Jetzt also doch: Der Westen zündet bei den Sanktionen die «finanzielle Atombombe» gegen Russland, wie es der französische Finanzminister Bruno Le Maire (52) vor wenigen Tagen formulierte. Russland wird vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. Was bedeutet das für Russland, für die Welt, für den Finanzplatz in der Schweiz und das Swift-Rechenzentrum im Kanton Thurgau? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum Swift-Ausschluss.
Was ist Swift?
Swift ist ein Banken-Kommunikationsnetzwerk. Darüber werden zwar keine Gelder verschoben, aber mithilfe von Swift können Banken bei internationalen Zahlungen automatisch identifizieren, woher eine Zahlung kommt und wo sie hingeht. 11'000 Banken aus über 200 Ländern sind an Swift angeschlossen. Jede von ihnen hat einen sogenannten Bank Identifier Code (BIC), der dafür sorgt, dass die Banken einander im internationalen Zahlungsverkehr «erkennen».
Was bedeutet der russische Ausschluss von Swift?
Dass Zahlungen zwischen russischen und internationalen Banken nur noch manuell möglich sind. Damit das Geld am richtigen Ort ankommt, müssen sich die Banken über die Landesgrenze hinweg etwa per Telefon oder Fax austauschen. Das ist nicht nur mühsam, sondern auch teuer. De facto kommt der internationale Zahlungsverkehr also zum Erliegen.
Steht damit der gesamte Handel mit Russland still?
Nein. Nicht sämtliche russischen Banken werden von Swift ausgeschlossen, sondern nur bestimmte. Welche das sind, ist noch nicht klar. Auf der Liste stehen dürften wohl die beiden Staatsbanken Wneschekonombank (VEB) und Promswjasbank (PSB), da gegen sie bereits in den vergangenen Tagen Sanktionen verhängt wurden. Unternehmen, die ihre internationalen Zahlungen bisher über diese Banken erledigt haben, könnten zu einer Bank wechseln, die nicht auf der Liste steht und so weitergeschäften. Entscheidender ist daher, ob auch die grössten russischen Banken ausgeschlossen werden. Dazu gehören Sberbank, VTB und die Gazprombank.
Müssen sich auch Schweizer Banken an die neuen Sanktionen halten?
Ja. Der Entscheid zum Ausschluss von Russland von Swift wurde zwar von Deutschland, den USA und anderen westlichen Ländern beschlossen, aber nicht von der Schweiz. Allerdings hat Swift ihren Sitz im EU-Mitgliedsland Belgien. Die EU entscheidet also auch darüber, wie Swift sich in der aktuellen Krise zu verhalten hat. Wenn Swift gewisse russische Banken ausschliesst, können eben auch die Banken in der Schweiz ihren Zahlungsverkehr mit ihren russischen Pendants nicht mehr automatisiert abwickeln. Auch in der Schweiz ist Swift allerdings präsent: Mit einem Rechenzentrum in Diessenhofen TG. Hier werden jeden Tag Millionen internationaler Banktransaktionen abgewickelt. Das Rechenzentrum läuft wie gewohnt weiter – nur fortan eben ohne die Transaktionen der sanktionierten russischen Banken.
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Was bedeutet der Swift-Ausschluss für die russische Wirtschaft?
Der Schritt ist einschneidend. Für russische Firmen, die Import oder Export betreiben, wird das Geschäft, wenn nicht unmöglich, so doch immerhin teuer und mühsam.
Der Swift-Ausschluss ist bisher erst einmal zum Einsatz gekommen, im Atomstreit mit dem Iran 2012. Der Ausschluss aus dem internationalen Finanzsystem zwang die iranische Wirtschaft in die Knie und trug dazu bei, die iranische Regierung zurück an den Verhandlungstisch zu holen und ein Atomabkommen zu unterzeichnen. Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) könnte auch das russische Bruttoinlandprodukt (BIP) durch den Swift-Ausschluss um 8 bis 9 Prozent einbrechen, schreibt die «NZZ am Sonntag». Dies allerdings nicht von heute auf morgen, sondern mittel- bis langfristig.
Und was bedeutet der Schritt für die Wirtschaft in Europa?
Auch im Westen gibt es «Kollateralschäden», wie es etwa die deutsche Aussenminister Annalena Baerbock (41) ausdrückte. Deshalb zögerten Deutschland und andere westliche Länder auch erst, ob die Finanzkeule wirklich verhängt werden soll. Wie teuer der Schritt den Westen genau zu stehen kommt, ist unklar. Der Schaden wird aber auf jeden Fall in die Milliarden gehen. Die Schäden für Russland sind aber ungleich höher. Stefan Kooths vom IfW bilanziert: «Die Wirtschaftsleistung des Westens (USA, Vereinigtes Königreich, Japan, EU) übertrifft die russische um das Zehnfache. Das bedeutet: Für jeden Prozentpunkt des Bruttoinlandprodukts, den der Westen für das Militär verausgabt, muss Russland 11 Prozentpunkte mobilisieren, um gleichzuziehen.» Die russische Wirtschaft werde implodieren, prgonostiziert Kooths. «Putin mag sich heute stark fühlen, weil ihm der Westen bei seiner schroffen Aggression nicht sofort in den Arm fällt. Tatsächlich sägt er selbst am stärksten an dem Ast, auf dem er sitzt. Er macht sein ökonomisch schwaches Land nun noch schwächer.»
Dreht Russland nun den Gashahn zu?
Vermutlich nicht. Solange die Gazprombank – eine Tochterfirma des russischen Energiekonzerns Gazprom – nicht von Swift ausgeschlossen wird, dürfte das Gas weiter nach Europa strömen. Möglich wäre theoretisch, dass Russland den Gashahn eigenhändig zudreht. Das gilt aber als unwahrscheinlich, weil Russland auf das Geschäft angewiesen ist. «Kurzfristig würde ein mit der Swift-Blockade ausgelöster Lieferstopp für Gas dem Westen mehr schaden als Russland. Langfristig ist es umgekehrt», schreibt dazu Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Die Schweiz ist fürs Heizen weniger stark abhängig von russischem Gas als etwa Deutschland. Auch hierzulande würde sich ein Handelsstopp beim russischen Gas aber auswirken, weil wir zum Beispiel Strom aus Deutschland importieren, der teilweise aus Gaskraftwerken stammt.
Stürzen am Montag die Börsen ab?
Vermutlich ja. Sie gingen wegen der Ukraine-Krise schon in den letzten Tagen mehrfach auf Talfahrt. Der Swift-Ausschluss Russlands dürfte die Anleger nun zusätzlich verunsichern. Sie werden sich aus instabilen Werten wie Aktien flüchten und Zuflucht in «sicheren Häfen» suchen. Dazu gehört neben Gold auch der Schweizer Franken. Er befindet sich im Aufwind und könnte bald Parität mit dem Euro erreichen. Die zu erwartenden Turbulenzen an den Börsen seien aber das kleinere Übel, findet Clemens Fuest (53), Leiter des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München.
Wie sind einzelne Russinnen und Russen vom Swift-Ausschluss betroffen?
Langfristig werden sie unter dem wirtschaftlichen Abschwung durch die Sanktionen leiden. Aber bereits kurzfristig bekommen sie den Krieg im eigenen Portemonnaie zu spüren. Die russische Währung, der Rubel, verliert rapide an Wert. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen. Die Unsicherheit über den Swift-Ausschluss führte am Wochenende ausserdem bereits dazu, dass viele Russinnen und Russen massenhaft Geld am Bankomaten abhoben. Im schlimmsten Fall kann das zum Kollaps russischer Banken führen.