Die Pandemie ist Geschichte. Doch wie viel Steuergelder die Schweiz für den Kauf von 61 Millionen Dosen Covid-19-Impfstoff aufgewendet hat, erfuhr die Öffentlichkeit bis heute nicht. Der Bund rückte die Vereinbarungen mit den Pharmakonzernen bisher nur stark zensiert heraus.
Derzeit kämpft das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor dem Bundesverwaltungsgericht dafür, die Preis- und Zahlungsinformationen weiter unter Verschluss halten zu dürfen. Konkret geht es um eine Vereinbarung mit dem US-Unternehmen Novavax. Am 29. April reichte der Leiter der BAG-Rechtsabteilung seine Argumente ein, mit denen er das Gericht überzeugen möchte, die Behörde in diesem Fall von ihrer Transparenzpflicht zu befreien.
BAG macht Druck aus dem Ausland geltend
Kernargument des BAG: Bei Vertragsabschluss habe die Schweiz seinen Partnern Vertraulichkeit zugesichert – sowohl den Impfstoffherstellern als auch den Partnerstaaten Frankreich und Schweden, über die ein Teil der Impfdosen beschafft worden war.
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Das ist unbestritten. Doch in der Stellungnahme, die Blick vorliegt, werden auch Argumente vorgebracht, die höchst fragwürdig erscheinen – zumindest auf Basis der vorliegenden Dokumente. Unter anderem erweckt das BAG den Eindruck, Frankreich und Schweden setzten die Schweiz unter Druck, Preis- und Zahlungsinformationen unter Verschluss zu halten.
Der BAG-Chefjurist hält schriftlich fest, Frankreich und Schweden hätten anlässlich der Konsultation des BAG «bekräftigt», dass die in den publizierten Vereinbarungen geschwärzten Passagen «nicht offengelegt werden sollen».
In einer Verfügung vom 22. Dezember 2023 formulierte das BAG sogar noch etwas schärfer: «Sowohl Frankreich als auch Schweden haben gegenüber dem BAG bekräftigt, dass die in den publizierten Vereinbarungen geschwärzten Passagen nicht offengelegt werden dürfen.»
Schweden: Mischen uns nicht ein
Um diese Aussage zu belegen, legte das BAG dem Gericht den Mailverkehr mit den Kollegen in Frankreich und Schweden vor. Auch diese Dokumente konnte die Redaktion einsehen. Im Gegensatz zum BAG vermag Blick darin aber keinerlei Druckversuche erkennen, die Vertragsdetails unter Verschluss zu halten.
Zwar legten Vertreter von «Santé publique France» in einem Mail vom Mai 2022 dar, aus welchen Gründen Frankreich selbst gewisse Informationen unkenntlich mache. Eine explizite Aufforderung an die Adresse der Schweiz, auf eine Publikation dieser Informationen ebenfalls zu verzichten, ist dem Dokument aber nicht zu entnehmen. Am 14. Dezember 2023 «bestätigte» Frankreich diese Position.
Noch klarer ist der Austausch mit Schweden. Dort wird die Nichteinmischung in Schweizer Angelegenheiten ausdrücklich festgehalten.
Am 21. Dezember 2023 schrieb ein schwedischer Regierungsvertreter dem BAG, dass Stockholm bisher keine Preisinformationen veröffentlicht habe, hielt aber zugleich fest: «Sweden will refrain from commenting on what information Switzerland can disclose in the contract in relation to Astrazeneca or other covid-19 vaccine manufacturers.»
Frei übersetzt: «Schweden sieht davon ab, sich zu der Frage zu äussern, welche Informationen die Schweiz aus dem Vertrag mit Astrazeneca oder anderen Herstellern von Covid-19-Impfstoffen offenlegen kann.»
Das BAG schweigt
Nur: Wie kommt die Behörde von Direktorin Anne Lévy (52) dazu, in ihrer Verfügung zu behaupten, Frankreich und Schweden hätten «bekräftigt», die geschwärzten Passagen dürften nicht offengelegt werden?
Auf Anfrage von Blick schreibt ein Sprecher des Amts: «Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir dazu keine Auskunft geben.»
Erzwungen hat die fragwürdige Argumentation des BAG Rémy Wyssmann (56), Rechtsanwalt und SVP-Nationalrat aus Solothurn. Er hat gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz gemeinsam mit anderen die Herausgabe der ungeschwärzten Impfverträge verlangt.
Ende November 2023 gab Adrian Lobsiger (64), Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (EDÖB), den Gesuchstellern in einer Empfehlung recht. Er hielt das BAG dazu an, die Vereinbarungen mit Moderna, Pfizer und Co. offenzulegen. Doch die Behörde widersetzte sich der Empfehlung und hielt mittels Verfügung an den Schwärzungen fest. Wyssmann hat unterdessen im Fall Novavax gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.