Wer eine Kaffeemaschine bestellt, muss sich gedulden. Das gleiche Bild bietet sich auch bei Tablets, Staubsaugern und Autos. Die weltweiten Lieferketten sind aus dem Gleichgewicht geraten. Wegen Corona waren wichtige Häfen lange geschlossen oder liefen nur eingeschränkt.
Ausserdem waren die Konsumentinnen und Konsumenten im Pandemie-Jahr 2020 zurückhaltend. Jetzt shoppen sie umso mehr. Die Nachfrage erreicht neue Höchstwerte – und die Lieferengpässe spitzen sich zu.
Von Weihnachtsgeschenken bis Holz
Die Engpässe werden wohl noch eine Weile anhalten, sagte Ökonom Jan-Egbert Sturm (52), Leiter der ETH Konjunkturforschungsstelle (KOF), kürzlich in einem Interview mit Blick. Andere stimmen nun in den Klageruf ein: 80 Prozent der Schweizer Unternehmen sind wegen der Lieferprobleme in Schwierigkeiten. Das zeigt eine Umfrage des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse unter seinen Mitgliedern.
Die befragten Firmen geben an, dass sie Mühe im Einkauf haben. Betroffen sind längst nicht nur die grossen Detailhändler, die um ihr Weihnachtsgeschäft fürchten. Sondern auch Bau- und Industriefirmen, schreibt Economiesuisse. Sie kommen kaum an Stahl, Aluminium und Holz.
Aber auch Vorprodukte wie Halbleiter, Kunststoffe und chemische Erzeugnisse sind von den Engpässen betroffen. Zudem belasten laut Economiesuisse die gestiegenen Energiepreise die Unternehmen.
Jedes fünfte Unternehmen muss Aufträge stornieren
Besonders prekär: Die Schweizer Firmen erwarten kein baldiges Ende der globalen Lieferengpässe. Erst im Verlauf des Jahres 2022 rechnen sie mit einer Verbesserung der Lage. Economiesuisse warnt daher: Die Lieferengpässe werden für die Schweiz zum Konjunkturrisiko!
Rund 20 Prozent der befragten Schweizer Unternehmen müssen wegen der Engpässe bestehende Aufträge stornieren oder neue Aufträge ablehnen. Mehr als die Hälfte der betroffenen Unternehmen berichtet zudem von Umsatzausfällen.
Als Reaktion stocken viele Unternehmen nun ihre Lager auf, schreibt Economiesuisse. Etwa die Hälfte suche nach neuen Lieferanten in anderen Ländern.
Allen Hiobsbotschaften zum Trotz: Ein Personalabbau steht aktuell noch nicht zur Debatte. Sechs Prozent der Unternehmen geben aber an, dass sie möglicherweise die Kurzarbeit erhöhen werden. Dabei handelt es sich vor allem um Zulieferer der Autoindustrie. Bundespräsident Guy Parmelin (61) hatte jüngst im Sonntagsblick gewarnt, dass die Lieferengpässe zu einer Erhöhung der Kurzarbeit führen könnten. Er scheint Recht zu behalten.
Preiserhöhungen von rund 5 Prozent
Auch für die Konsumentinnen und Konsumenten haben die Turbulenzen happige Folgen: Die Hälfte der Unternehmen hat die Preise bereits erhöht. Weitere planen einen solchen Schritt in den nächsten sechs Monaten. Insgesamt rechnen die befragten Unternehmen mit einem Preisanstieg von rund fünf Prozent über alle betroffenen Güter hinweg.
Gesamtwirtschaftlich erhöhen die steigenden Preise für Rohstoffe, Energie und Vorprodukt das Inflationsrisiko, so Economiesuisse. Die längeren Wartezeiten, Planungsschwierigkeiten und folglich auch Umsatzausfälle verhinderten zudem eine rasche Erholung der Konjunktur, was die Wirtschaftsaussichten für 2022 erheblich trüben könnte.
Für die Studie befragte Economiesuisse Mitte Oktober 237 Firmen. Zudem gaben 20 Branchenverbände eine Antwort für ihre Branche ab. (SDA/sfa)