Der Fachkräftemangel ist die grösste Gefahr für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz. Zu diesem Schluss kommt die Beratungsfirma Deloitte in einer aktuellen Befragung von 400 Schweizer Verwaltungsratsmitgliedern. Über alle Branchen hinweg fehlen aktuell 85'000 Fachkräfte – 2025 rechnet der Stellenvermittler Dynajobs mit einem Mangel an 365'000 Fachkräften!
Denn der Jobmotor Schweiz nimmt weiter Fahrt auf: Im ersten Quartal 2022 gab es laut neusten Zahlen von Personalvermittler Adecco fast 50 Prozent mehr Stelleninserate als im Vorjahr. Der Schweizer Arbeitsmarkt erreiche damit ein Rekordhoch, so Adecco. Die Rede ist von einem «Post-Corona-Wirtschaftsboom». Arbeitskräfte hätten auf dem hiesigen Arbeitsmarkt so gute Chancen wie schon lange nicht mehr. Nur: Es fehlt an geeignetem Personal.
Der Fachkräftemangel trifft hoch spezialisierte Branchen traditionell am stärksten: Informatikerinnen, Ingenieure, Technikerinnen und Ärzte werden seit Jahren verzweifelt gesucht. Aktuell jedoch stehen andere Branchen im Fokus: jene nämlich, die von der Pandemie am härtesten getroffen wurden. Der Personalberater Michael Page kommt in einer aktuellen Erhebung zum Schluss, dass in Hotellerie und Gastronomie derzeit am meisten neue Stellen geschaffen werden.
Nicht zusammen passt das mit den verfügbaren Arbeitskräften in dieser Branche: In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Lernenden zur Restaurationsfachfrau oder zum Restaurationsfachmann um mehr als 40 Prozent eingebrochen. Bei den Köchen beträgt das Minus über 20 Prozent.
Fehlende Work-Life-Balance
Parallel zur Anzahl Lehrstellen sinkt auch das Interesse der Jugendlichen, in diese Berufe einzusteigen. Wer will schon riskieren, den Job im nächsten Lockdown zu verlieren? Hinzu kommt, dass in Hotellerie und Gastronomie Homeoffice kaum möglich ist. Für die Arbeitgeber wird das in der Rekrutierung zum Nachteil, schreiben doch gerade die jüngeren Generationen flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitarbeit und Work-Life-Balance gross.
Von ebendieser Work-Life-Balance ist bei tiefen Löhnen und regelmässigen Wochenendeinsätzen in der Hotellerie wenig zu spüren. Die Hälfte der Fachkräfte hat die Branche vier Jahre nach dem Abschluss bereits wieder verlassen. In einer aktuellen Umfrage des Temporärstellen-Vermittlers Coople geben bloss 36 Prozent der befragten Gastro-Fachkräfte an, ihrer Branche treu bleiben zu wollen.
15'000 Gesundheitsfachkräfte gesucht
Auch der akute Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen ist durch die Pandemie stärker ins Bewusstsein gerückt. Ferienstopps, Überstunden und die Arbeit in Corona-Schutzmontur vertreiben Pflegerinnen und Pfleger aus der Branche: 40 Prozent geben den Beruf frühzeitig auf. Auf dem spezialisierten Job-Portal Pflege-berufe.ch sind aktuell über 15'000 Stellen ausgeschrieben. Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage geht indes weiter auf, weil sich mit der alternden Bevölkerung auch der Bedarf an Pflegefachkräften erhöht.
Immerhin: Die Schweizer Stimmbevölkerung hat letzten Herbst die Pflegeinitiative gutgeheissen. Sie verpflichtet Bund und Kantone, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und die Ausbildung zu stärken. Dafür werden in den kommenden Jahren Hunderte Millionen Franken aufgewendet.
Quereinsteiger sollen es richten
Schnelle Besserung ist dadurch allerdings nicht in Sicht. Es dauert, bis solche Massnahmen Wirkung zeigen. Kurzfristiger helfen da Quereinsteigerprogramme. Spitäler, Städte und Hochschulen bieten Programme für einen relativ zügigen Übergang in die Pflege an. Auch Hotellerie und Gastgewerbe haben jüngst ein Quereinsteigerprogramm lanciert. In einem einjährigen Crashkurs werden Branchenfremde darin zu Köchen und Réceptionistinnen ausgebildet.
Daneben könnten auch ukrainische Flüchtlinge etwas Linderung bringen. Bisher haben sich knapp 30'000 in der Schweiz registriert. Dank des Schutzstatus S dürfen sie sofort eine Arbeit aufnehmen. Doch ihnen fehlen die Sprachkenntnisse. Unklar ist auch, wie lange sie überhaupt im Land bleiben. Gegen den Fachkräftemangel sind die Ukrainerinnen höchstens ein Puzzleteil von vielen.
Wer beim Job digitale Berührungsängste hat, dürfte es beim Jobwechsel künftig schwerer haben. «In Zukunft werden Fähigkeiten im Umgang mit neuen digitalen Technologien immer häufiger von Arbeitnehmenden erwartet», sagt Marcel Keller, Länderchef Adecco Schweiz. Der Stellenvermittler hat Schweizer Stelleninserate über die letzten sieben Jahre untersucht. Resultat: Fast die Hälfte aller Inserate verlangt heute mindestens eine digitale Kompetenz. Oft seien es aber mehrere unterschiedliche Kompetenzen gleichzeitig, die vorausgesetzt werden. Häufig verlangen Firmen digitale Grundkompetenzen, Content-Management-Fähigkeiten und Fertigkeiten im Netzwerk-, System- und Datenmanagement. Keller: «Verfügen Arbeitskräfte über besonders nachgefragte digitale Kompetenzen, dann stehen ihnen die Türen zum Arbeitsmarkt weit offen.»
Wer beim Job digitale Berührungsängste hat, dürfte es beim Jobwechsel künftig schwerer haben. «In Zukunft werden Fähigkeiten im Umgang mit neuen digitalen Technologien immer häufiger von Arbeitnehmenden erwartet», sagt Marcel Keller, Länderchef Adecco Schweiz. Der Stellenvermittler hat Schweizer Stelleninserate über die letzten sieben Jahre untersucht. Resultat: Fast die Hälfte aller Inserate verlangt heute mindestens eine digitale Kompetenz. Oft seien es aber mehrere unterschiedliche Kompetenzen gleichzeitig, die vorausgesetzt werden. Häufig verlangen Firmen digitale Grundkompetenzen, Content-Management-Fähigkeiten und Fertigkeiten im Netzwerk-, System- und Datenmanagement. Keller: «Verfügen Arbeitskräfte über besonders nachgefragte digitale Kompetenzen, dann stehen ihnen die Türen zum Arbeitsmarkt weit offen.»