Gekappte Lieferketten
Bundespräsident Parmelin befürchtet mehr Kurzarbeit

Dem Wirtschaftsminister machen die unterbrochenen Lieferketten Sorgen. Der harte Abstimmungskampf ums Covid-Gesetz aber nicht.
Publiziert: 24.10.2021 um 11:13 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2021 um 11:20 Uhr
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Bundespräsident Guy Parmelin an der gestrigen SVP Delegiertenversammlung in Montricher VD.
Foto: keystone-sda.ch
Interview: Simon Marti

Herr Bundespräsident, bei Ihrer Partei ist der Ärger über die Pandemie-Politik des Bundesrats gross. Was sagen Sie jenen, die das Zertifikat und das Covid-Gesetz ablehnen?
Guy Parmelin: Das ist eine legitime und ständige Diskussion. Der Bundesrat bemüht sich um eine Politik im allgemeinen Interesse. Jede Woche diskutieren wir: Was können wir anpassen? Wo können mir mehr Flexibilität beschliessen? Der Bundesrat hat nur ein Ziel: so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren. Dabei können unvorhergesehene Dinge passieren wie die neue Corona-Variante, die zwar offenbar nicht gefährlicher ist, aber ansteckender. Damit umzugehen, ist nicht einfach. Ich erhalte auch viele Briefe von SVP-Mitgliedern, die die Massnahmen verstehen.
Wie begegnen Sie aber dem Vorwurf, gerade von der SVP, der Bundesrat spalte mit seinem Kurs die Bevölkerung?
Die Parteien spielen ihre Rolle, der Bundesrat seine.

Ja, aber das ist ein harter Vorwurf an die Adresse des Bundesrats, zu dem Sie gehören.
Es gibt auch viele Leute, die sagen, die Massnahmen seien nicht streng genug. Der Bundesrat will die Gesundheit schützen und zugleich die Probleme der Wirtschaft lösen. Wir wollen keinen neuen Lockdown. Diese Lage bringt immer wieder neue Schwierigkeiten mit sich und sie ist noch nicht zu Ende.

Spricht da der Wirtschaftsminister aus Ihnen?
Schauen Sie, ich war am Donnerstag im Kanton Neuenburg. Dort sah ich, dass die Wirtschaft sehr gut läuft. Die Firmen aber bekommen mehr und mehr Probleme, weil viele Lieferketten unterbrochen sind. Es könnte sein, dass wir nächstes Jahr wieder vermehrt auf Kurzarbeit zurückgreifen müssen. Nicht weil keine Arbeit da ist, sondern weil Einzelteile oder Material fehlen, um Produkte fertigstellen zu können. Verschärft sich diese Krise in anderen Ländern, fällt das auf die Schweiz zurück.

Was würde, auch vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund, ein Nein zum Covid-Gesetz bedeuten?
Bundesrat und Parlament haben eine Entscheidung gefällt, Kollege Berset und ich haben an einer Pressekonferenz die Vorlage erklärt. Verschiedene Kreise haben ihren Widerstand angekündigt, das ist der normale Prozess.

Wäre ein Nein gefährlich?
Ein Nein hätte sicher Auswirkungen. Wir müssten ab März etwas Neues finden, um das Zertifikat zu ersetzen. Das könnte auf internationaler Ebene Probleme geben. Und die Ausweitung der Kurzarbeitsentschädigung auf 24 Monate ist auch in diesem Gesetz drin. Jetzt beginnt der Abstimmungskampf, Bilanz ziehen wir am 28. November.

Die SVP hat eine Resolution gegen die Städte verabschiedet, Sie als Bundespräsident aber vertreten die gesamte Schweiz. Ist Ihnen noch wohl, wenn Ihre Partei Stimmung gegen bestimmte Teile der Bevölkerung macht?
Die Parteien haben alle ihre Themen und Programme. Noch einmal, die Regierung hat eine andere Rolle. Wir sind verpflichtet, im Interesse der Allgemeinheit zu handeln, und suchen pragmatische Lösungen. Die Diskussionen, die Sie ansprechen, gehören zur direkten Demokratie dazu. Solange Drohungen und Gewalt ausgeschlossen sind, ist für mich auch eine harte Auseinandersetzung okay. Übrigens: Auch der Abstimmungskampf um die Pestizid-Initiativen war in Teilen grenzwertig.

Ist es eigentlich schlimm für Sie, dass Sie viel Zeit im linken Bern verbringen müssen?
Nein, ich lebe gerne in Bern (lacht). Es ist eine schöne Stadt!


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