Die Konsumgesellschaft muss einstecken. War bisher praktisch jedes gewünschte Produkt schnell zu haben, gibt es nun massive Lieferengpässe. Und zwar in allen Bereichen.
Gründe dafür gibt es mehrere: Corona, Wetter, mangelnde Rohstoffe sowie die nach der Pandemie steigende Nachfrage. Diese wird teilweise schamlos ausgenützt, indem Firmen ihr Angebot bewusst drosseln, um die Preise in die Höhe zu treiben und abkassieren zu können.
Blick zeigt, wo die grössten Probleme liegen.
Transport
Ein Schiff, das den Suezkanal tagelang blockiert, ein gigantischer Schiffsstau wegen Corona-Ansteckungen vor Chinas Häfen: Die Lieferketten sind weltweit unterbrochen.
Auch auf europäischen Strassen bleibt Ware liegen, weil es bei den Lastwagenfahrern an Nachwuchs fehlt. Die britische Marktforschungsfirma TI schätzt, dass in Europa rund 400'000 Fahrer fehlen.
Kaspar Engeli (57), Direktor von Handel Schweiz: «Die Schweiz ist vor allem massiv bei Gütern aus Asien betroffen.» Lastwagenchauffeure seien in der Schweiz hingegen nicht das grosse Problem, da man auf Schiene oder Rhein ausweichen könne.
Ein Ärgernis seien Reedereien, die ihre Schiffe mit Absicht zurückhaltend zur Verfügung stellten. Engeli: «Sie spielen taktische Spiele und treiben bewusst die Preise in die Höhe. Gewisse führen eine Preispolitik wie früher die Opec beim Erdöl.» In Afrika stünden viele Container leer herum, die wegen der hohen Transportpreise niemand abholen wolle.
Betroffen: Velos, Möbel, Lebensmittel und viele andere Importgüter vor allem aus Asien
Energie
Es wird ein harter Winter. Denn global ist das Gas zurzeit sehr knapp, unter anderem wegen des vergangenen Winters, der lang und frostig war. Zudem bringt Nigeria als einer der wichtigsten Lieferanten weniger Gas auf den Markt als sonst. Auch Russland hat den Gasexport nach Europa gedrosselt, was die Preise in die Höhe treibt.
Wegen fehlenden Windes kommt auch massiv weniger Ökostrom aus Windkraftwerken im Meer. CNN warnt, dass in Europa «Hunderte Millionen Menschen» frieren und auf hohen Stromrechnungen sitzen würden. Zudem verteuert die fehlende Energie auch die Herstellungskosten von Produkten aller Art.
Betroffen: Heizungen, Produktion von Waren
Halbleiter
Ohne Halbleiter keine Chips. Wegen Rohstoffmangel, Spannungen zwischen China und den USA sowie Corona ist der Halbleiter-Markt zusammengebrochen. Er vermag die nach der Pandemie wieder steigende Nachfrage nicht zu sättigen. Die Folgen sind überall dort zu spüren, wo es Elektronik drin hat.
Laut Prognosen werden dieses Jahr weltweit 7,7 Millionen Autos weniger produziert werden können. Gewisse Marken ersetzen Digital-Tachometer durch herkömmliche Zeiger und verzichten auf Assistenzsysteme.
«Viele Produzenten haben bei Corona die Lager geleert und wollen sie nun wieder aufbauen», sagt Kaspar Engeli.
Betroffen: Autos, Handys, Computer, Spielkonsolen, TV-Geräte, Steuerungselemente
Textilien
Wegen steigender Corona-Zahlen im wichtigen Produktionsland Vietnam stockt die Herstellung von Sportartikeln, so unter anderem bei Adidas, Puma, Nike und auch dem Schweizer Sportschuhhersteller On. Es fehlt an Kleidern und vor allem Wanderschuhen, nach denen nach der Covid-Krise eine enorme Nachfrage besteht.
Betroffen: Kleider, Schuhe, Zelte
Holz
Es fehlt an Papier, um Zeitungen zu drucken, an Karton für Verpackungen und den Online-Versand sowie auch an Material, um Häuser und Möbel herzustellen. Ikea hat das Sortiment gestrafft und Stücke wie das beliebte Billy-Regal aus dem Programm genommen.
Grund für die Holzknappheit: Chinas ständig wachsende Wirtschaft sowie eine Käferplage, die Kanada als Holzlieferant für die USA ausfallen lässt. Weil Russland ab 2022 den Export von Rundholz verbietet, um die eigene Wirtschaft zu fördern, steigen die Holzpreise massiv an.
Die Papierknappheit führt zu einem Run auf Altpapier. Beat Kneubühler (49), Geschäftsführer Verein Recycling Papier und Karton: «Die Preise sind seit Beginn der Pandemie um das Zwei- bis Dreifache angestiegen.» Wegen der Nachfrage nach Verpackungen wanderten teilweise bessere Altpapierqualitäten in diesen Bereich ab, was die Knappheit an Papier weiter verschärfe.
Betroffen: Baustoffe, Möbel, Papier, Verpackungen, Heizungen
Kunststoff
Mit Beginn der Pandemie standen auch bei Kunststoff die Zeichen zunächst auf Flaute. Aber dann setzte die grosse Nachfrage ein. Doch fehlende Rohstoffe und ein hoher Energieaufwand führen zu erhöhten Preisen.
Betroffen: alle Plastikprodukte, Autopneus