Auf einen Blick
- BMW und VW haben «Deutschlandproblem», sagt Experte Ferdinand Dudenhöffer
- Deutsche Regierung zerstört Elektromobilität durch politische Fehler
- Schweizer Zulieferer müssen sich durch grosse Kundenbasis behaupten
Es war eine rabenschwarze Woche für die deutsche Autoindustrie: Zuerst protestierten die Angestellten eines Audi-Werks in Brüssel (Belgien) gegen die Abbaupläne bei der Muttergesellschaft Volkswagen (VW). Dann schockte BMW mit einem Massenrückruf wegen Problemen mit den Bremsen und einer Gewinnwarnung.
Für Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer (73) ist klar: «BMW und VW haben ein Deutschlandproblem, das sich nicht nur in den hohen Standortkosten zeigt.» Der Grund: Beide Firmen seien abhängig von den Verkäufen in China. Und dort läuft es für die deutschen Hersteller nicht mehr gut, seit die Elektromobilität auf dem Vormarsch ist. Denn aus Deutschland sind in China nur Verbrenner gefragt.
«Deutsche Regierung zerstört Elektromobilität»
Dass die deutschen Autobauer ihren guten Ruf nur bei den Verbrennern geniessen und nicht auch bei den Elektroautos, ist für Dudenhöffer auch die Folge politischer Fehler. «Die deutsche Regierung zerstört die Elektromobilität in Europa», sagt der Experte. So schaffte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (55) im vergangenen Jahr die Kaufprämie für E-Autos über Nacht ab. In der Folge brachen die Verkäufe von Stromern in Deutschland ein.
Insgesamt lasse die deutsche Regierung eine klare Politik vermissen: «Sie wechselt dauernd die Pferde und ist getrieben von aktuellen Trends», beklagt Dudenhöffer. «Nun subventioniert sie zum Beispiel Batteriefabriken, während sie in Europa gleichzeitig das Verbrennerverbot rückgängig machen will.»
Schweizer Zulieferer betroffen
Die Schwierigkeiten in Deutschland belasten die Schweizer Autozulieferer. «Sie sind stark mit den deutschen Herstellern verbunden», so Dudenhöffer. Doch die Zulieferer hätten in Europa auch andere Abnehmer, etwa die Stellantis-Marken Citroën, Peugeot und Fiat. «Wichtig für die Schweizer: mit Innovationen punkten, denn dann ist man gefragt.»
Ganz ähnlich tönt es beim Schaffhauser Zulieferer Georg Fischer. Zwar seien die Probleme von VW und anderen europäischen Autoherstellern «eine gewisse Herausforderung», sagt ein Sprecher. «Die Rückgänge können jedoch durch die ausgewogene geografische Präsenz und durch ein breites Kunden- und Produktportfolio weitestgehend kompensiert werden.»
Bei Georg Fischer beliefert die Abteilung GF Casting Solutions unter anderem VW. Die Division trägt 20 Prozent zum Gesamtumsatz der Firma bei, VW einen mittleren einstelligen Prozentsatz zum Umsatz der Division.
VW-Krise zweitrangig für Komax und Co.
Beim Zulieferer Ems Chemie sieht man die VW-Krise gelassen: «Werkschliessungen können zwar zu Verschiebungen zwischen den Regionen und Automarken führen, für EMS als Zulieferer mit einer weltweiten Marktabdeckung haben solche jedoch keine Auswirkungen», heisst es auf Anfrage.
Auch für Komax und SFS ist die Autoindustrie ein wichtiger Abnehmer. Beide Firmen liefern aber in erster Linie nicht an die Automarken, sondern an weitere Zulieferer. Für sie zählt deshalb hauptsächlich die Entwicklung des globalen Automarkts und der Regionen und weniger die einzelnen Marken.
Einen grossen Stellenwert für Komax habe Europa als Ganzes, schreibt ein Sprecher. Und hier zeichne sich laut S&P Global Mobility ein Rückgang der Fahrzeugverkäufe um fünf Prozent ab. Weltweit werde nach einem starken Anstieg im Vorjahr dieses Jahr ein Rückgang von zwei Prozent erwartet.
Schädliche Zölle gegen China
Zu sehr auf den Rest von Europa verlassen können sich die Schweizer Zulieferer ohnehin nicht. Denn auch die EU-Kommission unter der deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen (65) hat laut Dudenhöffer versagt.
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«Die ganze europäische Autoindustrie war gegen die Strafzölle gegen chinesische Autohersteller, doch von der Leyen hat diese trotzdem eingeführt.» Mit den Zöllen gefährde Brüssel nicht nur die Zusammenarbeit mit China, sondern veranlasse die chinesischen Hersteller, Fabriken in Europa zu bauen, um die neuen Zölle zu umgehen.
Für VW bleibt es schwierig
Weniger Absatz in China und mehr chinesische Autos in Europa: Gibt es überhaupt noch Hoffnung für die deutsche Autoindustrie? Der Schlüssel sei, dass die Politik gute Bedingungen für die Elektroautoindustrie schaffe, sagt Dudenhöffer.
Doch für VW wird es schwierig bleiben, ist Dudenhöffer überzeugt. Mit der Beteiligung des Bundeslands Niedersachsen im Aufsichtsrat – so heisst der Verwaltungsrat in Deutschland – sei VW «eigentlich ein Staatskonzern». Jede nötige Veränderung in Niedersachsen werde damit blockiert. VW hat mehr als 100'000 Angestellte in dem Bundesland.
BMW sei hingegen als Firma solide aufgestellt. Dennoch müsse man die Rückrufe wegen Qualitätsproblemen ernst nehmen, so Dudenhöffer. Auffallend: Auch das vom jüngsten Rückruf betroffene Bremssystem stammte von einer deutschen Firma, und zwar vom Zulieferer Continental.