Corona bringt Durchbruch für Homeoffice
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Corona-Schub für Homeoffice:Die Mitarbeiter wollen Freiheit, die Chefs sparen

Corona revolutioniert die Arbeitswelt – Homeoffice in jeder zweiten Firma
Corona bringt Durchbruch für Homeoffice

Sich als flexiblen Arbeitgeber zu zeigen, gehört zum guten Ton. Doch wollen Firmen, die ihre Mitarbeiter wegen Corona ins Homeoffice senden mussten, diese Arbeitsform etablieren? Die Zustimmung ist gemäss einer Studie gross – aber auch die Erwartung, damit zu sparen.
Publiziert: 29.07.2020 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2020 um 10:39 Uhr
  • Heimarbeit in jeder zweiten Firma
  • Chefs hoffen auf höhere Produktivität
  • Angestellte fürchten längere Arbeitszeiten
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Homeoffice ist aus der Sicht von Kindern viel mehr als nur die Eltern hinter dem Laptop: Luisa (8), Tochter von BLICK-Fotoredaktor Christof Kalt, zeichnet den fleissigen Vater samt Apfel, Gummibaum und Hundebild.
Foto: zvg
Claudia Gnehm, Levin Stamm

Die Sommerferien neigen sich für die meisten Schweizer Angestellten bald dem Ende zu. Doch zurück ins Büro und die Arbeitsstätte müssen nicht mehr alle. Weil sie mit dem Homeoffice seit dem Lockdown gute Erfahrungen gemacht haben, bauen viele Firmen wie Lidl ihr Homeoffice-Angebot zügig aus. «Alle unsere Büromitarbeitenden haben neu die Möglichkeit, mindestens einen Tag pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten», sagt Lidl-Sprecherin Corina Milz. Natürlich sei das freiwillig.

Die Krankenkasse Groupe Mutuel startete bereits vor der Krise mit einem Homeoffice-Pilotprojekt, das sich aber noch nicht überall etablierte. «Die Krise hat diesem Projekt einen enormen Schub gegeben», sagt Groupe-Mutuel-Sprecher Serkan Isik. Homeoffice sei ab sofort für zwei Tage in der Woche möglich.

Neue Mieter sollen Büroflächen füllen

Bereits entschieden – wegen der Homeoffice-Erfahrungen im Lockdown –, im grossen Stil Homeoffice einzuführen, haben auch Novartis und die Grossbank UBS. Beim Pharmakonzern können 110'000 Mitarbeiter weltweit wählen, ob und wie viel sie künftig im Homeoffice arbeiten wollen. Damit lässt sich viel Geld sparen: Nächstes Jahr will Novartis-Chef Vas Narasimhan (44) die nicht mehr benötigte Bürofläche – mitunter auf dem grosszügig gebauten Campus in Basel – an Dritte vermieten.

Auch UBS-Chef Sergio Ermotti (60) will mit mehr Homeoffice bei der Bürofläche sparen. Das Geschäft funktionierte während des Lockdowns auch mit 95 Prozent der Bankangestellten im Homeoffice tadellos.

Anteil von fixem Homeoffice-Angebot steigt von 40 auf 52 Prozent

Dass mehr Homeoffice-Möglichkeiten dem Bedürfnis von 80 Prozent der Angestellten entsprechen, bestätigt eine breit angelegte Studie von Job Cloud bei über 3100 Angestellten, die BLICK exklusiv vorliegt. Vor der Corona-Krise konnten bereits 28 Prozent der Angestellten frei wählen, ob sie im Homeoffice arbeiten wollten. Weitere zwölf Prozent konnten ein paar Tage die Woche von zu Hause aus arbeiten.

Doch geben die Unternehmen bei Homeoffice wirklich Gas, wenn der Druck von Corona weg ist? Zwar wollen sich etliche Unternehmen wie Coop und Post noch nicht festlegen, ob sie Homeoffice ausbauen. Dennoch ist der Trend bei 265 von Job Cloud befragten Entscheidungsträgern eindeutig: 40 Prozent sehen Homeoffice nach Covid-19 als festen Teil des Arbeitspensums vor. Weitere zwölf Prozent wollen Mitarbeitenden komplette Flexibilität geben. Job Cloud betreibt das führende Stellenportal jobs.ch.

Dabei liess sich auch ein erheblicher Anteil von 38 Prozent der Firmen, die vorher keine Homeoffice-Möglichkeiten anboten, von den Corona-Erfahrungen überzeugen. Sie führen künftig einen festen Anteil an Homeoffice-Tagen ein, wie die Studie weiter zeigt. Der Corona-Schub dürfte damit den Anteil der Unternehmen, die regulär Homeoffice anbieten, von vorher 40 Prozent auf über 50 Prozent erhöhen.

Nach Corona wollen 52 Prozent der Firmen im Homeoffice vollständige Flexibilität gewähren oder es als festen Bestandteil des Arbeitspensums einführen.

Mehr Homeoffice-Angebote in Stelleninseraten

Der Trend zeigt sich ebenso im Jobinserate-Markt. Gemäss einer Job-Cloud-Analyse der ausgeschriebenen Stellen auf jobs.ch werben Firmen deutlich mehr mit der Möglichkeit für Homeoffice um neue Mitarbeiter. «Wir haben festgestellt, dass die Anzahl der Jobinserate, welche im Text dezidiert die Möglichkeit zu Homeoffice erwähnen, zwischen Ende März und Ende Juni um 30 Prozent gestiegen ist», sagt Job-Cloud-Chef Davide Villa (54) dem BLICK. Villa ist überzeugt, dass Arbeitgeber den Mitarbeitenden flexible Arbeitsmodelle anbieten müssten, damit sie weiterhin die besten Talente anziehen könnten.

