Aus der Pflicht wird heute eine Empfehlung. Der Bundesrat kommt beim Homeoffice den Arbeitgebern entgegen, die zuletzt vehement auf eine schnelle Rückkehr der Angestellten in die Büros pochten. Die Homeoffice-Pflicht wird allerdings nur für Betriebe gelockert, die einmal pro Woche testen. Sobald alle Impfwilligen ihren Piks erhalten haben, soll die Homeoffice-Regel ohne Vorgaben gelockert werden.
Bis es so weit ist, müssen sich Tausende Angestellte, denen im Homeoffice die Decke auf den Kopf fällt, noch gedulden. Hinzu kommt: Nur die Minderheit der Chefs will sofort lostesten, wie eine Umfrage von Blick zeigt. Auf Firmentests setzt etwa der Pharmamulti Roche. «Wir arbeiten intensiv an umfangreichen Konzepten, so dass ab Juni wieder mehr Mitarbeitende ins Areal zurückkehren können», sagt Sprecher Karsten Kleine.
Auch bei der Ems-Chemie soll die grosse Rückkehr ruckzuck vonstattengehen. «Sobald der Bundesrat die Homeoffice-Pflicht aufhebt, werden die Ems-Mitarbeitenden ihren Tätigkeiten wie zuvor nachgehen», erklärt Sprecher Conrad Gericke. Die Ems-Angestellten in der Schweiz nähmen bereits seit März am erfolgreichen Betriebstest-Programm des Kantons Graubünden teil.
Arbeitnehmer drängen zum Teil auf Rückkehr ins Büro
Die Zeit dränge, heisst es beim Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV). Viele Vorgesetzte hörten von ihren Angestellten, dass sie nach teilweise über einem Jahr im Homeoffice an ihre psychischen Belastungsgrenzen gestossen seien. «Sie drängen darauf, zumindest wieder teilweise im Büro arbeiten zu können», heisst es beim SAV.
Andere wollen dagegen das Homeoffice nicht mehr missen. Doch können jene, die möchten, weiterhin zu Hause arbeiten? Erste Firmen haben bereits Klarheit über die neuen Homeoffice-Optionen nach Corona geschaffen. Zu den Vorreitern gehört Raiffeisen. «Wir haben schon im Sommer 2020 beschlossen, dass wir nach Corona nicht weitermachen wie zuvor», sagte Raiffeisen-Chef Heinz Huber (56) dem Blick.
Raiffeisen führte letzten August eine flexible Arbeitsregelung ein. Bei Raiffeisen Flexwork können Mitarbeitende bis zu 80 Prozent der Jahresarbeitszeit in Absprache mit dem Vorgesetzten im Homeoffice oder an einem beliebigen Standort absolvieren.
Auch die 2000 von insgesamt 2700 Mitarbeitenden der Groupe Mutuel wissen, was sie erwartet. In Zukunft können sie bis zu 50 Prozent respektive maximal zwei Tage die Woche ausserhalb des Büros arbeiten. Das Projekt für den flexiblen Arbeitsort gabs schon kurz vor Ausbruch der Pandemie und habe letztes Jahr nun enormen Schub bekommen, sagt Mutuel-Sprecher Serkan Isik.
Flexible Modelle sind hoch im Kurs
Novartis wiederum machte schon letzten Sommer Schlagzeilen mit der Ankündigung, seinen Mitarbeitenden anzubieten, «für immer von zu Hause aus zu arbeiten». Konkret können sie künftig in Absprache mit ihren Vorgesetzten entscheiden, ob sie ins Büro zurückkehren oder teilweise bzw. ganz daheim arbeiten wollen. Mit dem neuen Regime sollen auch Büroflächen untervermietet werden.
Auch Helsana beschloss einen Wechsel. «Nach den guten Erfahrungen im letzten Jahr führten wir neue Homeoffice-Prinzipien ein», sagt Helsana-Sprecherin Dragana Glavic-Johansen. Mitarbeiter könnten Arbeitstage ganz oder auch stundenweise im Homeoffice verbringen.
Bereits im Oktober legte Daniela Fischer (44), Personalchefin von Axa Schweiz, die Bedingungen fürs Homeoffice nach Corona fest: «Wir raten unseren Mitarbeitenden, durchschnittlich 40 bis 60 Prozent des Arbeitspensums im Büro zu arbeiten und die restlichen Tage von zu Hause aus, in einem externen Gemeinschaftsraum oder unterwegs.» Mit dem neuen Arbeitsmodell erhalten alle Axa-Mitarbeiter, egal wie lange sie im Homeoffice sind, eine jährliche Pauschale von 200 Franken, um das Heimbüro auszustatten.
