Es beginnt am 30. Juni: Walter T.* (42) aus Rudolfstetten AG herzt am Flughafen Zürich Schwiegermutter (66), die soeben aus dem kanadischen Montreal für einen einmonatigen Ferienaufenthalt eingeflogen ist.
Das Problem: Ihr eingecheckter Koffer bleibt an diesem warmen Sommertag am Genfer Flughafen liegen. Dort war ein ungeplanter Zwischenstopp ihrer Air-Canada-Maschine zu viel für die überforderten Bodenabfertiger. Die Schwiegermutter schreibt die Telefonnummer und Hausadresse ihres Schwiegersohns in ein Formular und reicht die Verlustmeldung bei Swissport, dem zuständigen Unternehmen, ein. Sie denkt sich nichts Böses. Zu Unrecht, wie sich bald herausstellen sollte.
Callcenter in Rumänien
Drei Tage später kriegt T. die Nachricht, Swissport habe einen Kurierdienst mit der Lieferung des inzwischen eingetroffenen Koffers beauftragt. Dann bleibt es still – mehrere Tage. T.: «Meine Schwiegermutter trug bereits die Kleider meiner Frau und wurde immer nervöser.»
Er nimmt sich der Sache an. 45 Minuten lang wartet T. in der Telefonwarteschleife, bis er an ein rumänisches Callcenter durchgereicht wird. «Der Berater wollte mich so schnell wie möglich abwimmeln und verwies mich an den Kurierdienst.»
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Swissport bedauert die langen Wartezeiten, sagt aber: «Unser Contact Center wird zurzeit mit Anfragen überhäuft und ist daher stark gefordert.» Zusätzliche Mitarbeitende stemmen das fünfmal höhere Volumen an nachgesendeten Gepäckstücken. 93 Wagen mit nachgesendetem Gepäck befinden sich momentan am Flughafen Zürich. Nachtschichten sind keine Seltenheit.
Falsche Adresse angegeben
Als T. nach unzähligen Versuchen endlich den Kurierdienst erwischt, ist der Koffer bereits wieder am Flughafen. Swissport hat dem Kurierdienst fälschlicherweise die kanadische Adresse und Telefonnummer der Schwiegermutter weitergegeben.
Nachfrage beim Kurierdienst, der AKS Autokurier-Service GmbH. Co-Geschäftsführer Jürg Elmer (63) nimmt Swissport in Schutz. Die Angaben, die man erhalte, seien zu «mindestens 95 Prozent korrekt». Sei eine Adresse offensichtlich falsch, rufe man dem Empfänger aufs Telefon an. «Nur in äusserst seltenen Fällen, erreichen wir die Zielperson nicht.»
Doch bei der Familie T. ist genau das der Fall. Mehrere Tage verteilt durch den rumänischen Callcenter-Dschungel – ohne Erfolg.
Odyssee endet am Flughafen
Am elften Tag fährt Familie T. an den Flughafen auf Koffersuche. Selbst das Fundbüro weiss nichts: «Die Referenznummer war nicht im System zu finden», sagt T. Nach mehrmaligem Nachhaken wird seine Schwiegermutter ins Fundbüro gelassen. Sie findet den Koffer auf einem Wagen versteckt.
Swissport rechtfertigt sich, es komme vor, dass die Etikette nicht mehr am Koffer vorhanden sei und das Gepäckstück nicht gescannt werden könne. Und: «Wir empfehlen Passagieren, die im näheren Umkreis des Flughafen wohnen, ihr Gepäck direkt am Flughafen abzuholen, da sie so ihr Gepäck oft schneller zurückerhalten als per Kurierdienst.»
Für Walter T. und seine Familie nach elf Tagen Stress ein schwacher Trost: «Hätten wir das früher gewusst, wären wir bereits eine Woche früher vorbeigegangen.»
* Name geändert