Mehrere an der Schweizer Börse gehandelten Immobilienfonds werden aktuell mit einem Disagio gehandelt – Investorinnen und Investoren schätzen den Buchwert der Immobilien als zu hoch ein. Was sagt dieses Missverhältnis über die Situation auf dem Immobilienmarkt aus?
Aktuell wird ungefähr die Hälfte der gelisteten Immobilienfonds mit einem Abschlag gehandelt. Grundsätzlich ist die Spannbreite bei den Bewertungen der Fonds sehr gross und bewegt sich zwischen einem Disagio von 30 Prozent und einem Agio, also Aufpreis, von 40 Prozent. Die Gründe für die Bewertungsdifferenzen sind vielfältig, weshalb nicht direkt auf die Situation im Immobilienmarkt geschlossen werden kann.
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Wieso klaffen die eigenen Bewertungen der Fonds und ihr Börsenwert so stark auseinander?
Die Unterschiede zum «inneren Wert» und zum Börsenpreis können wie erwähnt verschiedene Gründe haben, beispielsweise die Sicht der Börse auf das Geschäftsmodell. Letztlich drückt es die Erwartungen der Investoren bezüglich der weiteren Entwicklung über die nächsten 12 bis 18 Monate aus. Zurzeit stehen Immobiliengesellschaften mit viel Cashflow und mit grossem Anteil an Wohnungen in der Gunst der Investorinnen. Unternehmen mit einem hohen Entwicklungsanteil werden hingegen als risikoreich betrachtet – dabei steckt genau in solchen Titeln viel Potenzial für Wertsteigerungen. Ich gehe davon aus, dass die Disagios wieder kleiner werden, sobald die Zinsen und Baukosten sinken.
Was sind interessante Nischen im Immobilienmarkt?
Zu den erfolgreichen Nischen zählen momentan Mikroapartments in Ballungsräumen für junge Berufstätige. Das Angebot ist eine Antwort auf den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Grossstädten. Auch Co-Living-Konzepte und studentisches Wohnen sind aus diesem Grund interessant. Gewerbe- und Logistikimmobilien bieten ebenfalls Chancen – vorausgesetzt, es gelingt den jeweiligen Gesellschaften, langfristig denkende und bonitätsstarke Mieterinnen und Mieter an sich zu binden. Um in diesem Segment zu reüssieren, sind massgeschneiderte Produkte mit hoher Nutzungsflexibilität erforderlich.
Wie stark hat der Zinsanstieg das Interesse von Investorinnen und Investoren an Renditeimmobilien gedämpft?
Durch den schnellen Zinsanstieg ist das Interesse der Investoren an Renditeimmobilien sicherlich deutlich gesunken. Die Mittel flossen stärker in die Aktien- und Anleihenmärkte. Gleichzeitig stiegen die Renditeerwartungen der Investoren bei den Immobilien, was zu einem Preisdruck führte. Der Transaktionsmarkt in der Schweiz ist aber nach wie vor sehr liquide, und die Preise sind trotz höherem Zinsumfeld nur leicht gesunken. Aktuell sind private Käuferinnen und Käufer mit viel Eigenkapital aktiv, die in den Immobilien gute Renditeaussichten sehen und langfristige Anlagestrategien verfolgen.
Mietwohnungen sind knapp, bereits ist von einer Wohnungsnot die Rede. Was sind die wichtigsten Gründe, weshalb nicht mehr Mehrfamilienhäuser entstehen?
Wohnungsknappheit wird vor allem in den Grossstädten ein Thema. Medien sind darauf aufgesprungen, und von der Politik wird es heiss diskutiert. Die Ursachen sind klar: Es sind das starke Bevölkerungswachstum und die zu geringe Wohnungsproduktion der letzten Jahre. Dies ist eine Folge der gestiegenen Baukosten sowie der höheren Zinsen. Aber auch immer stärkere Regulierungen hindern Investorinnen und Investoren daran, neue Wohnungen zu bauen. Viele Bauprojekte stecken in Genehmigungsverfahren fest, und der Zeitraum bis zur Baubewilligung kann mehrere Jahre dauern. Die durchschnittliche Bewilligungszeit ist heute doppelt so lange wie vor zehn Jahren. Wir stecken in einem Regulierungsdickicht fest, der die Planungs- und Baukosten in die Höhe treibt und das Bauen erschwert.
Wohnhochhäuser sind im Trend, auch die Hiag realisiert derzeit solche Bauten. Wie erklärt sich der Aufschwung bei solchen Gebäuden?
Sie können in städtischen Gebieten, in denen der verfügbare Raum begrenzt ist, eine Antwort auf die Forderung der notwendigen inneren Verdichtung und des schonenden Umgangs mit Land sein. Vielfach lassen aber die Baugesetze für Hochhäuser kein höheres Nutzungsmass der Grundstücke zu. Die planungsrechtlichen Anforderungen sind meist deutlich höher als beispielsweise bei einer sechsstöckigen Wohnüberbauung in Regelbauweise. Auch führen die Anforderungen an Brandschutz und Erdbebensicherheit sowie an die Fassadenkonstruktion zu höheren Baukosten.
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Was spricht denn für den Bau von Hochhäusern?
Durch deren geringeren Fussabdruck schaffen Hochhäuser eine grössere Aussenraumfläche und damit eine höhere Aufenthaltsqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner der Liegenschaft und des Quartiers. Des weiteren tragen Wohnhochhäuser zur städtebaulichen Entwicklung bei und können so das Stadtbild positiv beeinflussen. Auch zum Wohnen sind Hochhäuser reizvoll – sie bieten oft spektakuläre Ausblicke in Kombination mit moderner Ausstattung. Dies schafft ein urbanes Lebensgefühl. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind bereit, für solche Qualitäten mehr zu bezahlen. Zusätzlich verfügen sie häufig über Gemeinschaftseinrichtungen wie Co-Working-Spaces und Fitnessstudios oder andere Annehmlichkeiten. Überdies können Hochhäuser nicht selten bei der Nachhaltigkeit punkten, weil sie Solarenergie oder Regenwasser nutzen oder eine energieeffiziente Gebäudehülle haben. Das macht sie attraktiv für umweltbewusste Mieterinnen und Mieter.
In den letzten Jahrzehnten sind viele neue Wohnsiedlungen auf ehemaligen Industrie- und Gewerbearealen entstanden. Gibt es in der Schweiz noch viele Flächen, die sich für Umwandlungen eignen?
Ja, allein die Hiag Immobilien Schweiz hat grosse Entwicklungsreserven und kann mit ihrer Projekt-Pipeline noch rund 726’000 Quadratmeter Mietfläche realisieren. Gemäss dem Immobiliendienstleister Wüest Partner könnten in der Schweiz rund 20 Millionen Quadratmeter Grundstücksfläche auf 300 Arealen entwickelt werden. Inwiefern diese für eine Transformation geeignet sind und Mischnutzungen mit Wohnen erlauben, hängt nicht nur davon ab, ob ein Areal umgezont werden kann. Auch die Lage und die Infrastruktur vor Ort müssen sich für eine Wohnnutzung anbieten. Vielfach wurden diese ehemaligen industriell genutzten Grundstücke Umweltbelastungen ausgesetzt und sind verunreinigt. Die Eigentümer und Kantone müssen mit diesen Altlasten gekonnt umgehen. Die Frage, was mit ehemaligen Industriearealen geschieht, wird mit Blick auf eine nachhaltige Gesamtentwicklung des Wirtschaftsstandorts Schweiz an Bedeutung gewinnen.