Auf einen Blick
Massenentlassungen bei Audi und Nissan sowie bei den Zulieferern Schaeffler, Michelin und Valeo: Die Autoindustrie hat erneut eine Horrorwoche hinter sich. Besonders in Europa steckt die Branche tief in der Krise, wie die miserablen Geschäftszahlen von BMW, Mercedes, VW und Stellantis (u.a. Fiat, Opel, Citroën, Peugeot und Chrysler) zeigten.
Besonders hart trifft es den VW-Konzern: Der Gewinn brach im dritten Quartal um über 60 Prozent ein, die Kernmarke ist kaum noch profitabel. VW und die Tochterfirma Audi haben sich ein striktes Sparprogramm verordnet, wollen Werke schliessen und Tausende Stellen streichen.
Was steckt hinter den Problemen und wie geht es für Europas Autobauer und Zulieferer weiter? Blick sprach mit dem bekannten Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer (73) über die grosse Autokrise.
Mit Trump kommt ein weiteres Problem dazu
«Die Krise wird länger bleiben und seit Mittwoch haben die Europäer noch ein zusätzliches Problem», sagt Dudenhöffer und verweist auf die Wahl von Donald Trump (78) in den USA. «Trump bedeutet America First und alles, was importiert wird, wird mit massiven Zöllen belegt.»
Trump versprach im Wahlkampf, auf alle Importe Zölle von mindestens 20 Prozent zu erheben. Eine Massnahme, die zum Beispiel Porsche hart treffen würde, weil die Firma keine Autos in den USA herstellt. Doch auch Mercedes baut bisher nur SUVs in den USA und müsste die Produktion umstellen.
«Das Auto der Zukunft wird in China entwickelt»
Der Zeitpunkt für zusätzliche Handelshürden könnte für die Europäer nicht schlechter sein. «Wir haben bereits ein massives China-Problem und ein massives EU- und Deutschland-Problem», sagt Dudenhöffer.
Mehr zur Krise der Autoindustrie
«Das Auto der Zukunft wird in China entwickelt», so der Autoexperte. Die chinesischen Elektroautos seien technisch top und böten ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Gleichzeitig ist China der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt und die Hälfte der im Land verkauften Autos sind inzwischen Stromer.
In der EU und besonders in Deutschland herrsche derweil Stillstand. «Es gibt keine langfristige Planung, mit welchen Technologien wir uns langfristig profilieren wollen», so der Experte. «Wir sind die grossen Verlierer des 21. Jahrhunderts und das sieht man an der Autoindustrie.»
«Die EU zerstört unsere Autoindustrie»
Statt konsequent in neue Technologien zu investieren, setze Europa auf Zölle gegen chinesische E-Autos. Je nach Hersteller werden seit kurzem 17 bis 35 Prozent Strafzoll bei der Einfuhr fällig. Für Dudenhöffer ist diese Massnahme komplett widersinnig: «Die EU zerstört auf diese Weise unsere Autoindustrie.»
Der Grund: Damit würden Elektroautos teurer und folglich weniger verkauft. Dies wiederum schade der Neuausrichtung der europäischen Autohersteller auf die Elektromobilität. Am Ende bliebe ein Scherbenhaufen in der Umwelt- und Industriepolitik.
Höhere Preise für Verbrenner
Die europäischen Hersteller setzen derweil auf höhere Preise für Verbrenner, um den Absatz von Elektroautos zu steigern, wie der Europa-Chef von Stellantis Jean-Philippe Imparato (58) erklärte. Nur so können die Autobauer die drohenden Strafzahlungen an die EU abwenden, die ab 2025 bei der Überschreitung bestimmter CO₂-Ausstossgrenzen fällig werden.
Die Grenzwerte dienen der Vorbereitung des Verbrennerverbots, das in der EU ab 2035 in Kraft tritt. Für Dudenhöffer ist klar, dass die höheren Verbrennerpreise wahrscheinlich nötig sind. «Doch damit werden die Verkäufe noch stärker zurückgehen.»
Die Schweiz hat zwar keine Autohersteller, aber zahlreiche Zulieferer, die stark vom europäischen Markt abhängig sind. Im Zuge der Krise wurden auch hierzulande bereits Stellen gestrichen oder ins Ausland verlagert.
China zeigt, wie es gehen würde
Langfristig müsse sich Europas Autoindustrie und Industriepolitik an China orientieren, ist Dudenhöffer überzeugt. Anstatt wie die gescheiterte Ampelregierung in Deutschland alle paar Monate eine neue Aktion zu starten, brauche es eine langfristige Strategie.
«Wir müssen uns für bestimmte Technologien entscheiden, in denen wir uns einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz erarbeiten», ist Dudenhöffer überzeugt. «China hat bei der Batterietechnologie und den Elektroautos gezeigt, wie es gehen würde.»