In Ostdeutschland betreibt das Schweizer Solarunternehmen Meyer Burger eine der grössten Fabriken für Solarmodule in Europa. Auf einer Fläche von 25’000 Quadratmetern werden im sächsischen Freiberg Module zusammengebaut. Doch seit einigen Tagen steht die Produktion still. 500 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe.
Für Zukunftsunternehmen wie Meyer Burger ist Europa zur Todeszone geworden. Im September kündigte das norwegische Unternehmen Norsun einen vorübergehenden Produktionsstopp und Entlassungen an. Das finnische Solarunternehmen Valoe beantragte im Dezember eine Umschuldung, um die Pleite abzuwenden. Über den österreichischen PV-Hersteller Energetica wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Solarwatt aus Deutschland musste zehn Prozent seiner Belegschaft entlassen. Und jetzt: Meyer Burger. «Das Endspiel um die Solarindustrie hat begonnen», titelte kürzlich das «Handelsblatt».
Grund für den Niedergang sind Billigimporte aus China, die von Peking massiv subventioniert werden. Die Produkte stammen zum Teil aus Regionen Chinas, die mit Zwangsarbeit in Verbindung gebracht werden. Die USA verhängten 2022 deshalb ein Importverbot für Paneele mit Komponenten aus der chinesischen Uiguren-Region Xinjiang. Seitdem füllen sich die Lager in Europa mit Billigware aus China.
Flucht in die USA
Der Politik scheint es weitgehend egal zu sein, wenn die europäische Solarindustrie vor die Hunde geht. Der Vorschlag von Meyer Burger und anderen Solarunternehmen, Produkte europäischer Herkunft zum Beispiel durch höhere Einspeisevergütungen zu fördern, scheiterte bisher am Widerstand der FDP von Finanzminister Christian Lindner (45). Im April will die deutsche Politik ein letztes Mal darüber diskutieren.
So lange will Meyer Burger nicht mehr warten: «Da Berlin die deutsche Solarindustrie nicht unterstützt und stattdessen China Tür und Tor öffnet, müssen wir unser Werk in Freiberg in Deutschland schliessen», bestätigt eine Sprecherin von Meyer Burger die Werksschliessung in Ostdeutschland.
Meyer Burger will sich neu ausrichten und die Produktion nach Amerika verlagern. Frische Mittel, die das Unternehmen mit einer diese Woche beschlossenen Kapitalerhöhung beschaffen will, sollen in den Ausbau von zwei Produktionsstandorten in den USA fliessen. Dort locken Fördermillionen. Wie China und Indien fördern auch die USA Zukunftstechnologien wie die Solarindustrie strategisch mit staatlichen Geldern.
Wie wichtig Technologien für die Amerikaner sind, zeigte sich diese Woche. Joe Biden (81) flog nach Arizona und kündigte ein Finanzierungspaket von bis zu 8,5 Milliarden Dollar für den US-Chipriesen Intel an. Zusätzlich fliessen 11 Milliarden Dollar an Krediten für Computerchip-Fabriken in vier US-Bundesstaaten. Das Ziel: Die Finanzspritzen solle dazu beitragen, den US-Anteil an der weltweiten Produktion von Hightech-Chips bis zum Ende des Jahrzehnts auf 20 Prozent zu erhöhen.
Schweizer Forschung für China
Sollte es Meyer-Burger gelingen, die Produktion in die USA zu verlagern, würde das Unternehmen in Europa nur noch Forschung und Entwicklung betreiben und Maschinen für die Solarzellen- und Modulproduktion herstellen. Neben Werken in Deutschland ist das Unternehmen auch an drei Standorten in der Schweiz aktiv. Dort befinden sich der Hauptsitz sowie Teile der Forschung und des Anlagenbaus.
Kommt es zu einer Stilllegung der Solarpanel-Produktion in Europa, drohen auch den Zulieferern ernsthafte Probleme. Das sind zum Beispiel Hersteller von Wechselrichtern oder Glasproduzenten, die sich auf die Oberflächen von Solarmodulen spezialisiert haben. Werden die Glaswannen einmal abgeschaltet, ist es mit der Produktion vorbei.
Aus industriepolitischer Sicht ist diese Entwicklung katastrophal. Europa macht sich bei einem entscheidenden Baustein der Energiewende völlig abhängig von China und künftig auch von den USA. Gleichzeitig bleibt Europa dank üppiger Fördergelder führend in der Fotovoltaik-Forschung. Auch die Schweiz gilt als Pionierland, das früh auf die Stromerzeugung aus Sonnenlicht gesetzt hat. Die ETH in Lausanne und Zürich sowie die Empa betreiben Spitzenforschung auf diesem Gebiet.
Doch was kommt dabei heraus? Wer profitiert davon? Natürlich gibt es die kleinen Keime, die Start-ups, die aus den Forschungslabors hervorgehen. Das Empa-Spin-off Perovskia Solar baut derzeit in der Westschweiz eine Produktionsstätte für spezielle Dünnschichtsolarzellen auf, die in elektronischen Geräten verbaut werden. Doch ohne ein gesundes Ökosystem werden es die Start-ups schwer haben, zu wachsen und Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn sie Glück haben, werden sie von einem amerikanischen oder asiatischen Konkurrenten aufgekauft.
Während in der Schweiz und in Europa weiter geforscht wird, profitieren andere. Meyer Burgers Sprecherin sagt es so: «Europa betreibt immer noch Spitzenforschung im Bereich der Solarenergie. Auch das kostet Steuergelder. Wenn es in Europa keine Solarindustrie mehr gibt, wird es in der Schweiz keine mehr geben.»