Billig-Einkaufen versus Nachhaltigkeit: Während wir in einer Konsumgesellschaft leben, wird das Verlangen nach mehr Nachhaltigkeit immer grösser. Schliesslich gehen die Ressourcen früher oder später zur Neige. Aber wo macht Wiederverwertung Sinn?
Gerade mal 6,9 Prozent der Schweizer Wirtschaft sind Teil eines nachhaltigen Kreislaufes. Der weltweite Durchschnitt liegt mit 7,2 Prozent leicht darüber, wie der sogenannte «Circularity-Gap-Report» von Deloitte letztes Jahr zeigte.
Die Schweiz verbraucht pro Jahr 163 Millionen Tonnen Primärrohstoffe. Das sind 19 Tonnen pro Kopf! Dabei bauen wir im eigenen Land nur wenige Rohstoffe ab. Das meiste davon kommt aus dem Ausland. Die Europäer verbrauchen im Durchschnitt mit 17,8 Tonnen pro Kopf weniger Ressourcen als die Schweizer. Auch bei der Abfallmenge zählen die Schweizer weltweit zu den Spitzenreitern.
Zweites Leben dank Aufbereitung
«Wir stehen erst gerade am Anfang einer Kreislaufwirtschaft – das Potenzial ist riesig», sagt auch Nicola Blum (41) gegenüber Blick. Sie ist Professorin für Nachhaltigkeit an der Berner Fachhochschule.
«Am besten zur Wiederverwertung eignen sich Produkte, wo sich die Materialien einfach trennen lassen», so Blum weiter. Dabei ist mit Wiederverwertung nicht Recycling gemeint. Beispielsweise arbeitet Revendo nach diesem Geschäftsmodell: Die Firma kauft seit über zehn Jahren gebrauchte Handys und schenkt diesen mittels Aufbereitung ein zweites Leben. Und verdient damit gutes Geld. Dank «Refurbishment» werden die Ressourcen länger gebraucht, als wenn der erste Besitzer das Handy gleich im Elektroschrott entsorgt.
Auch Möbel liessen sich zum Teil mit einfachen Mitteln retten. Das Problem: Ein neues Sofa ist bei einem günstigen Möbelhaus oft billiger, als beim alten beispielsweise die Kissen aufpolstern zu lassen. Blick hat das Familienunternehmen B. Bolliger besucht, welches Möbeln ein zweites Leben schenkt – und unter der schnelllebigen Fast-Furniture-Industrie leidet.
Vorteile von Fast Furniture – also günstig produzierten Möbeln, die oft nicht lange halten – sieht Blum praktisch keine. «Es braucht viele Ressourcen. Neben den Materialien für das Mobiliar selbst sind noch weitere Ressourcen wie Strom für die Herstellung sowie später Ressourcen für die Entsorgung nötig». Ziel der Kreislaufwirtschaft ist deshalb, Rohstoffe so lange wie möglich zu nutzen. Und das Sofa nicht gleich wegzuwerfen, wenn die Kissen etwas durchgesessen sind.
Kreisförmige Lieferketten sind komplex
Blum betont aber auch: «Materialien länger zu nutzen, ist nicht in jedem Fall sinnvoll.» Beispielsweise, wenn das Material giftige Bestandteile beinhaltet. Gewisse Kreislaufschlüsse würden sich für die Privatwirtschaft zudem noch gar nicht lohnen. Wie beispielsweise in der Baubranche, wo die Wiederverwertung von Bauteilen die Prozesse verändern. Denn kreisförmige Lieferketten sind komplex.
Das bemerkt auch Revendo: Die Firma betont, dass die grösste Herausforderung nicht die Nachfrage sei – sondern überhaupt an die gebrauchten Handys zu kommen, bevor sie im Müll landen oder in Schubladen zu Hause verstauben.