Mitarbeiter wollen neue Konzepte
Ob sie wollen oder nicht, Unternehmen müssen sich mit Homeoffice auseinandersetzen – auch weil seit Corona das Argument, dass es nicht funktioniere, wenn die Leute nicht im Büro seien, nicht mehr zieht. Die Ausarbeitung neuer Konzepte machten die Firmen teilweise auf Druck der Mitarbeitenden, wie Danny Schweingruber (57) von der Firma Witzig in Frauenfeld TG weiss. Sie ist spezialisiert auf die Einführung flexibler Büros – vom Konzept bis zur Designeinrichtung.
«Die Nachfrage nach Beratungsleistungen hat stark zugenommen», stellt Schweingruber fest. Es gehe darum, das bestehende Layout den neuen Bedürfnissen anzupassen. Arbeitsplatzzonen würden reduziert – Flächen für Begegnungen wachsen. Wichtig beim Umstellen sei auch, neu zu definieren, wie die Mitarbeitenden künftig geführt werden sollen.
Aus seiner Sicht müssen die Geschäftsleitungen auch zwingend den Rahmen festlegen – ob und wie Homeoffice möglich ist und wie viel Geld für die Infrastruktur aufgewendet werden soll.
Seit dem 18. Januar gilt für Arbeitgeber die Verpflichtung, überall dort Homeoffice anzuordnen, wo dies aufgrund der Art der Aktivität möglich und mit verhältnismässigem Aufwand umsetzbar ist.
Ab Montag, 31. Mai, sollen nicht nur Restaurants auch im Innern wieder öffnen und grössere Events stattfinden können. Für Betriebe, die wiederholt testen, soll zudem die Homeoffice-Pflicht in eine Empfehlung umgewandelt werden. Die Details dazu will Gesundheitsminister Alain Berset (49) am 26. Mai bekannt geben.
Dagegen läuft nicht nur der Schweizerische Arbeitgeberverband Sturm, der eine bedingungslose Aufhebung der Homeoffice-Pflicht fordert. Auch einer Mehrheit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) stimmte für eine generelle Aufhebung der Homeoffice-Pflicht ohne Test-Auflagen. Claudia Gnehm
Seit dem 18. Januar gilt für Arbeitgeber die Verpflichtung, überall dort Homeoffice anzuordnen, wo dies aufgrund der Art der Aktivität möglich und mit verhältnismässigem Aufwand umsetzbar ist.
Ab Montag, 31. Mai, sollen nicht nur Restaurants auch im Innern wieder öffnen und grössere Events stattfinden können. Für Betriebe, die wiederholt testen, soll zudem die Homeoffice-Pflicht in eine Empfehlung umgewandelt werden. Die Details dazu will Gesundheitsminister Alain Berset (49) am 26. Mai bekannt geben.
Dagegen läuft nicht nur der Schweizerische Arbeitgeberverband Sturm, der eine bedingungslose Aufhebung der Homeoffice-Pflicht fordert. Auch einer Mehrheit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) stimmte für eine generelle Aufhebung der Homeoffice-Pflicht ohne Test-Auflagen. Claudia Gnehm
Noch nicht entschieden darüber, was nach dem Zwang vom Homeoffice übrig bleibt, hat etwa die Migros. «Wir stellen derzeit Überlegungen an, wie wir uns die Zusammenarbeit nach der Pandemie vorstellen», sagt MGB-Sprecher Marcel Schlatter. Bei Konkurrentin Coop heisst es: «Nach der Pandemie lancieren wir bei Coop in der Verwaltung eine Homeoffice-Regelung.»
Post-Sprecher Erich Goetschi sagt: «Wir prüfen derzeit, in welcher Form wir in Zukunft zusammenarbeiten, Entscheide sind noch nicht gefallen.» Die SBB wollen über Details zuerst die Mitarbeitenden informieren. Die Credit Suisse hat vor, die Erkenntnisse aus der Pandemie-Zeit in die künftigen flexiblen Arbeitsmodelle einfliessen zu lassen.
Bei Roche wird der Homeoffice-Umfang individuell von Teams, Vorgesetzten und Mitarbeitenden festgelegt. Bereits vor der Pandemie mit Homeoffice-Angeboten unterwegs waren nach Firmenangaben ABB, Swiss Life, Zurich-Versicherung, Nestlé, Ernst & Young und Pricewaterhouse Cooper. Bei ihnen hat sich das Büro bereits vom reinen Arbeitsort zum Ort der Begegnung gewandelt.