Reiche Russen lieben die Schweiz! Wegen St. Moritz? Ja, auch. Aber viel mehr noch wegen unseres Finanzplatzes. Wenn der Westen Russland mit Sanktionen überzieht und die Gelder von dessen Oligarchen einfrieren lässt, zieht die Schweiz nicht mit. So war es 2014 bei der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, so ist es auch jetzt nach der Invasion Russlands in die Ukraine.
Knapp 37 Milliarden Dollar haben russische Staatsbürger und Unternehmen laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich im Ausland deponiert, 11 Milliarden Dollar davon in der Schweiz. Bedeutet: Fast jeder dritte Dollar, den russische Privatpersonen und Unternehmen ins Ausland bringen, liegt in den Tresoren und auf Konten in der Schweiz. Laut Insidern dürfte die Dunkelziffer aufgrund von komplizierten Offshore-Geschäften sogar noch wesentlich höher sein.
Der bekannteste russische Oligarch im Land ist Viktor Vekselberg (64), der seit 17 Jahren in der Schweiz wohnt. Er wurde in der Ukraine geboren und hat seine Jugendzeit im Land verbracht. Welche Beziehungen er genau zu Putin unterhielt oder jetzt noch unterhält, ist unklar. Klar ist: Vekselberg steht auf der US-Sanktionsliste von 2018. Sein Vermögen soll sich auf über 9 Milliarden Dollar belaufen. Vekselberg ist an Konzernen wie OC Oerlikon und Sulzer AG beteiligt.
Aber auch Wladimir Putins (69) Jugendfreund Gennadi Timtschenko (69) und Suleiman Kerimow (55) schätzen die Zurückhaltung der Schweiz. Ersterer hielt bis zur ersten amerikanischen Sanktionsrunde im Jahr 2014 grosse Anteile am Genfer Rohstoffhändler Gunvor. Seit dieser Woche steht Timtschenko nun auch auf der britischen Sanktionsliste. Kerimow unterhält enge Beziehungen zu Luzern und geriet vor einigen Jahren wegen fragwürdiger Immobiliendeals in die Schlagzeilen.
SVP macht es dem Bundesrat schwer
Vekselberg und Co. müssen sich, anders als ihre Kollegen im Ausland, derzeit keine Sorgen machen. Der Entscheid des Bundesrats sorgte international für Kritik. Die Schweiz wird in ausländischen Medien bereits seit Beginn des Konflikts in der Ostukraine 2014 als Paradies für Oligarchen bezeichnet. «Der Bundesrat versucht, die neutrale Position der Schweiz in den Mittelpunkt zu rücken», kommentiert Ökonom Klaus Wellershoff (58) den Entscheid gegenüber Blick.
Aussenpolitisch will man sich so für allfällige diplomatische Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Position bringen. Aber der Entscheid sei auch innenpolitisch begründet. «In der Schweiz gibt es keinen moralischen Konsens in Bezug auf die Sanktionen», sagt Wellershoff. «In den vergangenen Tagen und Wochen haben sich wiederholt Vertreter der SVP klar gegen eine Übernahme der EU-Sanktionen positioniert. Das macht es dem Bundesrat schwer, eine klare Haltung zu zeigen.»
Imageschaden für Schweizer Finanzplatz
In der Kritik stehen für einmal nicht Credit Suisse und UBS. Als global tätige Grossbanken setzen sie die US- und EU-Sanktionen um, wie beide Banken auf Blick-Nachfrage versichern. Sichere Häfen für russische Oligarchen sind hingegen kleine Schweizer Privatbanken, die nicht im Scheinwerferlicht stehen. Diese Institutionen können dank des Schweizer Sonderwegs russische Gelder annehmen – und bringen damit den gesamten Finanzplatz in Verruf.
Auf diesen Punkt angesprochen, geht die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) wie alle anderen angefragten Banken in Deckung. Russland sei kein prioritärer Markt aus Gesamtbranchensicht, lässt die SBVg ausrichten. «Fragen zur Geschäftstätigkeit sind geschäftspolitische Entscheide der Banken, die wir als Verband nicht kommentieren.»
Der Schaden für den Finanzplatz ist mit den internationalen Schlagzeilen angerichtet, das letzte Wort aber wohl noch nicht gesprochen. Aus Bundesbern ist zu vernehmen, dass die Schweiz dem wachsendem Druck des Westens doch noch klein beigeben könnte. Das Oligarchen-Paradies Schweiz ist durch die russische Invasion aber vorderhand unberührt geblieben.