Nach Schliessung der letzten Glasfabrik im Land
Schweizer Altglas muss nun hunderte Kilometer ins Ausland transportiert werden

Die letzte Glasflaschenfabrik im Land schliesst ihre Türen. Schweizer Altglas muss zum Recyceln nun viele hundert Kilometer weit transportiert werden. Ein Experte sieht die Entwicklung kritisch.
Publiziert: 14.05.2024 um 20:05 Uhr
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Aktualisiert: 15.05.2024 um 12:00 Uhr
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Glasflaschen made in Switzerland wird es in grossen Stückzahlen künftig nicht mehr geben.
Foto: Keystone
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

100'000 Tonnen Altglas haben die Angestellten von Vetropack in der Glashütte in Saint-Prex VD pro Jahr recycelt. Künftig werden all diese Tonnen in den österreichischen Fabriken in Kremsmünster und Pöchlarn oder im neuen Vorzeigewerk in Boffalora sopra Ticino in Italien zu neuem Glas verarbeitet.

Vetropack und die Konkurrenten befördern damit beinahe das gesamte Altglas aus der Schweiz ins Ausland. Das sind mehr als 300'000 Tonnen, die über die Schiene und Strasse in grossen Werken im Ausland landen.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht die Fabrikschliessung in Saint-Prex Sinn. Die schlechte Konsumentenstimmung in Europa setzt der Verpackungsindustrie zu. Vetropack hat deshalb die Kapazitäten an mehreren Standorten vorübergehend reduziert – oder denkt darüber nach.

Schliessung künftig ein Problem?

Für die Schweizer Getränkeabfüller und Kunden von Vetropack habe die Schliessung keine Folgen, wie das Unternehmen auf Anfrage betont. Man werde in den Gemeinden auch weiterhin Glasrecycling-Stellen anbieten.

Mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz gibt es jedoch durchaus negative Konsequenzen, wie Fabian Takacs (32) betont. Er ist Dozent an der Universität St. Gallen und Co-Leiter des Circular Labs, das unter anderem im Bereich der Kreislaufwirtschaft forscht. «Die Logistik nimmt zu. Die Emissionen steigen. Es gibt mehr Abgase und Lärm und die Infrastruktur wird stärker beansprucht», zählt Takacs auf.

Dabei ist Glas für die Kreislaufwirtschaft optimal geeignet, schliesslich kann es zu 100 Prozent recycelt werden. «Die Schweiz ist bei der Umsetzung geschlossener Materialkreisläufe leider sowieso nicht da, wo eine planetarisch-kompatible Wirtschaft sein müsste. Dass wir bereits an so grundlegenden Infrastrukturen wie beim Recycling scheitern, ist bedenklich», so Takacs. Mit der Schliessung der Fabrik in Saint-Prex falle ein weiterer Baustein für eine Kreislaufwirtschaft weg. Dabei büsse die Schweiz Wissen und künftige Handlungsmöglichkeiten ein.

Rohstoff zu günstig?

So landet das Altglas künftig beispielsweise in der Glashütte in Pöchlarn, die rund 600 Kilometer Luftlinie oder acht Autostunden von Bern entfernt liegt, aber immerhin direkt neben dem Zugbahnhof. Ganz im Gegensatz zum top-modernen 400-Millionen-Werk in Boffalora, bei dem längere Lastwagen-Transporte unvermeidbar sind. Takacs macht das Problem bei den tiefen Rohstoffkosten im Verhältnis zu den Lohnkosten aus. «Es ist günstiger, Altglas in der halben Welt herumzukurven, anstatt vor Ort ein sauberes Recycling durchzuführen.» Doch das könnte sich eines Tages ändern.

Der Experte sieht die Politik und Branchenverbände in der Verantwortung, Lösungen für die momentane Kostendifferenz zu finden, damit die aus gesellschaftlicher Sicht wichtige Infrastruktur erhalten bleibt.

Beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) wird die Schliessung des Werks bedauert. «Es handelt sich jedoch um einen privatwirtschaftlichen Entscheid», schreibt das Bafu auf Anfrage. Der Bundesrat hat zum Thema bereits in einer Antwort auf eine Interpellation Stellung genommen. So sei aus Umweltsicht zu bemerken, dass die Herstellung der Verpackungen sowie deren Inhalt relevanter sind als deren Transport und Entsorgung.


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