibt es bisher nicht – doch Trump bekräftigte letztes Wochenende nochmals, dass Zölle gegen die EU kommen werden. Das beunruhigt auch Schweizer Firmen – wie Ems-Chemie.
Geschäftsführerin Magdalena Martullo-Blocher (55) hat deswegen gleich Montag früh zu einer Krisen-Telefonkonferenz gerufen. Der Industriezulieferer machte 2024 in den USA 12,9 Prozent des Umsatzes – den Grossteil davon in der Automobilindustrie. Insgesamt sank der Umsatz 2024 um 5,4 Prozent auf 2,07 Milliarden Franken. Gleichzeitig stieg der Reingewinn leicht auf 466 Millionen Franken. Blick konnte im Rahmen der Jahresmedienkonferenz persönlich mit der Unternehmerin sprechen.
Frau Martullo-Blocher, könnten die US-Strafzölle auch Ems-Chemie treffen?
Magdalena Martullo-Blocher: Nein, wir sind nicht von den Strafzöllen betroffen.
Wieso nicht? Schliesslich macht Ems einen wichtigen Teil des Umsatzes dort.
Wir haben in den USA zwei Werke. Wir beliefern die US-Autowerke also direkt aus den USA. Eines der Werke ist auf Kunststoff spezialisiert, das zweite in Detroit auf Prozessmaterialien für die Autoindustrie. Ansonsten setzen wir auf die Schweiz als neutralen Standort.
Weshalb ist Ems so gut aufgestellt?
Man hat damit rechnen müssen, dass die Handelsbedingungen mit den USA ändern könnten. Zwischen den USA und China gab es schon immer Konflikte. Als Trump das letzte Mal Präsident war, kündigte er mit Mexiko und Kanada die Nafta-Verträge und verhandelten sie dann neu.
Sie haben auch ein Werk in Mexiko. Trump hat dort einen Strafzoll von 25 Prozent angekündigt.
Das betrifft uns auch nicht. Unser Werk in Mexiko beliefert nur die Kunden in Mexiko.
Sie sind also zuversichtlich, dass Ems den Umsatz in den USA halten kann?
Ja. Wir möchten diesen gar ausbauen. Amerika hat sehr lange auf billige Produkte gesetzt, auch beim Auto. Seit etwa fünf Jahren setzt das Land jedoch auf mehr Qualität. Damit wird es für uns interessant. Die Industrie in Amerika ist inzwischen stark in billigere Länder wie China und Mexiko abgewandert. Diese Arbeitsplätze will Trump jetzt in die USA zurückholen.
Wird ihm das gelingen?
Ich glaube nicht, dass er das im grossen Stil schafft. Bei den Investitionen könnte das besser klappen: Wenn er Investitionen finanziell unterstützt, werden mehr Firmen in den USA investieren. Aber ich glaube auch, dass viele Firmen jetzt etwas verunsichert sind wegen seiner Ankündigungen. An einem Tag sagt er das eine, am nächsten Tag etwas anderes. Das sorgt für Unsicherheit.
Wie realistisch ist es, dass die Schweiz und die USA ein Freihandelsabkommen abschliessen?
Ich beurteile das als sehr realistisch. Wir waren in der letzten Amtszeit von Präsident Trump schon sehr weit. Dann kam leider Covid, und wir konnten es nicht abschliessen. Die Republikaner signalisieren, dass sie an einem Abkommen interessiert sind. Das könnte in diesem Jahr durchaus noch verhandelt werden. Man hat immer gesagt, dass man damit im Frühling beginnen würde.
Inwiefern sind Sie beim Abkommen involviert?
Dort, wo es nötig ist. Bundesrat Guy Parmelin (65) und seine Staatssekretärin Helene Budliger sind sehr versiert. Sie konnten in letzter Zeit viele Freihandelsabkommen abschliessen und verhandeln zurzeit mit weiteren Ländern. Dafür braucht es mich nicht. Aber die Amerikaner haben gerne Unternehmer, die auch in Amerika Geschäfte machen. Gerade die Autoindustrie und Innovation ist ihnen wichtig. Ich habe auch noch Kontakt mit der Pharma- oder Maschinenindustrie. Wir arbeiten in der Schweiz alle sehr gut zusammen.
Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit in der Schweiz von der in den USA?
In Amerika läuft es einfach anders. Die Amerikaner sind in der Entwicklung stark, weil sie gerne etwas Neues haben. Sie springen auch schnell auf etwas Neues auf – zum Teil vielleicht etwas zu schnell. Die Schweiz ist da konstanter.
Sie haben gesagt, Trump liebe die Schweiz. Wie können wir das zu unserem Vorteil nutzen?
Ja, er mag die Schweiz. Die EU hat schon vor der Wahl gesagt, Trump wäre eine Katastrophe und hat ihn mehrmals angeprangert. So kann man keine gute Beziehung aufbauen. Da hat die Schweiz eine bessere Ausgangslage. Bei der Schweiz weisst du, woran du bist. Unsere Kontinuität und Stabilität wird in unsicheren Zeiten sehr geschätzt.
Was genau mag Trump an der Schweiz?
Innovation ist ihm wichtig. Die Amerikaner mögen zum Beispiel die ETH. Die Hochschule ist in der künstlichen Intelligenz führend – ohne dass wir dabei selber gross mit Firmen mitmischen. Viele amerikanische Firmen kommen in den Raum Zürich, um an dieses Know-how zu kommen. Am Schluss geht es Trump immer um die Wirtschaft. Auch uns in der Schweiz ist die Wirtschaft sehr wichtig. Diese müssen wir aussenpolitisch abstützen. Wir sehen es jetzt mit der EU, was passieren kann: Wir leiden mit.
Wenn Sie Trump morgen treffen würden, was würden Sie ihm sagen?
Ich würde ihm sagen, dass wir miteinander eine gute und grosse Zukunft vor uns haben. Und dass wir eigentlich nicht so verschieden sind. Wir sind ja beide Down-to-Earth-Unternehmer, die auch politisch für ihr Land das Beste wollen.
Politisch das Beste für die Schweiz wäre es, sich auf das Freihandelsabkommen mit den USA zu konzentrieren?
Ja, und auf den Handel mit China. In der EU hören sie einfach zu wenig auf die Leute und auf die Wirtschaft. Zwei Punkte machen mir da grosse Sorgen. Erstens, dass es der EU schlecht geht. Und zweitens, dass wir uns noch daran anhängen wollen. Die Schweiz sollte mit den EU-Verträgen nicht die Regulierung und die hohen Kosten der EU übernehmen. Ein solches Abkommen mit der EU will in Bern eigentlich sowieso niemand. Aber sie haben nicht das Rückgrat, der EU Nein zu sagen. Sie wollen die Verantwortung ans Volk abschieben, das dann EU-Recht mit Schweizer Recht vergleichen soll. Ich finde es zwar gut, dass das Volk abstimmen kann – aber hier müsste bereits der Bundesrat Nein sagen!