Trump hat die Strafzölle auf Eis gelegt – vorerst
War der Handelskrieg doch nur ein Bluff?

Der amerikanische Präsident verzichtet vorerst auf Zölle für Importe aus Mexiko und Kanada. Ökonom Reto Föllmi erklärt, welche Ziele Trump trotzdem erreicht hat und wo er Denkfehler begehe.
Publiziert: 19:55 Uhr
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Aktualisiert: 20:05 Uhr
Vorerst verhängt Donald Trump (l.) keine Strafzölle gegen Kanada. Dafür machte Justin Trudeau Zugeständnisse bei der Grenzsicherung.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

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Daniel JungRedaktor News

Mexiko und Kanada konnten hohe Strafzölle auf ihre Exporte in die USA vorerst abwenden – mindestens für einen Monat. Beide Länder überwachen dafür ihre Grenze zu den USA besser und bekämpfen grenzüberschreitende Kriminalität. Hat Donald Trump (78) mit den Zöllen hier also nur geblufft?

«Nein, einen reinen Bluff würde ich das nicht nennen», sagt Reto Föllmi (48), Professor für Makroökonomie und Aussenhandel an der Uni St. Gallen. Zölle seien ein Teil von Trumps Verhandlungsstrategie, und er habe gewisse Ziele erreicht. «Er hat die Fentanyl-Krise zum Thema gemacht», sagt Föllmi. Das Drogenelend in den USA sei tatsächlich gross, sagt der Professor, der kürzlich ein Semester in Kalifornien verbrachte. Auch die Problematik der illegalen Grenzübertritte habe Trump erneut aufs Tapet gebracht.

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In den vergangenen Tagen hatte US-Präsident Trump einen Handelskrieg mit den Nachbarn Kanada und Mexiko gestartet.
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Kurz nach seinem Amtsantritt hatte Trump gegenüber Kolumbien mit der Androhung von Strafzöllen einen Verhandlungserfolg erzielt – das Land nimmt eigene Bürger wieder unbeschränkt zurück. «Da ist Trump auf den Geschmack gekommen», vermutet Föllmi. 

Trump denke als Liegenschaftshändler stark in Deals. «Er versucht, die Verhandlungen in der Mitte des Tisches anzufangen, um mehr für sich herauszuholen.» Die USA hätten zwar eine grosse Nachfragemacht, letztlich sei eine Volkswirtschaft aber keine Firma. «Ein gegenseitiges Aufschaukeln von Zöllen schadet letztlich beiden Handelspartnern», sagt Föllmi. 

Mexiko und Kanada schützen Grenzen besser

Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum (62) versprach, 10’000 Soldaten der Nationalgarde an die Grenze zu schicken, um illegale Grenzübertritte zu stoppen und den Drogenhandel zu bekämpfen.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau (53) erklärte, Kanada setze einen Grenzplan im Umfang von 1,3 Milliarden kanadische Dollar um. Mit Hubschraubern, neuer Technologie und mehr Personal soll die Grenze besser gesichert werden.

Hat Trump also gewonnen, sind Mexiko und Kanada eingeknickt? «Ich würde hier nicht von einem Sieger sprechen», sagt Föllmi. Von guten Geschäften profitierten immer beide. «Das sollte Trump als guter Unternehmer wissen.» 

Die Importzölle gegen Mexiko und Kanada sind jedoch nicht vom Tisch, sondern nur aufgeschoben. «Das Drogenproblem und die Migration sind nicht leicht lösbar», sagt Föllmi. «Ist Trump nicht zufrieden, so könnte er die Zoll-Keule wieder auspacken.» Klar ist: Es gibt Unsicherheit. «Das ist Gift für Investitionen und Firmen auf beiden Seiten.» Zudem riskierten die USA ihren Ruf als verlässlicher Partner. 

Mit China droht ein längerer Konflikt

Gegenüber China hat Trump zusätzliche Zölle von 10 Prozent angekündigt. Diese Zölle sind gemäss Trump aber nur «eine Eröffnungssalve». Peking hat bereits Gegenmassnahmen angekündigt. 

«Mit China geht der Konflikt tiefer», sagt Wirtschaftsprofessor Föllmi, «weil da auch Sicherheitsfragen, Technologievorherrschaft und die geopolitische Vormacht zur Disposition stehen.» Es drohe ein langandauernder Konflikt, was für die Weltwirtschaft keine positive Aussicht sei. Eine Abkopplung verschiedener Wirtschaftsräume drohe. Dies sorge für Ineffizienz, weil man überall das Rad neu erfinden müsse.

Trump sehe die Weltwirtschaft zu stark als Nullsummenspiel. Exporte seien gut, Importe schlecht. «Das ist aber nicht richtig», sagt Föllmi. Die USA profitierten etwa von sehr hohen Investitionen aus dem Ausland. Und trotz seiner Grösse könne das Land nicht alle Güter selber produzieren. «Das ist der grundlegende Denkfehler», sagt Föllmi. «Trump geht mit einem Breitband-Antibiotikum vor, obwohl er das Ziel, dass alles in die USA verlagert wird, gar nicht erreichen kann.»

Europa dürfte Gegenmassnahmen ergreifen

Bald will Trump auch die EU ins Visier nehmen. Föllmi erwartet, dass auch die EU zu Gegenmassnahmen greifen wird. «Schon allein aus verhandlungstaktischer Sicht.» Ein Konflikt sei hier eine schlechte Aussicht – speziell für die deutsche Autoindustrie und ihre Schweizer Zulieferer. 

Die Schweiz direkt hat Trump bisher nicht aufs Korn genommen. «Als kleines Land können wir eher unter dem Radar fliegen», so Föllmi. Auch habe die Schweiz in Trumps erster Amtszeit ein gutes Verhältnis zu den USA gepflegt. «Schweizer Firmen müssen sich aber auf verschiedene Szenarien vorbereiten», sagt Föllmi. Gut gerüstet sei, wer verschiedene Absatzmärkte habe.

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