Die meisten Unternehmen wollen gemäss Umfrage mit dem Homeoffice die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen. Damit lasse sich auch ihre Produktivität steigern, sind 39 Prozent überzeugt. Für jeden dritten Chef kommt das Homeoffice gelegen, um Infrastrukturkosten zu senken sowie Bürofläche zu sparen.

Vorreiter Siemens – Wer ins Büro will, registriert sich per App

Homeoffice war gestern. Bei Siemens redet man inzwischen von mobiler Arbeit und bereitet sich dementsprechend auf die Zukunft vor.

Mit der neuen Siemens-App Comfy will der deutsche Technologiekonzern die bisherige Bürokultur liberalisieren und die während der Corona-Krise gewonnene Flexibilität beibehalten. «Unsere Angestellten sollen bei der Wahl des Arbeitsortes frei sein», sagt Siemens-Schweiz-Personalchef Thomas Frick (58). Die Konzernführung in München (D) entschied nach dem Lockdown, dass mehr als die Hälfte der rund 240'000 Mitarbeiter in Zukunft zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten darf.

Personalchef Frick erklärt, wie das funktioniert: Je nach Aufgabe wählt ein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz aus und registriert ihn über die App – und zwar unabhängig vom Standort. «Jemand, der am Standort Zug angestellt ist, soll jederzeit in Zürich arbeiten können», sagt Frick. Comfy soll – zum Beispiel mithilfe von Karten – «lokale Besonderheiten verständlich zugänglich machen».

Hierzulande startet die App Ende August an 18 von 20 Standorten. Sie soll einem Grossteil der 5700 Angestellten zur Verfügung stehen. Damit reagiert Siemens laut Frick nicht nur auf die Corona-Pandemie. Denn: «Je nach Lebensphase haben unsere Angestellten unterschiedliche Bedürfnisse.» Das neue Konzept solle Berufs- und Privatleben besser vereinbaren.

Mit vermehrter Telearbeit wird bei Siemens weniger Bürofläche gebraucht. Doch solange die Corona-Krise andauert, wird keine Fläche abgebaut. In Zukunft soll das Konzept auch bei anderen Firmen zum Einsatz kommen – installiert und aufgesetzt von den Gebäudetechnikern von Siemens. Levin Stamm

Homeoffice war gestern. Bei Siemens redet man inzwischen von mobiler Arbeit und bereitet sich dementsprechend auf die Zukunft vor.

Mit der neuen Siemens-App Comfy will der deutsche Technologiekonzern die bisherige Bürokultur liberalisieren und die während der Corona-Krise gewonnene Flexibilität beibehalten. «Unsere Angestellten sollen bei der Wahl des Arbeitsortes frei sein», sagt Siemens-Schweiz-Personalchef Thomas Frick (58). Die Konzernführung in München (D) entschied nach dem Lockdown, dass mehr als die Hälfte der rund 240'000 Mitarbeiter in Zukunft zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten darf.

Personalchef Frick erklärt, wie das funktioniert: Je nach Aufgabe wählt ein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz aus und registriert ihn über die App – und zwar unabhängig vom Standort. «Jemand, der am Standort Zug angestellt ist, soll jederzeit in Zürich arbeiten können», sagt Frick. Comfy soll – zum Beispiel mithilfe von Karten – «lokale Besonderheiten verständlich zugänglich machen».

Hierzulande startet die App Ende August an 18 von 20 Standorten. Sie soll einem Grossteil der 5700 Angestellten zur Verfügung stehen. Damit reagiert Siemens laut Frick nicht nur auf die Corona-Pandemie. Denn: «Je nach Lebensphase haben unsere Angestellten unterschiedliche Bedürfnisse.» Das neue Konzept solle Berufs- und Privatleben besser vereinbaren.

Mit vermehrter Telearbeit wird bei Siemens weniger Bürofläche gebraucht. Doch solange die Corona-Krise andauert, wird keine Fläche abgebaut. In Zukunft soll das Konzept auch bei anderen Firmen zum Einsatz kommen – installiert und aufgesetzt von den Gebäudetechnikern von Siemens. Levin Stamm

Angst vor Überwachung

Ob das Homeoffice in normalen Zeiten die Unternehmen so billig kommt wie im Corona-Ausnahmezustand, ist aber fraglich. Längerfristig werden Angestellte zu Hause nicht mehr auf einen ergonomischen Bürostuhl verzichten wollen. Auch eine Zahlung an die Wohnungsmiete dürfte vermehrt ein Thema werden. Im Frühling hat das Bundesgericht einem Treuhandmitarbeiter, der ins Homeoffice geschickt wurde, einen Beitrag von 150 Franken an die Wohnungsmiete zugesprochen. Nur wenn die Mitarbeiter freiwillig im Homeoffice arbeiten, muss der Arbeitgeber nicht für die Kosten aufkommen.

Trotz grossem Zuspruch sehen Angestellte das Homeoffice nicht nur positiv. Am häufigsten bemängeln sie das fehlende Vertrauen des Arbeitgebers. Dementsprechend gingen beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten während des Lockdowns klar mehr Anfragen betreffend Datensicherheit und Mitarbeiter-Tracking ein, wie BLICK auf Anfrage erfährt.

Eine weitere Schattenseite von Homeoffice: Fast die Hälfte der Befragten gaben an, dass sie im Homeoffice zu viel arbeiteten und die Work-Life-Balance nicht im Griff hatten.

Arbeitgeber sehen Homeoffice als Motivator, aber auch als Sparmassnahme.
Zuviel arbeiten, sehen Angestellte als das grösste Problem im Homeoffice.
Coronavirus

Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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