Rettet ausgerechnet Trump die Thuner Solarfirma?
Meyer Burger braucht zum Überleben 100 Millionen Franken

Die Thuner Solarfirma hat dringenden Kapitalbedarf, doch die Investoren ergreifen die Flucht. Ist Donald Trump die Lösung?
Publiziert: 31.10.2024 um 14:28 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2024 um 07:53 Uhr
Werk von Meyer Burger: Beim Solarkonzern ist sparen und herunterfahren angesagt.
Foto: Imagao
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Stefan Barmettler
Handelszeitung

Im Kultur- und Kongresshaus in Thun war die Stimmung aufgekratzt, als Meyer-Burger-Präsident Franz Richter am 18. März die Aktionärinnen und Aktionäre herzlich begrüsste. Vom Standort Europa habe man genug, meinte er. Man könne nicht ewig gegen einen unfairen Wettbewerb anrennen, den die Chinesen losgetreten hätten. Deshalb sei jetzt der Umzug in die USA angesagt, ins Land, wo Subventionen und Steuergutschriften locken und die asiatische Billigkonkurrenz mit Zöllen abgeschreckt wird.

Heute, ein halbes Jahr später, ist der Geist von Thun verflogen. Von Aufbruch keine Spur, vielmehr ist sparen und herunterfahren angesagt. Denn in der Firmenkasse herrscht Flaute, ausgerechnet jetzt, da die Marschrichtung «go West» gilt. Jetzt müsste investiert werden, in neue Fabriken, in Produktionslinien, ins Marketing. Daran ist aber nicht zu denken. Der in Thun beschworene Aufbruch ist innert wenigen Wochen zur Zitterpartie verkommen.

Klaffende Finanzierungslücke

Die Bilanz ist ernüchternd: Seit 2012 sucht Meyer Burger einen Platz an der Sonne, doch seit 13 Jahren häuft die Firma nur Defizite an. Seither sind es kumuliert 1,5 Milliarden Franken, die verbrannt wurden. In manchen Jahren war der Verlust höher als der Umsatz, den die Firma mit ihren funkelnden Solarmodulen generierte. Ein chronischer Investitionsfall, der niemanden glücklich macht. Schon gar nicht die Aktionärinnen und Aktionäre.

Deren Investment ist allein dieses Jahr um 97 Prozent abgeschmolzen, die Aussicht ist prekär. Bernd Laux, Analyst bei der ZKB und Kenner des Marktes, sagt, die Aktie sei schlicht «uninvestierbar». Und für jene, die seit Jahren dennoch investiert seien und an die «Renaissance der Solarindustrie in Europa» glaubten, wie sie Meyer Burger noch im Jahresbericht 2021 beschworen hatte, wird nicht mehr viel übrig bleiben. Wenn überhaupt, denn die Firma hat eine klaffende Finanzierungslücke. Wird diese nicht innert eines halben Jahres geschlossen, droht das Schlimmste.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Schwer gelitten hat auch die Glaubwürdigkeit, denn die letzten zwei Jahre waren eine Fahrt in der Achterbahn: Mal waren die Privatkunden im Visier, dann Firmen, mal war Deutschland der Kernmarkt, jetzt die USA. Nach einbrechenden Aktienkursen gingen kürzlich der Firmenchef und der Finanzchef von Bord. Nun ist Präsident Richter im Doppelmandat unterwegs und setzt nach Hüst und Hott auf neue Verlässlichkeit.

Und auf Tempo, denn er muss schnell mit Investoren ins Geschäft kommen, soll die Thuner Firma überleben. Die Rechnung ist schnell gemacht: In der Firmenkasse der Firma lagen per Mitte Jahr noch 158 Millionen, das reicht bestenfalls bis zum Frühling 2025. Was Richters Aufgabe nicht einfacher macht: Allein aus einem Konsortialkredit müssen alljährlich 23 Millionen zurückgezahlt werden. ZKB-Analyst Laux resümiert: «Das Überleben von Meyer Burger hängt an einem seidenen Faden.»

