Krise bei Meyer Burger
Diese Manager tragen Mitschuld am Niedergang

Die Traditionsfirma steht am Abgrund. Dabei schien der Solarspezialist doch gut gerüstet für den Solarboom. Was ist passiert? Blick sucht nach Ursachen für die Krise.
Publiziert: 15.11.2024 um 19:23 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2024 um 19:26 Uhr
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Droht bei Meyer Burger ein Lichterlöschen?
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Meyer Burger: Solarkrise spitzt sich zu, Aktienhandel gestoppt
  • Strategiewechsel zum Solarmodulhersteller verschlang viel Kapital ohne nachhaltigen Erfolg
  • Umsatz stieg von 82 Mio. Franken (2006) auf 1,315 Mrd. (2011) und liegt aktuell wieder bei 135 Mio.
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Die Krise beim Thuner Solarunternehmen Meyer Burger spitzt sich zu. Es ist beileibe nicht die erste Krise, aber möglicherweise die letzte. Was ist falsch gelaufen? Wer trägt Verantwortung?

Die 1953 von Hans Meyer und Willy Burger in Hünibach BE gegründete Firma hat sich immer wieder neu ausrichten müssen. Als ihre Maschinen für die Uhrenproduktion nicht mehr gefragt waren, wurden Trennschleifmaschinen zum Kerngeschäft. Das führte zu Berührungspunkten mit der Solarindustrie und ab 1983 zum Einstieg ins Photovoltaik-Business. Die Industriefirma ist solid.

Wachstum und Niedergang mit Pauli und Brändle

Mit Beginn des Solarbooms in den 2000er-Jahren kommt es zum explosiven Wachstum. Unter der Ägide von Peter Pauli (62), CEO von 2002 bis 2016, kann Meyer Burger deutlich expandieren und in mehrere ausländische Märkte eintreten. 2006 geht Meyer Burger erfolgreich an die Börse. Der Umsatz steigt von 82 Millionen Franken im Jahr 2006 auf 207 Millionen im Folgejahr. Bis 2011 wächst der Umsatz gar auf 1,315 Milliarden Franken an. Dazu tragen die Übernahmen des deutschen Maschinenherstellers Roth & Rau sowie der 3S Swiss Solar in Lyss BE bei, die Pauli verantwortet. 

Doch schon 2013 sackt der Umsatz wieder auf 202 Millionen Franken ab. China, zuvor von Meyer Burger mit Solarmodulmaschinen versorgt, kopiert die Technologie und setzt verstärkt auf eigene Produktion. Die deutsche Photovoltaikindustrie, in der Meyer Burger stark investiert ist, bricht zusammen – weil die deutsche Regierung die Photovoltaik-Einspeisetarife drastisch senkt. Der Absatz von Meyer Burger sinkt deutlich. 2012 wird die Belegschaft von 2800 auf 2220 gekürzt.

Trotzdem bleiben die Verluste hoch. Die Eigenkapitalquote sinkt auf unter 25 Prozent. Pauli versichert stets, das Geschäft komme wieder, argumentiert noch im Frühjahr 2016, eine Rückkehr zu 1,3 Milliarden Franken Umsatz sei möglich. Doch Ende 2016 wird er abgesägt und muss ebenso wie VR-Präsident Peter Wagner das Unternehmen verlassen.

Sein Nachfolger Hans Brändle (63), von Oerlikon Coating gekommen, soll das Unternehmen in eine «neue Phase» führen. Nach anfänglichen Wachstumserfolgen – auch beim Börsenkurs – kommt aber auch er nicht zurück in die schwarzen Zahlen. In Erinnerung bleibt vor allem die gehässige Auseinandersetzung mit dem Grossaktionär Sentis Capital unter Führung des russischen Investors Piotr Kondraschew (75). Dessen Wunsch auf einen VR-Sitz verwehrt ihm das Meyer Burger-Management.

Ein folgenschwerer Entscheid

Doch der Machtkampf zermürbt Brändle. Und so kommt es erneut zum Managementwechsel, diesmal mitsamt strategischer Neuausrichtung. Gunter Erfurt (50) übernimmt im April 2020 das Zepter und transformiert Meyer Burger vom reinen Maschinenbauer hin zu einem Hersteller von Solarzellen und -modulen. Er schafft es, Investoren noch mal zum Einschiessen von Kapital zu bewegen – nach zehn Jahren in Folge in den roten Zahlen!

Die Herstellung der Solarzellen wird von Thun BE nach Deutschland verlegt. Doch einmal mehr bleibt der Erfolg aus. Unter anderem wegen der Pandemie, die Lieferketten verzögert. 2020 resultieren 91 Millionen Franken Umsatz, 2021 gar nur noch 40 Millionen. Die Verluste steigen Jahr für Jahr in Rekordhöhen. Erfurt verspricht 2021 in einem Interview mit dem «Bund» dennoch für 2023 einen Umsatz von 550 Millionen, für 2027 gar von 2 Milliarden Franken.

Das sind Fantasievorstellungen. 2023 verbucht die Firma bei einem Umsatz von 135 Millionen Franken ein Minus von 164 Millionen. Die Fabrik im deutschen Freiberg wird geschlossen, der Aufbau eines Werks in Arizona scheitert an der Finanzierung. Erfurt muss gehen. Es folgt erneut ein Abbau von – dieses Mal 200 – Arbeitsplätzen.

Interimistisch übernimmt der deutsche Verwaltungsratspräsident Franz Richter (69) das Amt des CEO. Er stoppt heute den Aktienhandel und muss jetzt probieren, das endgültige Aus zu verhindern.

Zu nah an der Sonne

Was zurückbleibt, ist die Erkenntnis, dass Meyer Burger vom wachsenden Markt für Solarstrom nicht nachhaltig profitieren kann. Asiatische Firmen dominieren den Solarmarkt deutlich. Der frühere Börsenüberflieger geniesst kaum noch Vertrauen bei Anlegern.

Wie auch? Der Strategiewechsel vom Maschinenbauer zum Solarmodulhersteller verschlang viel Kapital, ohne nachhaltigen Erfolg. Die Berner Wirtschaftsförderung gewährte dem Unternehmen umsonst Steuererleichterungen. Der Mega-Erfolg vor 20 Jahren führte wohl dazu, dass Meyer Burger zu nahe an die Sonne flog.

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