Mastodon gilt gemeinhin als «Ersatz» für Twitter. Zwar sind die Nutzerzahlen noch weit entfernt von jenen von Twitter. Jedoch stiegen nach jeder negativen Meldung zu Twitter – und davon gab es seit der Übernahme der Plattform durch Elon Musk einige – die Anzahl Downloads von Mastodon jeweils deutlich an. Das hat die «Financial Times» statistisch belegen können.
Bei Mastodon selber ist die Anzahl Nutzer allein zwischen Oktober und November von 300'000 auf 2,5 Millionen pro Tag gestiegen. Das zumindest schreibt der deutsche Softwareentwickler Eugen Rochko (29), der 2016 die Open-Source-Microblogging-Website gründete, in seinem Blog.
Stinkefinger für die Risikokapitalisten
Klar, ist das Interesse an Mastodon damit nicht nur bei Nutzern, sondern auch bei Investoren gestiegen. Laut Rochko liegen mindestens fünf Investitionsangebote von Risikokapitalfirmen aus der Silicon Valley vor.
Mit dem vielen Geld könnte Mastodon das eigene Wachstum beschleunigen. Doch Rochko erklärt, dass der gemeinnützige Status der Plattform «unantastbar» sei. Die Unabhängigkeit sei es, die die Attraktivität von Mastodon ausmache.
«Mastodon wird sich nicht in all das verwandeln, was man an Twitter hasst», verspricht Rochko. Also etwa, dass die Plattform von einem Milliardär gekauft werden könnte. Oder Konkurs gehen kann. Oder einfach abgeschaltet wird.
Dass zentralisierte Plattformen wie Twitter willkürliche Beschränkungen auferlegen können, hat Twitter längst bewiesen. So hat der Kurznachrichtendienst jüngst die Konten von Mastodon, diversen Journalisten und anderer Personen vorübergehend gesperrt. Entsperrte gleichzeitig aber die Konten von umstrittenen Nutzern.
Alternative oder Satellit?
Bei Mastodon verdient zudem niemand astronomische Summen. Rochko ist der einzige Anteilseigner der Plattform und zahlte sich laut Jahresbericht 2021 im vergangenen Jahr 2400 Euro pro Monat aus. Dieser Betrag soll laut Rochko inzwischen um lediglich 500 Euro gestiegen sein.
Mastodon wird also weiterhin auf Spenden angewiesen sein, um die Plattform zu finanzieren. Im zweiten Halbjahr 2021 kamen laut dem Geschäftsbericht gerade mal 55'000 Euro herein. Ursprünglich wurde die Entwicklung von Mastodon mit Geldern der Spendenplattformen Patreon und OpenCollective sowie einem Entwicklungszuschuss von Samsung aus der Taufe gehoben. Die Spendengelder dürften sich 2022 erhöht haben. Doch der Geldzufluss ist weit weg von den Millionen der Risikokapitalisten. Dabei wären neue Server angesichts der erhöhten Frequentierung der Plattform durchaus nötig. Das zeigten Serverprobleme in den vergangenen Monaten deutlich.
Ob Rochko mit seinem Vorgehen Twitter langfristig ersetzen kann, ist fraglich. Forscher am Oxford Internet Institute erwarten, dass Mastodon lediglich eine «Satelliten-Plattform» von Twitter bleiben wird. Also ein Ort, wo Nutzer bei Twitter-Ausfällen eine Alternative finden und sich auch über Twitter auslassen können. Ohne jedoch die grosse Plattform ernsthaft zu bedrohen.