Auf einen Blick
- BMW ruft 1,5 Millionen Fahrzeuge wegen Bremsproblemen zurück
- Eine vierköpfige Familie erlebte mit ihrem BMW X7 einen Beinahe-Unfall wegen defekter Bremse
- BMW widerspricht den Befürchtungen des Familienvaters
Bei Hans Meier* kamen sofort Erinnerungen an einen Beinahe-Unfall im Mai hoch: BMW muss derzeit 1,5 Millionen Fahrzeuge zurückrufen. Deshalb sah sich der deutsche Autobauer am Dienstag dazu veranlasst, seine Prognose für die Geschäftszahlen nach unten zu korrigieren. Neu rechnet das Unternehmen mit einem Absatzrückgang – anstatt eines Wachstums.
Der Grund für den Mega-Rückruf: Bei zahlreichen BMW-Baureihen aus dem Produktionszeitraum seit Juni 2022 sind möglicherweise Komponenten verbaut, die zu einem Ausfall des integrierten Bremssystems führen können. Sie müssen ausgetauscht werden. Und genau da setzen Meiers Erinnerungen an, denn vor ein paar Monaten endete ein Familienausflug mit seinem BMW X7 beinahe in einem Unfall – mit der Frau auf dem Beifahrersitz und den zwei Kindern auf der Rückbank.
Bei 50 km/h stieg plötzlich die Bremse aus
Der Vorfall ereignete sich Ende Mai. Die vierköpfige Familie aus dem Aargau plante einen Nachmittagsausflug nach Zürich, wie Meier gegenüber dem Blick schildert. Bei Baden passierte es dann: Auf einem abschüssigen Strassenabschnitt fiel ohne jegliche Vorwarnung durch den Bordcomputer die Bremse aus – bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h und regem Verkehr, so Meier. «Trotz starkem Fussdruck auf die Bremse reagierte diese nicht.» Er habe dann gerade noch in eine aufwärts führende Nebenstrasse abbiegen können, wo das Auto zum Stehen kam. «Es waren bange Sekunden, meine ganze Familie hatte Todesangst», erinnert sich Meier.
Die Familie stieg aus und informierte die Pannenhilfe, die den Wagen dann abschleppte. Die Meiers fuhren anschliessend mit einem Taxi nach Hause. «Wir mussten uns zuerst wieder beruhigen und fassen.» Nach diesem Horrorerlebnis fragte sich die Familie, wie es weitergehen soll. «Einerseits ist der X7 ein ideales Fahrzeug für uns, andererseits möchte kein Mitglied mehr dieses Auto betreten. Ich habe in meinen 35 Jahren Autofahren noch nie so etwas erlebt. Auch meine Familie nicht.»
Werkstatt konnte das Auto nicht umrüsten
Bereits Anfang Mai hatte Meier ein Rückrufschreiben, das Blick vorliegt, von BMW Schweiz erhalten. Darin heisst es, dass es bei manchen Fahrzeugen «in sehr seltenen Fällen» zu Signalstörungen in der Elektronik des Bremssystems kommen könne. Und weiter: «Dadurch kann sich die erforderliche Betätigungskraft der Bremse erhöhen.» Auch stünden weitere Bremsregelfunktionen wie das ABS und die dynamische Stabilitätskontrolle nicht zur Verfügung. «Das Fahrzeug bleibt aber weiterhin beherrschbar und kann jederzeit gebremst werden.»
Beim BMW X7 von Meier – der Neupreis des Wagens liegt bei gut 120'000 Franken – war dies aber nicht der Fall. «Es ist reinem Glück und vermutlich meiner schnellen Reaktion zu verdanken, dass wir unbeschadet davongekommen sind», ärgert er sich. Und was ihn weiter stört: Nachdem er das Rückrufschreiben erhalten hatte, vereinbarte Meier sofort einen Werkstatttermin. Nur: Die BMW-Vertretung aus dem Zürcher Bezirk Dielsdorf sagte den Termin einige Tage später wegen Lieferschwierigkeiten ab. Wie aus der Korrespondenz dazu hervorgeht, fehlten der Werkstatt einige Komponenten, um das Auto umzurüsten, weil die erforderlichen Teile im Werkrückstand waren. Bloss darum fuhr Meier seinen BMW zum Zeitpunkt des Beinaheunfalls überhaupt noch im alten Zustand.
So erklärt sich BMW
Bei Meiers X7 trat bereits im Mai das gleiche Problem auf, weswegen BMW den aktuellen Mega-Rückruf durchführt. Auf Anfrage bestätigt der bayrische Auto-Hersteller, dass auch ein Teil dieses Modelltyps von den Bremsproblemen betroffen ist. Ein Sprecher von BMW widerspricht aber Meiers Schilderungen, wonach sein Vorfall in Zusammenhang mit der Rückrufaktion stehe: «Grund des Rückrufes sind Signalstörungen in der Elektronik des Bremssystems. Diese können nicht zu einem Totalausfall der Bremse führen.»
Aktuell statte BMW alle Fahrzeuge mit einer Diagnose-Software aus, die frühzeitig den Fahrer warne, bevor der Fehlerfall auftrete. «Diese Software erzeugt dann eine spezifische Nachricht auf dem zentralen Bildschirm des Fahrzeugs, mit der der Fahrer aufgefordert wird, zeitnah einen BMW- oder Mini-Partner aufzusuchen», so der Sprecher. Dieser werde dann das Bremssystem unabhängig von Fahrzeugalter und Laufleistung kostenfrei ersetzen. Lieferschwierigkeiten bei Komponenten gibt es laut BMW keine: Es seien genügend Ersatzteile vorhanden.
Das Auto von Meier ist mittlerweile umgerüstet. Doch er hat das Vertrauen in BMW verloren. Er warnt andere Fahrer: «Die betroffenen Fahrzeuge müssen unverzüglich aus dem Verkehr genommen werden.»
* Name geändert