Hier droht Kurzarbeit wegen Chipmangel
Jetzt schlagen Lieferengpässe auf die Schweiz durch

Auf der Welt herrscht Chipmangel. Das hinterlässt auch in der Schweiz zunehmend Spuren. Erste Autozulieferer haben mittlerweile Kurzarbeit eingeführt. Andere ziehen diesen Schritt in Erwägung.
Publiziert: 20.10.2021 um 13:42 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2021 um 15:15 Uhr
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Die Automobilbranche hat derzeit einen schweren Stand.
Foto: imago/Rainer Weisflog

Eigentlich ist das Herz eines Autos der Motor. Aber jede Schraube, jede Leiterplatte, jeder Chip brauchts für ein funktionierendes Fahrzeug. Weltweit sind derzeit Halbleiter knapp. Dasselbe gilt für Harz oder Stahl. Das belastet die Autoindustrie. In der Folge haben viele grosse Autohersteller ihre Produktion herunterfahren müssen.

Allein wegen der fehlenden Halbleiter dürften der Branche dieses Jahr Einnahmen in Höhe von 210 Milliarden US-Dollar entgehen, prognostizierte die Beratungsfirma Alix Partners. Andere Schätzungen gehen von einer Auto-Minderproduktion zwischen 9 und 11 Millionen Stück aus.

Umsatzeinbussen lassen sich auch bei Schweizer Zulieferern nicht verhindern. Die in der Komponentenfertigung und im Baubedarfshandel tätige SFS-Gruppe mit Sitz in Heerbrugg im Rheintal erwirtschaftete im ersten Semester knapp einen Viertel des Umsatzes von rund 960 Millionen Franken im Kundensegment Automotive. «Wir sind vom Chipmangel nicht direkt betroffen, aber über unsere Kunden», sagte ein Sprecher gegenüber AWP.

Erste Unternehmen mit Kurzarbeit

Die Kunden würden wegen der geringeren Produktion weniger Produkte bei SFS abrufen, was auch den Umsatz beeinträchtige, so der Sprecher weiter. SFS habe deshalb im September im Werk in Heerbrugg Kurzarbeit eingeführt, allerdings nur für die Mitarbeiter im Bereich Automotive.

Auch Feintool und der Autozulieferer Autoneum, der etwa auf die Herstellung von Wärme und Schall dämpfenden Unterbodenelementen spezialisiert ist, haben bereits Kurzarbeit eingeführt. «Am Schweizer Produktionsstandort in Sevelen befinden sich die Mitarbeitenden seit Oktober in Kurzarbeit», erklärte gegenüber AWP eine Sprecherin von Autoneum.

Schuld ist die schnelle Wirtschaftserholung

Laut Jan-Egbert Sturm (52) von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH-Zürich gibt es zwei Gründe für die jetzigen Engpässe: Einerseits hätten viele Firmen in der Pandemie die Produktion heruntergefahren. Jetzt wird aber wieder mehr produziert. Aber: «Das Ausschalten geht schnell und zügig, das Wiederhochfahren dagegen ist schwieriger. Denn es müssen Prozesse angeschoben und Lieferketten wieder aufeinander abgestimmt werden.»

Andererseits habe sich die Nachfrage der Konsumenten in der Pandemie verschoben, so Sturm. «Von Dienstleistungen, die nicht mehr möglich waren, hin zu Konsumgütern, die wir auch wirklich kaufen konnten.» Der Nachfrageboom in dieser Güterwelt sei ungebrochen hoch, da hinke die Produktion noch hinterher.

E-Autos federn die Abwärtsspirale ab

Zurück zur Autoproduktionslinie: Die Werke von Autoneum seien indes – abhängig von den Lieferabrufen der jeweiligen Kunden – unterschiedlich stark von der aktuellen Marktentwicklung infolge des Halbleitermangels betroffen.