Es fehlen 100 Millionen Franken

Das liegt daran, dass in den USA schlicht das Geld fehlt, um die geplante Solarproduktion in die Gänge zu bringen. Die Modul-Fabrik in Goodyear im Bundesstaat Arizona soll auf eine Fertigungskapazität von 1,4 Gigawatt hochgefahren werden. Die Fabrik in Colorado Springs dagegen steht still. Dabei sollten in der ehemaligen Fabrik eines Chipherstellers Fabrikroboter rund um die Uhr Solarzellen ausspucken. Sämtliche Bewilligungen sind eingeholt, doch die Finanzierung für den Hochlauf platzte im letzten Moment.

Um aus den finanziellen Kalamitäten zu entfliehen, muss Meyer-Burger-Krisenmanager Richter unter Zeitdruck 100 Millionen Franken auftreiben. Doch wer will noch in eine Firma investieren, die seit Jahren Berge von Geld verbrennt?

Ein zuverlässiger Geldautomat war seit 2016 der russische Investor Pjotr Kondraschew, der bei diversen Finanzierungsrunden tapfer mitzog. Nun ist er mit 15 Prozent grösster Einzelaktionär, weit vor dem UBS Asset Management. Milliardär Kondraschew besässe das Kleingeld und könnte locker nochmals Frischgeld einschiessen. Doch ob er das will, ist fraglich.

Nach all den Finanzierungsrunden dürfte er frustriert sein, weil es die Firma nie auf Betriebstemperatur schaffte. Auf Ernüchterung deutet der Abgang des Kondraschew-Vertrauten Mark Kerekes hin, der vor zwei Monaten – als unabhängiger Verwaltungsrat – wortkarg zurücktrat.

Kapitalerhöhung unrealistisch

In der Vergangenheit hat man stets via Kapitalerhöhung für Neugeld gesorgt. Beseelt von der Vision, ausserhalb von China eine Solarpanelproduktion aufzubauen, zogen die Aktionärinnen und Aktionäre mehrmals mit. Das letzte Mal Anfang April. Heute ist dieser Weg unrealistisch, wie der gegen null tendierende Aktienkurs belegt. Nicht daran zu denken, dass eine Generalversammlung eine nächste Kapitalerhöhung durchwinken würde.

Was immerhin noch ein paar Dutzend Millionen einspielen könnte, wäre der Verkauf von Firmenteilen und von Inventar. Im mittlerweile geschlossenen Werk in Thalheim lagern noch ein Maschinenpark und Solarpanels, die ein paar Millionen einbringen könnten. Auch der Verkauf des Fabrikgeländes dürfte 10 Millionen einspielen. Das alles würde eine Entlastung bringen, doch die akute Finanzierungslücke schliesst es nicht.

Kooperation in den USA

Erfolgsversprechender könnten Kooperationen mit kapitalkräftigen Partnern sein, die im Solargeschäft ihre Zukunft sehen. So hat Meyer Burger mit diversen US-Solarinvestoren Abnahmeverträge abgeschlossen, die derzeit im Werk in Goodyear abgearbeitet werden. Den wichtigsten Lieferdeal haben die Schweizer mit D. E. Shaw Renewable Investments (Desri) abgeschlossen, die Solar- und Windparks finanziert und betreibt. Man kennt und schätzt sich, denn Desri hat fürs Hochfahren der Modul-Produktion in Goodyear eine zweistellige Millionensumme vorab bezahlt. Möglich wäre, dass Desri auch beim Start der Solarzellfabrik in Colorado als Geldgeber oder als Partner einsteigt. Für den klammen Chef von Meyer Burger, Franz Richter, wäre eine Partnerschaft mit Desri ein Befreiungsschlag.

Und wenn das Abenteuer Meyer Burger halt doch zu riskant ist, bleibt womöglich nur noch der Verkauf an einen Konkurrenten. Da wäre vielleicht sogar noch die Wahl von Donald Trump, der eigentlich auf Öl und Gas setzt, ein Segen. Denn er möchte die Importzölle auf Solarpanels von heute 14,3 Prozent massiv erhöhen. Für den Verkaufspreis von Meyer Burgers Solarproduktion in den USA wäre seine America-first-Strategie sogar ein Glücksfall.

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