Auf einen Blick
- Schweizer Pharma besorgt über Trumps zweite Amtszeit und mögliche Auswirkungen
- Lobbying und Diplomatie zur Sicherung des Status quo in den USA
- Roche gab durchschnittlich 8,4 Millionen Dollar pro Jahr für US-Lobbying aus
568’958 US-Dollar spendeten Mitarbeitende von Roche im Wahlkampf für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris (60). Donald Trump (78) erhielt von den Angestellten des grössten Schweizer Pharmakonzerns gerade einmal 31’558 Dollar, wie die Datenbank der Nichtregierungsorganisation Open Secrets zeigt. Bei Novartis waren die Sympathien ähnlich einseitig verteilt.
Das Rennen machte trotzdem der Republikaner – und in der Schweizer Pharmaindustrie herrscht grosse Unsicherheit: Geht Trump mit Strafzöllen gegen den massiven Exportüberschuss der Schweiz vor? Wird sich die neue US-Regierung, wie im Wahlkampf verkündet, tatsächlich für eine radikale Senkung der Medikamentenpreise einsetzen? Und was bedeutet es, dass der neue Gesundheitsminister aller Voraussicht nach Robert F. Kennedy (70) heissen wird, ein erklärter Impfgegner und Anhänger diverser Verschwörungstheorien?
Wenn Trumps zweite Amtszeit in der kommenden Woche beginnt, steht für Roche, Novartis & Co. einiges auf dem Spiel. Seit Anfang der 2000er-Jahre hat sich der US-Anteil an den Schweizer Pharma-Exporten mehr als verdoppelt. Von Ausfuhren im Gesamtwert von 109 Milliarden Franken gingen 2022 mehr als ein Viertel in die grösste Volkswirtschaft der Welt.
Keine Preisdiskussionen mit den Behörden
Dabei profitierten Schweizer Firmen nicht zuletzt davon, dass der US-Gesundheitsmarkt fast vollständig liberalisiert ist. Die Preise für Medikamente und Therapien bestimmt der Markt, oder besser: der Hersteller. In fast allen anderen Ländern der Welt hingegen, auch der Schweiz, müssen die Vergütungstarife mit Gesundheits- und Zulassungsbehörden ausgehandelt werden.
Aufgrund ihrer Freiheiten verdienen Pharmafirmen in den USA so viel Geld wie nirgends sonst. Anders ausgedrückt: Die Patientinnen und Patienten finanzieren in den Vereinigten Staaten nicht nur ihre eigene Therapie, sondern indirekt auch die ihrer Leidensgenossen in anderen Ländern, die Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die Millionengehälter und Milliardengewinne der Pharmakonzerne.
Das ist auch an der Jahresmedienkonferenz des Branchenverbands Interpharma unbestritten. Geschäftsführer René Buholzer (56) hofft deshalb im Sinne seiner Mitglieder, dass sich dies nicht so schnell ändern wird – trotz Trumps Kampfansagen: «Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten haben sich die Senkung der Medikamentenpreise schon seit Jahren auf die Fahne geschrieben. Dennoch hatte ein radikaler Systemwechsel bisher nie eine Chance im Kongress.»
Hoffen reicht Big Pharma nicht
Auch was die Einführung von Importzöllen betrifft, setzt Buholzer darauf, dass Trumps Taten weniger weit gehen werden als seine Reden: «Die Schweiz investiert in den USA jährlich mehr als 14 Milliarden Franken in Forschung und Entwicklung und exportiert pharmazeutische Produkte im Wert von 28 Milliarden, die durch protektionistische Massnahmen gefährdet wären. Beide Länder haben also ein Interesse an einer guten und zukunftsfähigen Zusammenarbeit.»
Hoffen alleine genügt Big Pharma aber nicht. Um den Status quo zu sichern, wird hinter den Kulissen kräftig lobbyiert.
Die Schweizer Pharmariesen gehören gemäss Erhebungen von Open Secrets zu den aktivsten Konzernen in Washington. Die jährlichen Ausgaben von Roche für Lobbying in den USA summierten sich in den vergangenen zehn Jahren auf durchschnittlich 8,4 Millionen Dollar. Damit gehören die Basler zu den Top 30 aller erfassten Unternehmen. Novartis gab seit 2015 durchschnittlich 6,5 Millionen Dollar für das US-Lobbying aus.
Ob diese Ausgaben angesichts der aktuellen Herausforderungen weiter steigen werden, wollen beide Konzerne auf Anfrage von Blick nicht kommentieren.
In geübter PR-Diplomatensprache hält die Medienstelle von Roche fest: «Unsere Tochtergesellschaften in den Vereinigten Staaten werden weiterhin mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, um sich für politische Massnahmen einzusetzen, die Hindernisse für den Zugang von Patienten beseitigen, ein gerechteres und erschwinglicheres Gesundheitssystem schaffen und es unserer Branche ermöglichen, weiterhin Innovationen im Interesse der Patienten zu entwickeln.»
Bund reaktiviert Kontaktnetzwerk
Der Bund gewährt etwas mehr Einblick und teilt mit, dass die Schweizer Botschaft in Washington über ein «umfangreiches Kontaktnetzwerk» verfüge, zu dem insbesondere designierte Mitglieder der neuen Trump-Regierung gehörten.
«Unsere Botschaft hat in den letzten Monaten aktiv daran gearbeitet, dieses Kontaktnetzwerk weiter auszubauen, um Mitgliedern des Bundesrats und anderen offiziellen Vertretern der Schweiz einen schnellen und konstruktiven Dialog mit ihren künftigen Amtskollegen zu ermöglichen», sagt Fabian Maienfisch, Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).
Dabei liegt der Fokus nicht zuletzt darauf, die Bedeutung der Schweiz als Geldgeber hervorzuheben. Vor einigen Jahren publizierte das EDA eine Broschüre, die für jeden US-Bundesstaat aufzeigt, welchen «Impact» die Schweiz dort hat. Die Aufstellung werde nun für die Trump-Administration aktualisiert. Maienfisch: «Die Broschüre soll in den kommenden Wochen aufdatiert publiziert werden.»
Roche ein US-Unternehmen?
Die schweizerisch-amerikanische Handelskammer betont ebenfalls ihre guten Kontakte zur neuen Regierung in Washington.
Der neue CEO Rahul Sahgal (47), von 2017 bis 2021 in Washington Leiter der Finanz- und Steuerabteilung in der Schweizer Botschaft, glaubt nicht, dass die Handelsbeziehungen ernsthaften Schaden nehmen werden: «Vielleicht gibt es einzelne Massnahmen, die für die Schweiz wenig erfreulich sind, etwa bei den Medikamentenpreisen. Einen grossen Umbruch erwarte ich aber nicht.»
Auch Sahgal betrachtet die Präsenz vor Ort als grossen Trumpf für die Schweiz. Dies habe in der Vergangenheit zum Teil überraschende Folgen gehabt: «Während der Pandemie pries Trump die Roche-Tests als amerikanische Errungenschaft. Das zeigt, wie stark wir in den USA verankert sind.»
Für die Schweizer Pharmaindustrie bleibt zu hoffen, dass der neue und alte US-Präsident seine Lobeshymnen von damals nicht vergessen hat.