Luca Della Rosa (27) hat beim Radio seinen absoluten Traumjob gefunden. Doch nun hängt er ihn an den Nagel! «Ich wollte schon als Kind Radiomoderator werden», erzählt der junge Zürcher. Und er hat es geschafft: Jeden Abend moderiert Della Rosa auf Radio 24 die Abendsendung. Er gibt den Leuten die aktuellen Verkehrsmeldungen und das Wetter durch, spielt die neusten Songs, hält sie über die aktuellsten Entwicklungen in der Ukraine-Krise auf dem Laufenden. Eine Viertelmillion Menschen hören ihm dabei zu.
Seine Leidenschaft ist nicht zu überhören und zu übersehen. Als Blick ihn im Radiostudio besucht, bedient er die Dutzenden Regler und Knöpfe vor sich mit einer spielerischen Leichtigkeit und schickt seine Nachmittagsgrüsse mit einem breiten Grinsen im Gesicht durch den Äther. Doch nun gibt Della Rosa den von ihm so geliebten Job auf.
«Das ist kein Entscheid gegen das Radio. Sondern ein Entscheid für etwas Neues», sagt er. Und zwar für die Pflege. «Irgendeiner muss es ja tun», meint er halb ironisch und spielt damit auf den Fachkräftemangel an. Mehr als 10'000 Pflegerinnen und Pfleger hat die Schweiz zu wenig. Und die Lücke wird mit der alternden Bevölkerung immer grösser.
1300 Franken Lohn
Eines der Mittel im Kampf gegen den Fachkräftemangel: Quereinsteiger wie Della Rosa. Er hat keinerlei medizinische Vorkenntnisse. In drei Jahren wird er diplomierter Pflegefachmann HF sein. In diesen Tagen geht es los. «Ich bin unglaublich nervös», gibt er zu. Seine Ausbildung besteht aus sechsmonatigen Praktika am Kantonsspital Winterthur (KSW), im Turnus mit sechs Monaten Schulunterricht.
Beim Lohn macht er grosse Abstriche. 1300 Franken pro Monat beträgt sein Bruttoeinkommen für die nächsten drei Jahre. Hinzu kommen Stipendien von 800 Franken im Monat. Seine Freundin, gelernte Bäckerin, hat sich für den gleichen Weg entschieden. Das Haushaltsbudget schrumpft auf einen Schlag um mehrere Tausend Franken. «Das geht nur, weil wir in einer günstigen Wohnung leben, ich mir mit DJ-Gigs etwas dazuverdiene, meine Eltern mich unterstützen und ich ein bisschen gespart habe», rechnet Della Rosa vor.
«Ich spüre eine gesellschaftliche Verpflichtung»
Während der Corona-Pandemie waren die Arbeitsbedingungen in der Pflege immer wieder Thema: schlechte Löhne, harte Arbeitszeiten, grosse Belastung. «Das schreckt mich nicht ab», meint Della Rosa schulterzuckend. «Ich spüre auch eine gewisse gesellschaftliche Verpflichtung.»
Aber nicht nur: Vor allem fasziniert ihn der menschliche Körper, «dieses grösste Wunder der Welt», wie er es selber poetisch formuliert. Dass sich nicht besonders viele für seinen Weg entscheiden, erstaunt ihn hingegen wenig. «Die Anmeldung war ein Riesenaufwand mit viel Bürokratie und zog sich über Monate hin. Und dann auch noch der bescheidene Lohn während der Ausbildung. Da muss man sich nicht über den Fachkräftemangel wundern», kritisiert er.
Den Radiojob wird Luca Della Rosa vermissen. Aber er freue sich auch darauf, nicht mehr ständig im Rampenlicht stehen zu müssen. «Im Radio gibt es diese ‹Happy-Welt›. Ich erzähle eine spannende Geschichte und schenke den Leuten damit ein paar gute Minuten. Aber danach ist es verflogen.» In der Pflege hofft er auf nachhaltigere Sinnhaftigkeit.
Trotzdem ist er sich bewusst, dass ihn die harten Arbeitsbedingungen im Spital auffressen könnten. «Finde ich diese Entscheidung in fünf Jahren immer noch toll? Ich weiss es nicht. Aber herausfinden kann ich es nur, wenn ich es probiere.»