Bundespräsident Ignazio Cassis (60) gab bei der Ankündigung der Schweizer Sanktionen gegen Russland vor wenigen Tagen ein tristes Bild ab. Der Auftritt war beschämend, die Haltung der Schweiz gegenüber Russland ist nicht streng genug, so der Tenor. Auch international muss die Schweiz für ihren zahmen Umgang mit Russlands Machthaber Wladimir Putin (69) nun Kritik einstecken.
«Die Schweiz bleibt Liebling von Putins Super-Reichen», titelt etwa die deutsche «Bild am Sonntag». Die Schweiz habe unter dem Vorwand der Neutralität schon immer gerne Geschäfte mit «Desposten, Diktatoren und Oligarchen» gemacht, teilt die Bild weiter aus. Tatsächlich: Ein Drittel aller im Ausland parkierten russischen Gelder liegt in der Schweiz.
Die «Süddeutsche Zeitung» bilanziert: «Die Schweiz bleibt bei Sanktionen gegen Russland vage.» Und der «Spiegel» vermutet: «Die Zurückhaltung der Eidgenossen könnte auch damit zusammenhängen, dass in dem Land zahlreiche Rohstoffkonzerne ihren Sitz haben, die Geschäft mit russischem Öl und Gas machen.» Die Journalisten im Ausland sind sich also einig: Die Zurückhaltung der Schweiz bei den Russland-Sanktionen hat weniger mit Neutralität und mehr mit Geschäftssinn zu tun.
Unterläuft die Schweiz die EU-Sanktionen?
Das Online-Portal «Web.de» ist gar der Ansicht, das zaghafte Vorgehen des Bundesrats «unterläuft die Sanktionen der EU gegen Russland». Allerdings: Genau um das zu verhindern, hat die Schweiz in den vergangenen Tagen zwar keine eigenen Sanktionen, aber immerhin Massnahmen zur Umgehungsverhinderung erlassen. Nur gehen diese gleich in mehreren Punkten weniger weit als die EU-Sanktionen.
Die «Zeit» bringt auf den Punkt, dass viele über das Vorgehen der Schweiz und die Ankündigung von Bundespräsident Cassis verwirrt waren und schreibt: «Umgehungsverhinderungs ... was?» Dass die Schweiz die EU-Sanktionen nicht mitträgt sei «skandalös und dumm», so die «Zeit» in einem Kommentar.
Auch weit über den deutschsprachigen Raum hinaus sorgt das Vorgehen der Schweiz für Kopfschütteln. So schreibt etwa die grösste australische Tageszeitung «The Sun Herald», der Ukraine-Krieg stelle die Neutralität der Schweiz auf die Probe. Im Vergleich mit den EU-Sanktionen sei das Vorgehen der Schweiz «wohl kaum ein Durchgreifen». Grund? «Wirtschaftliche Sorgen, nicht bloss die Neutralität», ist die australische Zeitung überzeugt. Und warnt: «Der Druck auf die Schweiz könnte zunehmen.»
Der öffentlich-rechtliche Radiosender «France Info» schreibt etwas diplomatischer: «Die Schweiz wählt einen Mittelweg.» Nur um gleich anzufügen, dass der Grund für die Zurückhaltung des Bundesrats der Schweizer Finanzplatz und das hiesige Rohstoffgeschäft seien. (sfa)