Hat sich CEO Cirillo verspekuliert?
Das gefährliche Päckli-Problem der Post

Roberto Cirillo investierte Milliarden in den Ausbau der Paket-Infrastruktur. Doch 2023 nahm deren Nutzung das zweite Jahr in Folge ab. Hat sich der CEO des gelben Riesen verspekuliert?
Publiziert: 26.11.2023 um 02:00 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2023 um 19:25 Uhr
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Eröffnet im Mai 2022: neues Paketzentrum in Rümlang ZH.
Foto: Zvg
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Paketboten mussten diese Woche einmal mehr Höchstleistungen erbringen: Der Schweizer Detailhandel hat den Black Friday aus den USA übernommen – die Rabatte am Freitag nach Thanksgiving. Doch trotz Black-Friday-Hype und dem Siegeszug des Onlinehandels lieferte die Post im vergangenen Jahr lediglich 194 Millionen Pakete aus, 4 Prozent weniger als 2021. In den ersten neun Monaten 2023 nahm das Volumen um weitere 5 Prozent ab. Setzt sich dies bis Jahresende fort, wird die Post 2023 fast 20 Millionen Pakete weniger transportieren als 2021.

Der gelbe Riese erklärt den Rückgang mit «sehr anspruchsvollen» Rahmenbedingungen. «Lieferengpässe, eine gedrückte Konsumentenstimmung und aufgehobene Corona-Massnahmen tragen dazu bei, dass wir aktuell weniger Pakete verarbeiten», sagt ein Sprecher, betont jedoch, die Paketmengen seien nach wie vor auf einem «sehr hohen Niveau». Man befördere rund 30 Prozent mehr Pakete als 2019.

Und doch ist der Trend für den Staatsbetrieb besorgniserregend. Schliesslich ging die Konzernspitze davon aus, den Mengenrückgang bei Briefen dank des durch Corona ausgelösten Päckli-Booms wettmachen zu können. 2021 sagte CEO Roberto Cirillo (52) in einem Interview mit CH Media: «Den schrumpfenden Bereich in der Briefpost wollen wir mit höheren Mengen und Erträgen aus dem Geschäft mit Paketen kompensieren.»

Zu ehrgeizig geplant?

Cirillo und Verwaltungsratspräsident Christian Levrat (53) hatten also nicht mit einem Paketrückgang gerechnet, sondern mit kräftigem Wachstum. Kurz nach Corona gab die Post bekannt, bis 2030 rund 1,5 Milliarden Franken in die Paketinfrastruktur zu investieren. Seit 2021 wurden vier neue Paketzentren in Betrieb genommen: Buchs AG, Rümlang ZH, Wallisellen ZH, Pratteln BL. Und in Härkingen SO eröffnete Bundesrat Albert Rösti (56) erst vor wenigen Wochen feierlich eine neue Paketsortieranlage.

Bis Ende des Jahrzehnts wollte die Post an «mindestens 15 Standorten» Pakete verarbeiten können. 2022 war in mehreren Medienmitteilungen zu lesen, dass die Sortierkapazität «verdoppelt» werden soll. Bei 202 Millionen Paketen im Jahr 2021 würde das einer Sortierkapazität von rund 400 Millionen Paketen entsprechen.

Haben die Verantwortlichen unter dem Eindruck des coronabedingten Päckli-Booms zu ehrgeizig geplant?

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Die Medienstelle dementiert: «Wir sind überzeugt, dass der Trend zum Onlinehandel anhält und die Paketmengen langfristig weiter steigen werden.» Die Post halte «grundsätzlich» an den Ausbauplänen fest.

Päckli-Flaute soll nur vorübergehend sein

Die Sortierkapazität für 400 Millionen Pakete, von der man aufgrund früherer Mitteilungen ausgehen musste, sei nie beabsichtigt gewesen: «Die genannte ‹Verdoppelung› der Sortierkapazität für Pakete bezieht sich nicht auf 2022, sondern auf die Zeit, als die Post den Ausbau der Paketinfrastruktur in Angriff genommen hat, noch vor der Pandemie.»

Der Konzern spricht von einer «annahmebasierten Planung» für die nächste Dekade von «maximal 300 Millionen Paketen».
Aus «mindestens» 15 Standorten, die einst angekündigt worden waren, sind «maximal» 15 Standorte geworden. Es sei sehr herausfordernd, exakte Prognosen abzugeben, meint der Sprecher dazu. «Entsprechend justieren wir unsere Kapazität laufend auf die prognostizierten Mengen.»

Das klingt zurückhaltender als noch vor ein, zwei Jahren. Nichtsdestotrotz gibt sich die Post überzeugt, dass die Päckli-Flaute nur ein vorübergehender Trend ist.

Grosser Wettbewerb zwischen Zustellern

Eine Garantie dafür gibt es aber nicht, wie Gespräche mit Fachleuten zeigen. Professor Marc K. Peter (50), Leiter des Kompetenzzentrums Digitale Transformation der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), ist zwar ebenfalls überzeugt, dass der Trend in Richtung online und E-Commerce anhalten wird. Er ist jedoch von einer schnelleren Digitalisierung ausgegangen. «Studien zeigen, dass die Technologie-Akzeptanz und damit die Digitalisierung der Schweiz länger dauert als erwartet.»

Homeoffice zum Beispiel sei in vielen Firmen wieder reduziert oder gar ganz abgeschafft worden, so Peter. «Nach Covid-19 kehrte deshalb im Konsumverhalten eine alte Normalität zurück – und so wird auch wieder vermehrt im stationären Handel eingekauft.»

Für die Post sind dies schlechte Nachrichten. Kommt hinzu, dass der Wettbewerb zwischen den Zustellern gross ist. Im inländischen Paket-, Express- und Kurierdienstmarkt ist der Marktanteil des Staatskonzerns 2022 leicht zurückgegangen, von 79 auf 76 Prozent.

Zahlen für das laufende Jahr gibt es noch nicht. Der Konkurrenzdruck dürfte aber hoch bleiben. So sagt zum Beispiel DPD Schweiz, beim Paketvolumen eine «positive Entwicklung» zu verzeichnen. Digitec Galaxus wiederum, die Nummer eins im Schweizer Onlinehandel, arbeitet seit Ende 2022 vermehrt mit der Firma Planzer zusammen. Davor war die Post fast 20 Jahre lang Exklusivpartnerin der Migros-Tochter. 

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