Luzerner Betrieb will bei Millennials punkten
Gastro-Imperium führt 4-Tage-Woche ein

Bisher waren es einzelne, eher kleinere Betriebe, welche die Vier-Tage-Woche einführten. Nun spielt einer der ganz Grossen mit: Remimag mit über 30 Hotels und Restaurants im ganzen Land und mehreren hundert Angestellten führt das Modell per sofort ein.
Publiziert: 27.05.2022 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2022 um 10:59 Uhr
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Der Luzerner Gastronom Bastian Eltschinger setzt neue Standards. Er führt ...
Foto: @DELUSSU FOTOGRAFIE
Sarah Frattaroli

Gute Nachrichten für die über 500 Angestellten des Zentralschweizer Gastro-Imperiums Remimag: Sie müssen bald nur noch vier statt fünf Tage pro Woche arbeiten! Bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit zwar, aber trotzdem: drei Tage Wochenende!

Remimag-Co-Geschäftsführer Bastian Eltschinger (41) hat sich nicht ohne Grund für das flexible Arbeitszeitmodell entschieden. «Wie die ganze Branche haben wir Mühe, genügend Personal zu finden», sagt er zu Blick. «Die Vier-Tage-Woche macht uns bei den jüngeren Bewerbern der Generationen Y und Z attraktiver.» Eltschinger spricht von den Millennials, die Freizeit oft höher gewichten als die Babyboomer vor ihnen.

In Bern eröffnet Eltschinger bald das Restaurant Röschtigrabe vor dem Bundeshaus. «Alleine da brauchen wir 60 bis 80 Leute», rechnet er vor. 40 sind schon gefunden. Weitere sollen hinzukommen – möglicherweise, weil sie vom Angebot der Vier-Tage-Woche hören. «Natürlich ist die Vier-Tage-Woche freiwillig», betont Eltschinger. Wer will, kann weiterhin an fünf statt vier Tagen arbeiten.

30 Prozent mehr Bewerbungen

Eltschinger ist mit seiner Idee nicht der erste: Immer wieder machen Hotels und Restaurants mit der Einführung der Vier-Tage-Woche Schlagzeilen. Remimag ist mit mehr als 30 Betrieben von Luzern über Zürich bis Basel nun aber das mit Abstand grösste Schweizer Gastro-Unternehmen, das auf den Zug aufspringt. Zu den Betrieben gehören unter anderem das Albisgüetli in Zürich oder das Hafenrestaurant in Zug.

Für einige seiner Betriebe hat Eltschinger das Konzept der Vier-Tage-Woche durchgespielt. «Wir haben Dienstpläne geschrieben und gesehen: Es geht.» Aber nicht immer. Kein Hotelier, kein Gastronom will, dass die Angestellten untätig rumsitzen, wenn längst alle Gäste weg sind.

Lukas Meier (32) kennt die Tücken der Umstellung auf die Vier-Tage-Woche aus eigener Erfahrung. Er ist Direktor der beiden 25-Hours-Hotels in Zürich. Dort gilt die Vier-Tage-Woche seit Anfang Mai. «Aber das kann man nicht von heute auf morgen einführen, es braucht Zeit», sagt Meier. In Küche und Service ist die Vier-Tage-Woche erst zu 70 Prozent Realität. «Um es ganz umzusetzen, fehlen uns noch ein paar Stellen.» Immerhin: Seit die 25-Hours-Hotels auf die Vier-Tage-Woche setzen, hat die Anzahl Bewerbungen um 30 Prozent zugenommen, schätzt Meier.

Drohen 15-Stunden-Tage?

Christa Augsburger (52), Direktorin der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern begrüsst es, dass mit Remimag nun ein weiterer grosser Gastronom die Vier-Tage-Woche einführt. «Die Arbeitstage mit Zimmerstunden, an denen man an fünf Tagen pro Woche gefühlt von 8 Uhr morgens bis 23 Uhr abends arbeitet, sind für die jüngeren Generationen schlicht nicht mehr tragbar.» Der Druck durch den Fachkräftemangel sei nun derart gross, dass Hoteliers und Gastronomen gar keine Wahl mehr hätten, als sich anzupassen.

Aber selbst mit der Vier-Tage-Woche wird nun nicht alles auf einen Schlag besser. Erstens sei das nur eine von vielen dringend notwendigen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, so Christa Augsburger. «Man muss auch den Lohn verbessern. Und den Mitarbeitenden auf Augenhöhe begegnen! In vielen Hotels herrscht immer noch ein streng hierarchischer und sehr autoritärer Führungsstil.»

Zweitens hat die SHL-Direktorin gewisse Bedenken, dass die Vier-Tage-Woche in einigen Fällen zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen könnte. «Es darf sicher nicht drauf rauslaufen, dass man dann 15 Stunden am Tag arbeitet. Das wäre auf Dauer nicht gesund.»

Dessen ist sich auch der Zentralschweizer Grossgastronom Eltschinger bewusst. «Wer 15 Stunden am Stück arbeitet, ist nicht produktiv. Vor allem, weil unsere Arbeit körperlich und geistig anstrengend ist.»

Kein Modell für Saisonbetriebe

Trotz aller Innovationsfreude: Die Vier-Tage-Woche ist kein Allerheilmittel. Wer einen Saisonbetrieb in den Bergen leitet zum Beispiel, ist kaum flexibel genug dafür. Auch in der kleinen Dorfbeiz mit drei Angestellten wird der Dienstplan schnell einmal ein Ding der Unmöglichkeit, wenn alle nur an vier Tagen arbeiten.

Die mehr als 500 Remimag-Angestellten jedenfalls können sich ab sofort melden, wenn sie die Vier-Tage-Woche in Anspruch nehmen wollen.

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