Knapp ein Jahr nach der Austragung der Fussball-Weltmeisterschaft sind international wieder alle Augen auf Katar gerichtet: Emir Tamim bin Hamad Al Thani (43) macht mit seinem Land Schlagzeilen als wichtiger Vermittler bei der Befreiung von Geiseln aus den Fängen der Hamas. Doch der Halbinsel-Staat steckt voller Widersprüche.
Tamim hat in der Erbmonarchie 2013 den Platz seines Vaters eingenommen und die katarische Aussenpolitik seither neu ausgerichtet. Seine Monarchie springt inzwischen regelmässig bei Konflikten als Mediator ein. Die katarische Politik und die Beziehung zum Westen ist verzwickt. Ohne seine enge Beziehung zur Hamas hätte Tamim nicht zur Freilassung von bisher vier Geiseln beitragen können. Die Hamas hat bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober über 220 Geiseln genommen und mehr als 1400 Menschen getötet.
Einer der wichtigsten Geldgeber der Hamas
Katar ist seit 15 Jahren neben dem Iran der wichtigste Geldgeber an den durch die Hamas regierten Gazastreifen. Jeden Monat fliessen über die Vereinten Nationen 30 Millionen Dollar aus Katar in den Gazastreifen – ein Teil davon in Form von Treibstoff. Ohne diese Finanzspritzen könnte die Hamas die Gehälter für ihre Beamten nicht bezahlen. Ein Teil der Mittel geht zudem an palästinensische Familien, die in bitterer Armut leben. Doch internationale Beobachter sind überzeugt, dass die Hamas mit den Geldern auch einen Teil ihrer Tunnelsysteme und Waffen finanziert.
Die EU, USA und Israel stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Davon will Tamim nichts wissen. Er macht Israel für die Eskalation verantwortlich. Deshalb löste sein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (65) in Berlin vor gut zwei Wochen in Deutschland heftige Kritik aus.
Reicher als die Schweiz
Tamim unterstützt neben der Hamas auch die libanesische Hisbollah, die radikale Muslimbruderschaft, die Terrororganisation Al Kaida und er hat die Taliban in Afghanistan diplomatisch anerkannt. Der Emir profitiert dabei von vollen Staatskassen. Der Halbinsel-Staat ist unter anderem dank seiner Gasvorkommen schwerreich. Der Internationale Währungsfonds beziffert Katars Bruttoinlandprodukt pro Kopf auf 114'000 Dollar – also 26 Prozent höher als jenes der Schweiz.
Der Westen hält sich mit Kritik an Katar zurück. Das Land ist der weltweit grösste Lieferant von Flüssiggas und damit ein wichtiger Handelspartner für die EU. Und die USA unterhält in Katar ihren grössten Militärstützpunkt im arabischen Raum und bezeichnet Tamim als wichtigen Partner. Diesem ist es mit seiner Vermittlerrolle in den letzten Jahren weiter gelungen, seinen Rückhalt im Westen zu stärken.
Das bietet Katar zusätzlichen Schutz. Das Verhältnis zu Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emirate ist seit Jahren angespannt und gipfelte von 2017 bis 2021 in einer Krise, in der die anderen Länder Katar völlig isolieren wollten. Saudi-Arabien und die Emirate sehen in Katar eine Gefahr für die eigenen Monarchien. Denn Katar hat im Arabischen Frühling 2011 die Protestbewegungen unterstützt und Tamim bezieht die anderen politischen Lager im eigenen Land zumindest teilweise mit ein. Das letzte Wort bleibt jedoch beim Emir.