Bei Feintool sind gemäss Aussagen einer Sprecherin die Abrufe von Kunden «äusserst kurzfristig» geworden, was die Voraussehbarkeit im Vergleich zum ersten Semester sehr erschwere.

In einzelnen Werken in Deutschland und der Schweiz herrsche deshalb seit dem dritten Quartal Kurzarbeit. «Andererseits ist beispielsweise die Prototypen-Entwicklungen mit Schwerpunkt e-Mobilität sehr gut ausgelastet und nicht davon betroffen»

«Kurzarbeit wird geprüft»

Georg Fischer (GF) zieht Kurzarbeit zumindest in Erwägung. Mit einem Jahresumsatz von zuletzt 3,2 Milliarden Franken gehört GF zu den grösseren Industrieunternehmen in der Schweiz und blickt am Standort Schaffhausen auf eine lange Tradition zurück. Nach einem Umbau in den vergangenen Jahren hat das Unternehmen die Abhängigkeit vom Automobilsektor reduziert, der Anteil liegt aber noch immer bei rund einem Viertel.

«GF ist nur zum Teil im Autozulieferergeschäft tätig, primär ist ein Teil des Geschäfts von GF Casting Solutions betroffen», liess ein Sprecher wissen. Der andauernde Mangel an Halbleitern führe zu erhöhter Volatilität bei Kundenabrufen in allen Werken von GF Casting Solutions in der EU, China und in den USA.

Und die Abrufe der Hersteller erfolgten auf einem tieferen Niveau und kurzfristiger als in der Vergangenheit. «Verlässliche Aussagen zu den Auswirkungen auf den Geschäftsgang sind aus heutiger Sicht nicht möglich. Kurzarbeit an verschiedenen Standorten wird derzeit geprüft», fügte er an.

Umsatzeinbussen bei Westschweizer Firma

Auch Lem, ein in der Westschweiz beheimateter Hersteller von Elektronikkomponenten, hat im Geschäftsjahr 2020/21 (per Ende März) rund einen Viertel seines Konzernumsatzes von gut 300 Millionen Franken, also 75 Millionen, mit der Division Automotive erzielt. Der Grossteil davon entfällt auf Teile für das Batteriemanagement, Lem liefert aber auch Teile für die Motorkontrolle und für Ladegeräte.

Lem-Finanzchef Andrea Borla liess auf schriftliche Anfrage von AWP verlauten, dass Lem von den Produktionskürzungen im Automobilsektor betroffen sei und dass es auch zu Umsatzeinbussen komme. Zur Höhe dieser Ausfälle machte er allerdings keine Angaben. Kurzarbeit stehe deswegen bei Lem aber nicht zur Debatte.

Keine rasche Besserung erwartet

Bei Adval Tech hält man sich diese Tür zumindest offen. Beim Spezialisten für Komponenten und Baugruppen aus Metall und aus Kunststoff hiess es, dass man als Publikumsgesellschaft zwar keine Prognosen kommunizieren könne, dass es aber eine Tatsache sei, dass wegen der Produktionskürzungen weniger Bedarf seitens der Kunden bestehe.

Die Option Kurzarbeit halte man sich offen, sofern dies die lokalen Gesetzte erlaubten. Zuerst sollen aber alle anderen Massnahmen wie der Abbau von Überzeit- und Ferienguthaben realisiert werden. Wie Finanzchef Borla von Lem rechnen die meisten der angefragten Unternehmen mit einer Entspannung in den Lieferketten eher erst gegen Ende 2022 oder gar erst im Jahr 2023.

Der ebenfalls angesprochene Komponentenhersteller Schaffner hat Ende September das Geschäftsjahr 2020/21 abgeschlossen und will sich dazu bis zur Bilanzmedienkonferenz vom 7. Dezember nicht äussern. Das gleiche gilt für die Industriegruppe Huber+Suhner, welche am Donnerstag dieser Woche die Zahlen zum dritten Quartal vorlegen wird. (SDA/gif)

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